Gehen oder bleiben? Das fragen sich in Maysoon Pachachis „Unser Fluss…unser Himmel“ viele der im Film gezeigten Figuren. Ende 2006, nach der US-Invasion und dem Sturz von Saddam Hussein, ist die Situation in der Damals-Fünf-Millionstadt Bagdad immer noch unruhig. Straßenblockaden, Bombenanschläge, Hass, Gewalt, Intoleranz und die alltäglichen Probleme des Überlebens in einer Stadt, in der eigentlich nichts funktioniert bestimmen das Leben der dort lebenden Iraker. Pachachi begleitet in ihrer „Short Cuts“-Variante einige von ihnen einige Tage.
Zum Beispiel Sara, eine Schriftstellerin mit Schreibblockade. Die warmherzige Mutter fragt sich, ob sie mit ihrer Tochter die Stadt verlassen soll. Aber ihrer Tochter Reema scheint mit diesem Leben keine Probleme zu haben. Sie kennt auch kein anderes Leben. Um sie herum gruppieren sich andere Figuren, wie eine ehemalige Schauspielerin und Christin, ein ehemaliger iranischer Kriegsgefangener und seine schwangere Frau, eine sich mit Musik und Mode ablenkende Studentin und ein Beamter, der sich fragt, ob er sich bestechen lassen oder die Stadt verlassen soll.
Pachachi und ihre Co-Autorin Irada Al-Jubori erzählen viele kleine, in einem Stadtviertel spielende Geschichten zwischen Alltag und Alltag. Oft ohne einen richtigen Anfang und ohne ein richtiges Ende. Sie konzentrieren sich auf den Alltag der kleinen Leute. Niemand von ihnen wird den Lauf der Geschichte ändern, aber Geschichte wird nie ohne sie gemacht.
Aus diesen Vignetten entsteht das zurückhaltend inszenierte Bild einer Stadt und eines Landes im Schwebezustand.
„Unser Fluss…unser Himmel“ ist der erste international produzierte Spielfilm einer irakischstämmigen Regisseurin. Die in London lebende Maysoon Pachachi studierte Philosophie am University College London und Film an der London Film School. Seit fast dreißig Jahren arbeitet sie als unabhängige Dokumentarfilmregisseurin. Viele ihrer Dokumentarfilme, wie „Iranian Journey“ (1999) und „Return to the Land of Wonders“ (2004; ihr Film über ihre Rückkehr nach Bagdad nach über 35 Jahren), beschäftigen sich mit dem Mittleren Osten.
Ihre Co-Autorin Irada Al-Jubori lehrt am College of Mass Communication der Universität Bagdad und sie ist Schriftstellerin. Sie veröffentlichte bereits einen Roman und mehrere Sammlungen mit Kurzgeschichten. Die beiden Frauen trafen sich 2006/2007 bei dem partizipativen Photoprojekt „Open Shutters Iraq“, in dem Frauen aus fünf irakischen Städten für eine Ausstellung, einen Bildband und einen Dokumentarfilm Bildgeschichten über ihr Leben erstellten. Al-Jubori war die irakische Projektmanagerin. Pachachi drehte den Dokumentarfilm „Our Feelings took the Pictures“ über das Projekt. 2011 schrieben Pachachi und Al-Jubori die erste Fassung des Drehbuch von „Unser Fluss…unser Himmel“. 2012 erhielt es beim Dubai International Film Festival den mit 100.000 US-Dollar dotierten IWC Schaffhausen Gulf Filmmaker Award. Die Dreharbeiten waren 2019 im Irak in den Großstädten Bagdad und Sulaimaniyya. Die Premiere des Films war 2021 auf dem Sarajevo Filmfestival.

Unser Fluss…unser Himmel (Our River… Our Sky [Internationaler Titel], Frankreich/Großbritannien/Deutschland/Kuwait/Vereinigte Arabische Emirate/Katar 2021)
Regie: Maysoon Pachachi
Drehbuch: Maysoon Pachachi, Irada Al-Jubori
mit Darina Al Joundi, Zainab Joda, Basim Hajar, Labwa Arab, Amed Hashimi, Meriam Abbas, Mahmoud Abo Al Abbas, Badia Obaid, Zaydun Khalaf, Suzan Muneam, Sami Al-Ali, Siham Mustafa, Kholod Mohamad, Ali El Kareem, Kameran Raoof, Mustafa Mohammed, Muslem Hassoun
Länge: 117 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Der arabische Titel ist „Kulshi Makoo“.
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Hinweise
Filmportal über „Unser Fluss…unser Himmel“
Veröffentlicht von AxelB