Wer die Spiele der deutschen Mannschaft doof fndet und auf „Das Traumschiff“ in Marokko (legt um 20.15 Uhr im ZDF an) verzichten kann, darf staunen über
2008/2009 brechen in Hollywood einige reiche und verwöhnte Jugendliche in die Häuser von Prominenten ein. Sie bestaunen die Einrichtung, klauen Schmuck und Kleider und geben anschließend auf Facebook und vor ihren Klassenkameraden mit ihren Einbrüchen. Denn: was soll schon passieren?
Köstliche Sozialstudie, basierend auf einem wahren Fall. Die unglaublichsten Momente des Films sind wahr.
Sofia Coppola drehte teilweise in den Anwesen der Beklauten und diese spielen sich selbst in dem Film.
Unglaublich, aber wahr: fünf Teenager rauben in Hollywood Promis aus und deren Häuser sind schlechter gesichert als meine Bude. So liegt der Haustürschlüssel für das Anwesen von Paris Hilton unter der Fußmatte.
Das war der erste Einbruch des Bling Ring, der zwischen Oktober 2008 und August 2009 in die Häuser von Paris Hilton (mehrmals), Lindsay Lohan, Orlando Bloom, Brian Austin Green, wegen seiner Freundin Megan Fox, und einigen anderen, bei uns eher unbekannten Prominenten einbrachen und Schmuck und Kleider im Wert von 3 Millionen Dollar stahlen. Dabei ging es ihnen nicht um das Geld, sondern darum, in der Nähe der Prominenten zu sein. Einen guten Teil ihrer Freizeit verbrachten sie in den angesagten Clubs von Los Angeles, die auch von ihren Opfern frequentiert wurden.
Nancy Jo Sales schrieb über sie eine „Variety“-Reportage und „Lost in Translation“-Regisseurin Sofia Coppola verfilmte jetzt diese Geschichte als „The Bling Ring“. Sie erzählt die Geschichte der einbrechenden Teenager, die kein Unrechtsbewusstsein haben, semidokumentarisch, ohne über ihre Protagonisten zu urteilen, mit einer zurückhaltend beobachtenden Handkamera, leicht achronologisch im bewährten Steven-Soderbergh-Stil und mit unbekannten Darstellern. Auch Emma Watson ist eher nicht zu erkennen. Sie haben auch kaum individuelle Kennzeichen, Als oberflächliche Personen verwechseln sie Kleidung mit Persönlichkeit und Accessoires mit Individualität. Sie sind promiverrückte, ziemlich gut situierte Jugendliche, die in einer Welt leben, in der Leute berühmt sein können, weil sie berühmt sind.
Es geht ihnen daher nicht um den monetären, sondern den ideellen Wert der gestohlenen Gegenstände. Sie wollen den Berühmtheiten nahe sein, sich als Teil ihres Lebens fühlen und mit den Einbrüchen gelingt es ihnen. Sie wollen auch teilweise vor ihren Freunden damit angeben. In der Schule erzählen sie von ihren Diebstählen, nehmen weitere Schulfreunde mit auf ihren nächtlichen Streifzüge und auf Facebook posten sie Bilder von sich in den gestohlenen Kleidern in angesagten Clubs.
Außerdem genießen sie auch etwas die mit den Einbrüchen verbundene Gefahr.
Gerade wenn man in dem Film glaubt, dass Sofia Coppola jetzt übertreibt und satirisch zuspitzt, zeigt ein Blick auf die Fakten, dass gerade die unglaublichsten Begebenheiten, wie offenstehende Türen, eine ahnungslose Polizei und ein TV-Sender, der eine Reality-Show mit einem Mitglied des Bling Rings macht (okay, die Show war ursprünglich als natürlich inszenierte Reportage aus dem Leben eines Modells geplant und wurde dann zu etwas größerem), wahr sind.
Coppola konzentriert sich in „The Bling Ring“ auf die Teenager und verfolgt sie weitgehend ohne eine offenkundig moralische Position einzunehmen oder zu psychologisieren. Alle Erklärungen kommen von den Mitgliedern des Bling Rings und, eben weil sie außer dem Promikult und der Suche nach der richtigen Kleidung keine Interessen haben, haben die Charaktere auch nicht mehr psychologische Tiefe als eine Barbie-Puppe – und langweilen entsprechend schnell.
Die wenigen Wertungen der Filmemacherin, wie die Wahl des reuigen Sünders Mark als zentrale Figur und die Darstellung des hohlen Lebens der ziemlich hohlen Protagonisten, sind so implizit, dass sie kaum auffallen und wahrscheinlich nur von denen erkannt werden, die eben diese Meinung teilen.
Auch die Medienkritik – auch wenn das ein anderer Film wäre – fällt zahm aus. Gerade die zeitgleich mit der Verhaftung von Alexis Neiers (im Film Nicki) gedrehte E!-Reality-Show „Pretty Wild“, in der sie die Hauptrolle hatte, böte viel Stoff für eine zünftige Mediensatire. So wurde ihr während der Dreharbeiten immer wieder gesagt, was sie spontan sagen solle. Dieses Detail der „scripted reality“, in der sich die Mitglieder des Bling Rings bewegten, wird im Film nicht gezeigt.
Ebenso unglaublich wie die Geschichte der jugendlichen Einbrecher ist das Anwesen von Paris Hilton, in der Sofia Coppola drehen durfte. Das muss man gesehen haben. Sonst glaubt man es nicht.