Neu im Kino/Filmkritik: „Berlin Nobody“ – Sekten, Morde und seltsame Rituale

August 1, 2024

Berlin Nobody“ ist kein Thriller und auch kein Krimi. Er hat zwar die Zutaten für einen Thriller – Leichen, viele Leichen, ermittelnde Kriminalbeamte, ein Uni-Professor, der Teil der Ermittlungen ist, eine Sekte, die irgendetwas mit den Morden zu tun hat, eine böse Sektenführerin und eine junge Frau (die Tochter des Professors), die in die Fänge der Sekte gerät – , aber „Berlin Nobody“ ist ein zähes, absolut vorhersehbares und absurdes Drama.

Im Mittelpunkt stehen Ben Monroe, seine Tochter Mazzy und eine Endzeit-Sekte. Der allein lebende, kürzlich geschiedene Professor Ben Monroe (Eric Bana) unterrichtet seit kurzem in Berlin an einer Universität. Von der Polizei und dem Bundesverfassungsschutz wird der Sozialpsychologe, Bestsellerautor und Sektenexperte immer wieder als Experte angefragt. So auch jetzt bei einem Familienselbstmord in einem Vorstadthaus, das seltsamerweise wie eine bayerische Hütte aussieht. Es ist unklar, warum sich die Hausbewohner nacheinander töteten.

Zur gleichen Zeit besucht ihn seine Tochter Mazzy (Sadie Sink). Auf dem Weg vom Flughafen zur Wohnung ihres Vaters wird die Sechzehnjährige von Martin (Jonas Dassler) angesprochen. Sie findet den Jungen sympathisch. Als sie sich wieder mit ihm trifft, stellt er sie seinen Freunden vor. Sie sind alle Mitglieder in einer religiös motivierten, öko-fundamentalistischen Endzeit-Sekte.

Dass die Sekte etwas mit den Morden zu tun hat, ist bereits beim ersten Auftritt der fiesen Sektenführerin Hilma (Sophie Rois, irre) offensichtlich.

Inszeniert und geschrieben wurde der Film von Jordan Scott. Sie ist die Tochter von Ridley Scott, der auch zu den Produzenten des Films gehört. Ihr erster Spielfilm war 2009 „Cracks“. Außerdem inszenierte sie Kurz- und Werbefilme. Trotzdem wirkt ihr zweiter Spielfilm wie ein unbeholfen inszeniertes Debüt, das Potential hat. Das Drehbuch ist vorhersehbar, voller Lücken, krude und unglaubwürdig. Die Inszenierung lehnt sich an Ridley Scotts episch getragenen Stil an, in dem jedes Bild von seiner eigenen Wichtigkeit maßlos überzeugt ist. Hier führt er nur dazu, dass sich der Film wie Kaugummi zieht. Über die Sekte und warum Menschen von Hilma fasziniert sind und für sie Selbstmord begehen, bleibt nebulös. Warum Mazzy sich sofort in die Hände der Sekte begibt, erklärt sich nur aus den Erfordernissen der Geschichte und weil die Drehbuchautorin das so will.

Das, also dass die Sekte immer wie ein Fantasiekonstrukt wirkt, die Handlungen der Figuren keinen Bezug zu irgendeiner Realität haben und Scotts Deutschland wie aus einem Reiseprospekt zusammengestellt wirkt, kann an der Produktionsgeschichte liegen. Die Vorlage, der 2015 erschienene Roman „Tokyo“ von Nicholas Hogg, spielt in Japan. Wegen der Corona-Pandemie waren Dreharbeiten in Tokio nicht möglich. Also verlegte Scott die Geschichte nach Berlin und schrieb sie etwas um. Dummerweise unterscheidet sich die deutsche Kultur im für den Film wichtigen Punkten fundamental von der japanischen Kultur. Entsprechend absurd wirken die Kollektivsuizide der Sekte. Im Endergebnis spielt die Geschichte in einem luftleeren Raum irgendwo im nirgendwo.

„Berlin Nobody“ erzählt eine unglaubwürdige, edel gefilmte, arg langsam und todernst erzählte vollkommen absehbare und absurde Geschichte.

In der Originalfassung wird nachvollziehbar zwischen Deutsch und Englisch gewechselt. Die synchronisierte Fassung soll komplett eingedeutscht sein.

Berlin Nobody (A Sacrifice, USA/Deutschland 2024)

Regie: Jordan Scott

Drehbuch: Jordan Scott

LV: Nicholas Hogg: Tokyo, 2015

mit Sadie Sink, Eric Bana, Sophie Rois, Jonas Dassler, Sylvia Hoeks, Alexander Schubert, Lara Feith, Stephan Kampfwirth

Länge: 94 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Filmportal über „Berlin Nobody“

Moviepilot über „Berlin Nobody“

Metacritic über „Berlin Nobody“

Rotten Tomatoes über „Berlin Nobody“

Wikipedia über „Berlin Nobody“ (deutsch, englisch)