Neu im Kino/Filmkritik: „Sting“, die Spinne ist groß und hungrig

Juni 19, 2024

Erinnert ihr euch noch an die alten Monsterfilme, in denen ein kleines Krabbeltier plötzlich sehr groß und sehr hungrig wird und sich hauptsächlich von Menschen ernährt? Die Menschen finden das nicht so gut und vernichten nach ungefähr siebzig, achtzig Filmminuten das Tier mit brachialer Gewalt. Und haben euch diese Filme gefallen?

Gut. Denn „Sting“ ist so ein Film. Hundertfünfzigprozentig. Angemessen vielversprechend beginnt er mit der Vernichtung des Kammerjägers. Danach springt die Filmgeschichte vier Tage zurück. Die zwölfjährige Charlotte findet in dem alten, heruntergekommenem New Yorker Mietshaus, in dem sie mit ihren Eltern wohnt, eine etwas seltsam aussehende Spinne. Sie nimmt sie gefangen, nennt sie Sting, füttert sie und beobachtet fasziniert ihr rapides Wachstum und ihren Hunger. Kurz darauf sprengt sie das Einmachglas, in dem sie gefangen gehalten wurde, und verschwindet in den riesigen Luftschächten des Hauses und ernährt sich von immer größeren Lebewesen.

Während die Spinne durch das Haus kraxelt, lernen wir die wenigen Bewohner des Hauses kennen.

Das sind Charlottes Eltern – ihre Mutter und ihr Stiefvater, ein Comiczeichner, mit dem sie eine Geschichte über ein Spinnenwesen erfindet -, ihr kleiner Bruder, der noch ein Baby ist, ein nerdischer Student, der in seinem Zimmer ein halbes Versuchslabor für Tiere aufgebaut hat und von der schnell wachsenden Spinne fasziniert ist, eine schwerhörige alte Dame, die anscheinend nichts mitbekommt (aber natürlich mehr mitbekommt, als die anderen vermuten) und einige weitere Haustiere und Mieter, die vor allem Spinnenfutter sind. Wie der Kammerjäger, der immer gerufen wird, wenn es seltsame Geräusche in den Haus gibt.

Für den kundigen Horrorfilmfan verläuft in Kiah Roache Turners Film, mit einigen eingestreuten Anspielungen auf ältere Horrorfilme, alles in wohlig vertrauten Bahnen. Sein Tierhorrorfilm steht eindeutig und bewusst in der Tradition der alten B-Pictures aus den fünfziger und sechziger Jahren, die deutlich unter neunzig Minuten laufen und die früher im Nachmittagsprogramm des Fernsehens liefen. Er würde auch gut als eine 45-minütige „Twilight Zone“-Episode funkionieren.

Sting“ ist ein netter kleiner, schwarzhumoriger, etwas lang geratener Grusler.

Sting (Sting, Australien 2024)

Regie: Kiah Roache Turner

Drehbuch: Kiah Roache Turner

mit Noni Hazlehurst, Jermaine Fowler, Alyla Browne, Robyn Nevin, Ryan Corr, Kate Walsh, Penelope Mitchell

Länge: 92 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Sting“

Metacritic über „Sting“

Rotten Tomatoes über „Sting“

Wikipedia über „Sting“


Neu im Kino/Filmkritik: „Noch einmal, June“, lass uns unser Leben leben

Februar 18, 2022

Seit ihrem Schlaganfall vor fünf Jahren lebt June Wilton (Noni Hazlehurst) in einem noblen Pflegeheim. Körperlich hat sie sich gut erholt. Aber sie erinnert sich an nichts. Zufällig kehrt ihr Gedächtnis zurück. Ihr Arzt warnt sie, dass dieser Zustand nur kurze Zeit anhalten wird. Jede Aufregung könnte sie wieder in ihren dementen Zustand zurückversetzen.

June denkt nicht daran, sich an die Anweisung des Arztes zu halten. Sofort und ohne Erlaubnis verlässt sie das Heim. Sie will ihre Kinder besuchen. Und da weiter machen, wo sie vor fünf Jahren aufhörte.

Seitdem hat sich allerdings einiges verändert. Das Haus ist verkauft. Ihre Tochter Ginny (Claudia Karvan) steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Ihr Sohn Devon (Stephen Curry hat das Studium aufgegeben. Er leitet jetzt auch nicht, wie von June geplant, ein Architekturbüro. Stattdessen ist er jetzt, ohne erkennbare Ambitionen, in einem Copyshop angestellt. Und die von ihr aufgebaute Tapetenwerkstatt „Wilton Handcraftetd Wallpaper“ wird von einem Manager geleitet, der nicht auf liebevolle Handarbeit, sondern auf billige Massenproduktion setzt. Die früheren Angestellten haben gekündigt. Keine dieser Veränderungen gefällt June und sie tut jetzt genau das, was sie schon vorher als Geschäftsfrau und Mutter getan hat. Sie beginnt die Dinge nach ihrem eigenen Gusto zu ändern, während Ginny und Devon eher an einigen glücklichen, erinnerungsgesättigten Stunden mit ihrer Mutter interessiert sind.

In seinem Spielfilmdebüt „Noch einmal, June“ erzählt JJ Winlove nach seinem Drehbuch diese Familiengeschichte, in der sich June, Ginny und Devon wieder aneinander annähern. Das geschieht natürlich über einige Umwege und June hat auch ein Geheimnis, das ihre Kinder erst langsam enthüllen. Es hat, soviel kann gesagt werden, etwas mit einer handgefertigten Kommode zu tun, die von ihren Kindern verkauft wurde und die June unbedingt wieder haben will.

Noch einmal, June“ ist eine grundsympathische, warmherzige Feelgood-Komödie, die genau das liefert, was sie verspricht. Nämlich herzerwärmende Unterhaltung, die einen sanft darauf anspricht, über das eigene Leben, Ziele und die Beziehung zu den Eltern nachzudenken.

Noch einmal, June (June again, Australien 2020)

Regie: JJ Winlove

Drehbuch: JJ Winlove

mit Noni Hazlehurst, Claudia Karvan, Stephen Curry, Nash Edgerton

Länge: 98 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Noch einmal, June“

Metacritic über „Noch einmal, June“

Rotten Tomatoes über „Noch einmal, June“