Neu im Kino/Filmkritik: „Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca-Linien“ enthüllt

September 26, 2025

Wer ist Maria Reiche und warum ist sie wichtig?

Was sind die Nazca-Linien? Nun, diese Frage kann ich mit einem Bild beantworten:

Die Antwort auf die erste Frage ist etwas schwieriger.

Maria Reiche ist die Frau in dem Bild. Oder, genaugenommen, es ist Devrim Lingnau Islamoğlu, die Maria Reiche spielt.

Maria Reiche wird 15. Mai 1903 in Dresden geboren. Sie studiert Mathematik, Physik und Geografie an der Technischen Hochschule Dresden. 1928 legt sie ihr Staatsexamen ab. 1932 verläßt sie Deutschland in Richtung Südamerika. 1936 besucht sie Deutschland, beschließt aber aufgrund der politischen Situation, wieder nach Peru zurückzukehren. 1937 eröffnet sie in Lima, der Hauptstadt von Peru, eine Sprachschule. Dort lernt sie die US-Amerikanerin Amy Meredith, ihre spätere Lebenspartnerin, kennen.

1941 beauftragt der US-amerikanische Historiker Paul Kosok sie, Messungen an den Nazca-Linien vorzunehmen. Wegen ihrer Größe und weil sie nur aus der Luft richtig erkennbar sind, wurden sie erst wenige Jahre früher entdeckt. 1946 beginnt Reiche allein mit einer systematischen Vermessung der Nazca-Linien. Davor säubert sie die Linien mit einem Reisigbesen (auch im Bild). Sie vermutet, dass die Zeichnungen astronomischen Zwecken dienten und es sich um einen Kalender handelt. Fortan widmet sie ihr Leben der Freilegung, Erforschung und dem Erhalt der Nazca-Linien. Seit 1994 gehören die über 1500 riesigen nur aus der Luft und von Hügeln erkennbaren, zwischen 800 vor Christus und 600 nach Christus entstandenen Scharrbilder zum UNESCO-Welterbe. Reiche starb am 8. Juni 1998 in Lima, Peru.

Zwei Jahre vor ihrem Tod lernte Regisseur Damien Dorsaz sie kennen. Er ist fasziniert von ihr, dreht 2006 den Dokumentarfilm „Maria Reiche, la Dame de Nasca“ und arbeitet, mit Unterbrechungen, seit 2007 an einem Spielfilm über sie. In dem Film, der jetzt im Kino anläuft, nimmt er sich, wie er freimütig zugibt, Freiheiten.

Dessen ungeachtet erzählt er in seinem Spielfilmdebüt ruhig und chronologisch die Geschichte einer Frau, die am Filmanfang unsicher über ihren weiteren Lebensweg ist. Nachdem sie aufgrund eines Übersetzungsauftrags zufällig die Nazca-Linien sieht und sich fragt, warum die Einheimischen vor Jahrhunderten diese auf den ersten Blick sinnlosen riesigen Zeichnungen im Wüstenboden anfertigten, hat sie, ohne es in dem Moment zu wissen, den Sinn ihres Lebens entdeckt.

Dorsaz erzählt das überaus konventionell, überzeugend und auch informativ. Nach dem Film ist weiß man eindeutig mehr über die Nazca-Linien und ihre Entdeckerin als vorher.

Und warum haben die Nazca diese riesigen Linien und Bilder in die Wüste bei Nazca und Palpa geritzt?

Erich von Däniken vermutete – und daher dürften einige die Nazca-Linien kennen –, dass es sich um Landeplätze für Außerirdische handelt. Das ist blühender Blödsinn.

Endgültig ist das immer noch nicht geklärt. Für Maria Reiche waren sie ein riesiger astronomischer Kalender. Einige Bilder können auch einen anderen Zweck haben, wie Teil eines Fruchtbarkeitsrituals sein, oder eine Wegmarkierung sein. Seit dem Tod von Maria Reiche wurden weitere Linien gefunden. Die Suche nach Erklärungen für alle dieser Linien hält an.

Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca-Linien (Lady Nazca, Frankreich/Deutschland 2025)

Regie: Damien Dorsaz

Drehbuch: Damien Dorsaz, Fadette Drouard, Franck Ferreira Fernandes

mit Devrim Lingnau Islamoğlu, Olivia Ross, Guillaume Gallienne, Javier Valdés, Marina Pumachapi

Länge: 99 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

AlloCiné über „Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca-Linien“

Filmportal über „Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca-Linien“

Moviepilot über „Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca-Linien“

Wikipedia über „Maria Reiche: Das Geheimnis der Nazca-Linien“ (deutsch) und Maria Reiche (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: „Die Theorie von Allem“ im Multiversum des Kinos

Oktober 27, 2023

Dieser Film soll sich anfühlen ein Traum.“

(Timm Kröger, Regie)

1974 hat Johannes Leinert in einer Talkshow einen seltsamen Auftritt. Er hat einen Science-Fiction-Roman veröffentlicht und behauptet jetzt, dass es Multiversen und Parallelewelten gibt und dass er in seinem Roman eine Geschichte erzähle, die er selbst erlebt habe.

Danach springt die Geschichte zwölf Jahre zurück und wir erfahren die Hintergründe, die zu seinem Buch und dem Auftritt in der Talkshow führten. 1962 wurde Leinert von Dr. Julius Strathen, seinem Doktorvater, zu einem Kongress ins noble Hotel Esplanade in den Schweizer Alpen eingeladen. Der Höhepunkt soll der Vortrag eines iranischen Wissenschaftlers zur Quantenmechanik sein. In ihm will er die Theorie von Allem entwerfen.

Doch der Stargast kommt nicht. Die Gäste pendeln zunächst zwischen Dinnerpartys und Skiausflügen. Leinert arbeitet weiter an seiner Promotion in theoretischer Physik. Er trifft eine Femme-Fatale-Hotelpianistin, die Dinge über ihn weiß, die sie nicht wissen kann. Selbstverständlich verliebt er sich in die geheimnisvolle Schönheit. Als die Tagung abgesagt wird, leert sich das Hotel. Gleichzeitig häufen sich seltsame Ereignisse. Ein Tagungsteilnehmer wird tot aufgefunden. Die beiden ermittelnden Polizisten vermuten einen Mord.

Noch schneller als wir uns an die Bergluft gewöhnen können, spielt die Konferenz der Physiker keine Rolle mehr. Sie löst sich in Luft auf. Dabei hätte man so schön über universitäre und elitäre Dünkel und abgehobene physikalische Theorien schwadronieren können. Mit der abgesagten Konferenz sind dann auch schwuppdiwupp eigentlich alle Hotelgäste weg. Alles wird zunehmend beliebig. Erklärt werden die seltsamen und widersprüchlichen Ereignisse mit der Existenz von Paralleluniversen. Diese Erklärung führt in „Die Theorie von Allem“ zu der gleichen Laxheit im Denken, die wir auch in den Superheldenfilmen, die in Multiversen spielen, ertragen müssen. Alles ist möglich. Nichts ist wichtig.

Am Ende hatte ich, wieder einmal, den Eindruck, dass die Macher sich nicht weiter darum kümmerten, wie ihre Welten zusammenhängen und miteinander interagieren. Sie sind, vor allem in den Superheldenfilmen, voneinander vollkommen unabhängige Spielwiesen, in denen ausprobiert wird, was dem Publikum gefällt. Was gefällt, wird fortgefüht; was nicht gefällt wird fortan ignoriert und schnellstens vergessen. In „Die Theorie von Allem“ wird ähnlich verfahren. Es gibt die verschiedenen Welten, die in irgendeiner Verbindung zueinander stehen. Oft ist unklar, in welcher Welt die Szene gerade spielt, wie viele es gibt und in welcher Beziehung sie zueinander stehen.

Im Gegensatz zu den Filmen von David Lynch (den Timm Kröger als eine Inspiration für seinen Film nennt) bleibt sein Film emotional leer. „Die Theorie von Allem“ ist kein Abstieg in einen „Twin Peaks“-Wahnsinn, sondern eine zunehmend egale intellektuelle Spielerei mit vielen Anspielungen auf andere Filme. Diese Anspielungen und die vorzügliche Kameraarbeit von Roland Stuprich trösten etwas darüber hinweg, wie eine gute Ausgangsidee nach einem überzeugenden Anfang in den Sand oder, in der Sprache des Films, ein anderes Universum gesetzt wurde.

folgen wir hier der tragischen (& vielleicht allzu altbekannten) Geschichte eines unentdeckten Genies oder betrachten wir die leicht paranoiden Verirrungen eines unfertigen Idioten, der metaphysischen Schatten hinterherjagt? Dieser Film tut immer beides. Schrödingers Katze ist hier sozusagen genial und hirntot zugleich.“

(Timm Kröger, Co-Drehbuchautor)

Die Theorie von allem (Deutschland/Österreich/Schweiz 2023)

Regie: Timm Kröger

Drehbuch: Timm Kröger, Roderick Warich

mit Jan Bülow, Olivia Ross, Hanns Zischler, Gottfried Breitfuß, Philippe Graber, David Bennent, Ladina Carla von Frisching, Imogen Kogge

Länge: 118 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Die Theorie von Allem“

Moviepilot über „Die Theorie von Allem“

Rotten Tomatoes über „Die Theorie von Allem“

Wikipedia über „Die Theorie von Allem“ (deutsch, englisch)