Wenn ich ein Buch in der Hand habe, das eine „Begegnung mit den Schatten, die die BRD in den 70er Jahren heimgesucht haben“ verspricht, dessen Prolog im Herbst 1977 spielt und das „Roter Herbst“ heißt, dann erwarte ich einen Polit-Thriller, der sich mit der RAF, dem Linksterrorismus und dem Agieren des Staates im Deutschen Herbst beschäftigt und entweder 1977 oder kurz davor spielt. Jedenfalls sollte die Erklärung der in der Gegenwart spielenden Ereignisse (hier: Frühjahr 2011) mit der Vergangenheit verknüpft sein. Gerne auch mit einem ordentlichem Schuss paranoider Verschwörungstheorie.
Nun, „Roter Herbst“ von Raimund A. Mader ist das nicht. In seinem dritten Roman mit Kommissar Adolf Bichlmaier, dienstuntauglich seit über einem Jahr, schickt er ihn von Regensburg nach Norddeutschland. Bichlmaiers Reise endet in der kleinen Stadt M. (yep, sehr geheimnisvoll). In der dortigen Kaserne war er 1971 als Soldat stationiert.
Als er durch das Moor wandelt, trifft er auf Martin Berger, einen ungefähr vierzigjährigen Mann mit Down-Syndrom, der wenige Meter weiter eine Leiche entdeckte, die – wie es sich heutzutage für einen Krimi gehört – dekorativ einige Meter über dem Erdboden in dem Stamm eines Baums befestigt ist und dessen Hände entfernt wurden. Bichlmaier kommt das Gesicht des verstümmelten Mannes bekannt vor und er beginnt mit der einheimischen Kommissarin Amanda Wouters zu ermitteln. Sie hat, wie öfters gesagt wird, eine beeindruckende Oberweite und dürfte damit als Fünfzigjährige Pamela Anderson ohne Schönheits-OPs durchgehen.
Aber anstatt die beiden Kommissare zielgerichtet ermitteln zu lassen, erfahren wir viel, vor allem viel überflüssiges über die verschiedenen Charaktere und ihr Leben, es gibt eine durchgehend melancholische Grundstimmung in der alle irgendwie ihrer Vergangenheit hinterhertrauern und Bichlmaier ist überzeugt, dass der heutige Mord an dem unbekannten Mann irgendwie mit seiner Bundeswehrzeit vor vierzig Jahren zusammenhängt.
„Roter Herbst“ ist letztendlich eine ziemlich enttäuschende Angelegenheit. Denn anstatt den Krimiplot und die Verschwörungstheorie energisch voranzutreiben, wird dies eher pflichtschuldig mitgeschleift. Wirklich wichtig wird die banale Verschwörungstheorie auch erst am Ende und da wirkt sie wie hastig angeklebt. Denn eigentlich steht eine verkorkste Familiengeschichte, die allerdings auch meistens im Ungefähren bleibt, im Mittelpunkt des Romans.
Vor dem Finale, natürlich mit Schießerei und einem Toten, gibt es viel erzählerischen Leerlauf. So wird die Identität des Toten erst kurz vor Schluss enthüllt. Davor stochert die Polizei im Nebel und – grundlos – in der Vergangenheit herum. Die Charaktere bleiben erstaunlich blass. Sie blicken ständig melancholisch auf ihr Leben, das episch vor uns ausgebreitet wird, zurück. Dabei gibt es für sie keine Konflikte, aber viele Erinnerungen an ihre Jugend. Vieles wird auch nur angedeutet. So als habe man die Ereignisse vor und nach der Tat, aber nicht die Tat selbst, beobachtet. Einiges wird dann später aufgeklärt. Vieles nicht. Nein, spannend ist das nicht. Und interessant als Studie über Erinnerungen, Entscheidungen, die ein Leben beeinflussen, und Vergangenheitsbewältigung ist es auch nicht.
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Raimund A. Mader: Roter Herbst
Gmeiner, 2013
320 Seiten
11,99 Euro
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Hinweis

Veröffentlicht von AxelB