Neu im Kino/Filmkritik: „Make me feel“ – Überraschend gelungene Independent-Genrekost aus Deutschland

November 12, 2025

Auch wenn die Macher es nicht explizit sagen: „Make me feel“ ist ein Science-Fiction-Film. Nach einem Autounfall liegt Tito seit einem Jahr im Koma. Weil er nur noch von den Maschinen am Leben erhalten wird, wollen die Ärzte sie abschalten. Bevor seine Frau Ella sich entscheidet, schlägt ihr die behandelnde Ärztin eine experimentelle Therapie vor. Mittels für Außenstehende unerklärbarem Medizin-Voodoo, der eine frühere enge Beziehung zwischen den Teilnehmenden voraussetzt, kann Ella in Titos Bewusstsein gelangen und ihm dort möglicherweise einen Impuls geben, der seinen Lebenswillen weckt und ihn aus dem Koma herausholt. Wenn es schief geht, kann Ella dauerhafte Schäden davontragen oder sogar sterben. Für ihre große Liebe Tito nimmt Ella das Risiko auf sich – und fortan spielt der Film in einem Operationssaal und, vor allem, in Titos Kopf.

Tito war Autor nicht verfilmter Drehbücher. Jetzt lebt er in diesen Geschichten und Ella wird ein Teil von ihnen. Bei jeder Reise in Titos Unterbewusstsein betritt sie eine andere von ihm ausgedachte Geschichte. Sie sind von erfolgreichen Genres und Filmen der letzten Jahre inspiriert. Mal ist der Traum ein offensichtlich in Südamerika spielender Gangsterfilm mit ihm als mondän lebendem Boss einer Drogenschmugglerbande, mal ein Western, mal ein Weltkrieg-II-Film mit Spionage, Liebe und Adolf Hitler, mal eine Seeräubergeschichte. Es sind B-Picture-Abenteuergeschichten mit einer ordentlichen Portion Action und Liebe, in denen Ella versucht, das Drehbuch umzuschreiben. Teils mit katastrophalen Folgen, die zu ihrem und Titos Tod führen könnten. In jedem Fall schleichen sich immer mehr Fehler in Titos Drehbücher. Formal sind diese Reisen in Titos Unterbewusstsein Kurzfilme mit oft extrem schlechten Dialogen; – was natürlich erklärt, warum noch keines seiner Bücher verfilmt wurde.

Make me feel“ ist als deutsche Produktion eine Ausnahmeerscheinung. Es handelt sich um eine Independent-Produktion, die professionell an mehreren Orten in Deutschland, Österreich, Italien und Spanien gedreht wurde. Dank des bunten aus der Werbung bekannten Looks sieht sie auch hochwertig aus. Sie verzichtet auf den nervigen pubertären Klamauk ähnlicher Produktionen. Stattdessen drehten Timur Örge (der bislang vor allem Kurzfilme inszenierte) und Michael David Pate (von ihm sind „Heilstätten“, „Kartoffelsalat“ und „Kartoffelsalat 3“ und er ist einer der Drehbuchautoren von Til Schweigers „Manta Manta – Zwoter Teil“) einen ernsten Science-Fiction-Film, der auch ein Liebesfilm und eine Compilation mehrerer in verschiedenen Genres spielender Kurzfilme ist.

Natürlich ist „Make me feel“ nicht ohne Mängel. Die schon erwähnten Dialoge sind oft gruselig schlecht. Die Schauspieler tendieren zum chargieren. Die Story erinnert natürlich an andere und bessere Science-Fiction-Filme. Schließlich sind mehr oder weniger freiwillige Reisen in das (Unter-)bewusstsein von anderen Menschen für den Science-Fiction-Fan ein uralter Hut. Titos Täume sind, abgesehen von der Weltkrieg-II-Episode, nur Variationen altbekannter Genretopoi. Da wird nichts einen Innovationspreis erhalten. Die Action ist oft irritierend inszeniert und konfus geschnitten. Allerdings, das muss auch gesagt werden, angesichts des vermuteten Budgets von 1,5 Millionen Euro, auch erstaunlich aufwändig. Das gleiche gilt für die vielen Sets und Komparsen. Denn auch wenn die Episoden nur in Titos Kopf existieren, müssen die Sets für den Film gebaut und hergerichtet und die Komparsen engagiert und für die historischen Episoden eingekleidet werden.

Insgesamt gefällt der eskapistische Film im Rahmen seiner Möglichkeiten und seines Anspruchs. Denn Timur Örge und Michael David Pate wollen sattes Genrekino abliefern. Und das tun sie überraschend gelungen.

Make me feel (Deutschland 2025)

Regie: Timur Örge, Michael David Pate

Drehbuch: Laura Sommer, Erkan Acar, Timur Örge, Michael David Pate (nach einer Geschichte von Timur Örge)

mit Erkan Acar, Charleen Weiss, Ronald Nitschke, Franziska Machens, Lotta Herzog, Ömer Filikci, Tito Uysal, Eskindir Tesfay, Severino Negri, Jean J. Straub

Länge: 120 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Kinostart: 13. November 2025

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Make me feel“

Moviepilot über „Make me feel“

Wikipedia über „Make me feel“

Meine Besprechung von Michael David Pates „Heilstätten“ (Deutschland 2018)