Neu im Kino/Filmkritik: Über Christoph Hochhäuslers „Bis ans Ende der Nacht“

Juni 22, 2023

Auf dem Papier klingt es ja noch interessant: ein Polizist und ein Spitzel sollen in einem Undercover-Einsatz einen Drogenhändler überführen.

Doch schon die ausführlichere Synopse des bewährten Plots stimmt skeptisch. Das scheint dann doch ziemlich gekünstelt zu sein. Und der Film ist hoffnungslos vermurkst. Lustlos bedient „Bis ans Ende der Nacht“ die verschiedenen Genretopoi und Klischees. Da gibt es etwas Noir, Polizeithriller, Fassbinder-Melodrama und deutsche Schlager, die nicht zum restlichen Film passen. Bestenfalls sind sie als eigenständiger Kommentar zum Film goutierbar. Regisseur Christoph Hochhäusler und Drehbuchautor Florian Plumeyer begraben in ihrem Film eine Beziehungsgeschichte, die durchaus Potential für einen gelungenen Film gehabt hätte, unter den Erfordernissen einer Kriminalgeschichte, für die sich nicht interessieren.

Der verdeckte Ermittler Robert Demant soll mit Leni Malinowski den Online-Drogenhändler Victor Arth überführen. Mit Victor war Leni vor ihrem aktuellen Gefängnisaufenthalt befreundet. Jetzt soll sie einen Kontakt zwischen Robert und Victor herstellen und für Robert, der sich als potentieller Drogenkäufer ausgibt, bürgen.

Schwierig wird der Einsatz, weil – und das wissen Roberts Vorgesetzte – Robert und Leni eine Beziehung haben. Vor Lenis Haft waren sie ein Liebespaar. Jetzt muss Robert mit seinen Gefühlen gegenüber Leni, die er als Mann kennen und lieben lernte, zurechtkommen. Außerdem ist sie drogenabhängig, hat ein elend langes Strafregister und ist eine in jeder Beziehung schwierige Person. Für den Undercover-Einsatz wurde sie mit einer vorzeitigen Entlassung geködert. Sie stimmte zu und verlangte, dass Robert ihr Partner ist.

Allein schon die Entscheidung dieses Pärchen, das sich in inniger Haßliebe verbunden ist, auf diese Mission zu schicken, ist der Weg zum Scheitern. Und macht den Krimiplot von der ersten bis zur letzten Sekunde unglaubwürdig.

Im Mittelpunkt des Krimidramas steht dann auch nicht der über weite Strecken des Films vollkommen ignorierte Krimiplot, sondern die schwierige Beziehung zwischen Robert und Leni und ihre sich entwickelnde Freundschaft zu dem Online-Drogenhändler und Discobetreiber Victor Arth und seiner Frau. Sie lernen sich bei einem ausführlich gezeigtem Tanzkurs kennen. Victor ist bei diesen Treffen charmant, überwacht seine Frau auf Schritt und Tritt und ist nie bei seinen beruflichen Tätigkeiten als Clubbesitzer und Drogenhändler zu sehen. Er könnte auch jeden anderen Beruf haben. Und er ist erstaunlich unbeeindruckt von Lenis Geschlechtsumwandlung, die er als Mann kennen lernte. Er akzeptiert ihre Geschlechtsumwandlung wie ein neues Etikett auf einer Bierflasche.

Diese Beziehungsgeschichten kommen gut ohne den Krimiplot aus. Sie wären sogar ohne den lustlos mitgeschleiften Krimiplot stärker.

Die nächste seltsame Entscheidung Hochhäuslers ist, Robert Demant zum Protagonisten zu machen. Alles kreist sich um seine widerstreitenden Gefühle gegenüber Leni. Dabei wäre die in jeder Beziehung äußerst problematische Leni die bessere Wahl gewesen. Ihre psychischen Probleme und, damit verbunden, die Probleme von Transpersonen sind interessanter als Roberts Selbstzweifel, die nur die Zweifel eines mittelalten weißen Mannes sind.

Bis ans Ende der Nacht (Deutschland 2023)

Regie: Christoph Hochhäusler

Drehbuch: Florian Plumeyer

mit Timocin Ziegler, Thea Ehre, Michael Sideris, Ioana Iacob, Rosa Enskat, Aenne Schwarz, Gottfried Breitfuß, Sahin Erylmaz, Ronald Kukulies

Länge: 120 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Bis ans Ende der Nacht“

Moviepilot über „Bis ans Ende der Nacht“

Rotten Tomatoes über „Bis ans Ende der Nacht“

Wikipedia über „Bis ans Ende der Nacht“ (deutsch, englisch)

Berlinale über „Bis ans Ende der Nacht“

Meine Besprechung von Christoph Hochhäuslers „Die Lügen der Sieger“ (Deutschland/Frankreich 2014)


TV-Tipp für den 8. Februar: Gold

Februar 7, 2022

HR, 00.00

Gold (Deutschland/Kanada 2013)

Regie: Thomas Arslan

Drehbuch: Thomas Arslan

Wilder Westen, 1898: eine Gruppe deutschstämmiger Siedler will am Klondike River Gold suchen. Aber der Weg dorthin ist beschwerlich, kräftezehrend und gefährlich.

Berliner Schule goes Wilder Westen – und die Kritiker sind begeistert.

mit Nina Hoss, Marko Mandic, Lars Rudolph, Uwe Bohm, Peter Kurth, Rosa Enskat

Hinweise

Filmportal über „Gold“

Moviepilot über „Gold“

Rotten Tomatoes über „Gold“

Wikipedia über „Gold“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Thomas Arslans „Helle Nächte“ (Deutschland 2017)

 


TV-Tipp für den 4. November: Kriegerin

November 4, 2015

3sat, 21.45

Kriegerin (Deutschland 2011, Regie: David Wnendt)

Drehbuch: David Wnendt

Hochgelobter Debütfilm über eine Nazibraut in Ostdeutschland, der definitiv einen Blick wert ist.

Ich war ja nicht so begeistert: nur ein das Fremde hervorhebender Einblick in eine Sauf- und Proll-Jugendkultur, garniert mit einigen Nazi-Symbolen und etwas mehr Gewalt als es in einem handelsüblichen deutschen Problemfilm üblich ist.

Denn mehr ist „Kriegerin“ nicht: ein typisch deutsches Sozialdrama, das beim Zuschauer einfach nur eine sedativ wirkendes Unwohlsein hervorruft. So wie der „Tatort“, der uns am Sonntag einen esoterischen Blick in die Hartz-IV-Haushalte gibt, damit wir am Montag beruhigt zur Arbeit gehen können.

„Kriegerin“ wird im Rahmen des 3sat-Themenabends „rechts – extrem – gefährlich“ gezeigt. Davor laufen, um 20.15 Uhr,  „Die Akte Zschäpe“ und, um 21.00 Uhr, „V-Mann-Land“ und, danach, um 23.25 Uhr, „Deutsche Pop Zustände – Eine Geschichte rechter Musik“.

mit Alina Levshin, Jella Haase, Sayed Ahmad Wasil Mrowat, Gerdy Zint, Lukas Steltner, Uwe Preuß, Winnie Böwe, Rosa Enskat, Haymon Maria Buttinger, Klaus Manchen

Hinweise

Homepage zum Film

Film-Zeit über „Kriegerin“

Wikipedia über „Kriegerin“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von David Wnendts „Kriegerin“ (Deutschland 2011)

Meine Besprechung von David Wnendts „Feuchtgebiete“ (Deutschland 2013)

Meine Besprechung von David Wnendts „Er ist wieder da“ (Deutschland 2015)


TV-Tipp für den 10. Juni: Gold

Juni 10, 2015

Arte, 20.15
Gold (Deutschland/Kanada 2013, Regie: Thomas Arslan)
Drehbuch: Thomas Arslan
Wilder Westen, 1898: eine Gruppe deutschstämmiger Siedler will am Klondike River Gold suchen. Aber der Weg dorthin ist beschwerlich, kräftezehrend und gefährlich.
Berliner Schule goes Wilder Westen – und die Kritiker sind begeistert.
mit Nina Hoss, Marko Mandic, Lars Rudolph, Uwe Bohm, Peter Kurth, Rosa Enskat
Wiederholung: Donnerstag, 11. Juni, 13.45 Uhr
Hinweise
Filmportal über „Gold“
Film-Zeit über „Gold“
Moviepilot über „Gold“
Wikipedia über „Gold“ (deutsch, englisch)