Neu im Kino/Filmkritik: Herr K ist „Willkommen um zu bleiben“

August 15, 2025

Auf dem Weg zu einem wichtigen Termin checkt der Magier Mr. K (Crispin Glover) in einem mondänem Nobelhotel ein. Schon die Rezeptionistin verhält sich seltsam. Noch seltsamer wird es in seinem Hotelzimmer. Unter seinem Bett ist ein alter Mann, in seinem Kleiderschrank das Zimmermädchen. Beide verlassen schweigend, in der gebotenen Eile das Zimmer.

Trotzdem will Herr K die Nacht in dem Zimmer verbringen und am nächsten Tag weiterreisen. Aber dann kann er das Hotel nicht verlassen. Während er versucht, den Ausgang zu finden und sich in einem kafkaesken Alptraum wähnt, denken die anderen, durchgehend sehr seltsamen Hotelgäste überhaupt nicht daran, das Hotel zu verlassen. Hier haben sie ja alles.

Tallulah H. Schwabs „Willkommen um zu bleiben“ ist eine kurzweilige Kafka-Variation im Grand Hotel mit einem schwachen Ende. Es ist eines dieser aus heiterem Himmel kommenden Enden zwischen ‚aus einem Alptraum erwachen‘ und ‚von Aliens entführt werden‘, die von Autoren ersonnen werden, wenn sie sich in eine Ecke hineingeschrieben haben und nicht mehr weiter wissen.

Bis dahin gibt es wundervoll skurille Figuren, klug eingestreute Anspielungen und absurde Episoden im Grand Hotel – und eine immer wieder durch die Gänge und Zimmer ziehende Blaskapelle.

P. S.: Schöner deutscher Titel. Gefällt mir besser als der doch arg beliebige Originaltitel.

Willkommen um zu bleiben (Mr. K, Norwegen/Belgien/Niederlande 2024)

Regie: Tallulah H. Schwab

Drehbuch: Tallulah H. Schwab

mit Crispin Glover, Sunnyi Melles, Fionnula Flanagan, Bjørn Sundquist, Dearbhla Molloy, Barbara Sarafian, Sam Louwyck

Länge: 96 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Moviepilot über “Willkommen um zu bleiben”

Rotten Tomatoes über “Willkommen um zu bleiben”

Wikipedia über “Willkommen um zu bleiben”


Neu im Kino/Filmkritik: Sauber, sauber, sauberer, „A pure Place“

November 27, 2021

Bevor Nikias Chryssos für seinen zweiten Spielfilm, nach dem grotesken Kammerspiel „Der Bunker“, seine Filmsekte erfand, recherchierte er im Sektenmilieu. Er fand, so sagt er, eine faszinierende „Mischung aus echter Begeisterung auf Seiten der Anhänger, fast erotischer Aufladung und Albernheit (…) Und was von außen vor allem skurril wirkte, erwies sich bei einem Blick hinter die Kulissen doch als Mischung aus falschen Versprechungen, Lügen und Formen von Missbrauch.“

Er entdeckte immer wieder ähnliche Strukturen und bemerkte, wie wichtig in vielen Sekten Waschrituale und ein Streben nach Reinheit sind. Das trieb er in „A pure Place“ auf eine porentief reine Spitze. In der von Fust angeführten Sekte ist Seife enorm wichtig. Alles muss sauber sein. Der Schmutz muss weggeschrubbt werden. Fust umgibt mit seinem weißen Anzug, seiner Sonnenbrille, seinem Vollbart, seinen ausladenden Geste und seiner manirierten Sprechweise eine geheimnisvolle und weltentrückte Aura. Ein wenig wirkt er wie ein aus der Zeit gefallener Kolonialherr. Seine Jünger beten ihn an.

Während bei ihnen alles sauber ist, schuften im Keller des auf einer griechischen Insel liegenden Herrenhauses Waisenkinder. Sie leben im Dunkeln, zwischen Schweinen, im Dreck. Sie stellen die für die Sekte wichtige heilbringende Seife her.

Eines Tages holt Fust die 14-jährige jungfräuliche, aber schon sehr weiblich aussehende Irina aus diesem Schmutz heraus. Er trennt sie so von ihrem jüngerem Bruder Paul. Irina soll in den auserwählten Kreis seiner Sektenjünger aufsteigen. Als erstes soll sie mit Siegfried in einem Theaterstück auftreten. In dem Mysterienspiel soll sie die für die Sekte wichtige Hygeia, die Göttin der Reinheit, verkörpern.

A pure Place“ ist vor allem die Milieustudie einer Sekte und ihrer Strukturen. Chryssos erzählt das, sich dabei immer auf dem schmalen Grad zwischen Arthaus, Kunst und Trash bewegend, als edel bebildertes Horror-Sittengemälde mit erotischen Anspielungen. Es gibt auch etwas griechische Mythologie, Wagner und Nazismus. Das erinnert an Filme aus den Siebzigern, die mal Kunst, mal Exploitation waren, immer provozieren wollten, und in denen unter südlicher Sonne nackte Frauenkörper in herrschaftlichen, größtenteils leerstehenden Villen gezeigt wurden, während irgendwelche Geister und Monster durch die Gänge schlichen.

A pure Place“ ist ein sympathisch-sperriger Film, der seinen, zugegeben prätentiösen, Spaß mit prätentiösen Sekten hat.

A pure Place (Deutschland 2021)

Regie: Nikias Chryssos

Drehbuch: Nikias Chryssos, Lars Henning Jung

mit Sam Louwyck, Greta Bohacek, Claude Heinrich, Daniel Sträßer, Daniel Fripan, Lena Lauzemis, Wolfgang Czeczor

Länge: 91 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Filmportal über „A pure Place“

Moviepilot über „A pure Place“

Wikipedia über „A pure Place“