Es ist nur ein Bild, das Rafi von Miloni macht, das in dem Feelgood-Movie „Photograph – Ein Foto verändert ihr Leben“ die Geschichte in Gang setzt.
Rafi fotografiert in Mumbai vor der Touristenattraktion „Gateway of India“ Touristen. Es sind Urlaubserinnerungen, die die in ihre Gedanken versunken über den Platz schlendernde Miloni nicht braucht. Denn sie lebt, behütet und gut situiert, in Mumbai. Die Vorzeigestudentin soll einen Mann heiraten, den sie nicht kennt.
Als Miloni einige Freunde entdeckt, verschwindet sie, ohne das von Rafi gemachte Bild zu bezahlen oder mitzunehmen.
Zur gleichen Zeit hört seine auf dem Dorf lebende Großmutter auf, die dringend nötigen Medikamente zu nehmen. Sie wird sie erst wieder nehmen, wenn Rafi eine Frau hat.
Weil Rafi seine Großmutter liebt, erfindet er eine junge und gut aussehende Freundin, die so aussieht wie Miloni.
Als seine Großmutter einen Besuch in Mumbai ankündigt, muss er Miloni finden und sie überreden, sich für einige Tage als seine Freundin auszugeben.
In dem Moment hat „Lunchbox“-Regisseur Ritesh Batra die wichtigen Konflikte eingeführt und weil „Photograph“ eine romantische Komödie ist, erübrigt sich die Frage, ob Rafi und Miloni zusammenfinden und ob die Großmutter die Charade, die ihr von Rafi und Miloni vorgespielt wird, durchschaut. Die Frage ist nur wann und wie. In anderen Filmen, mal mehr komödiantisch, mal mehr dramatisch, ist das ein tragfähiger Konflikt für viele dramatische Situationen.
Schließlich kommen Rafi und Miloni aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten, die indische Klassengesellschaft existiert noch und sie sind unterschiedlich alt. Rafi ist zwar höflich, nett und ehrlich, aber ansonsten genau der Mann, den Eltern nicht für ihre Tochter wollen. Vor allem, wenn es ihr einmal besser gehen soll.
Diese gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Rafi und Miloni zeigt Batra sehr deutlich. Beispielsweise wenn Miloni mit ihren Eltern, bei denen sie lebt, zu Abend isst. Oder wenn Rafi abends in das kleine Zimmer geht, in dem er mit mehreren Männern schläft. Auf dem Weg wird er von mehreren Bekannten darauf angesprochen, dass seine Großmutter ihre Medikamente nicht mehr nimmt. Und plötzlich wird aus der anonymen Millionenstadt ein Dorf, in dem jeder jeden kennt.
In seinem neuen Film ist für Regisseur Batra auch der Konflikt zwischen Individuum und Familie wichtig: „Als ich aufwuchs, und wahrscheinlich genauso Jahrhunderte zuvor, kam für die Menschen in Indien immer die Familie zuerst. Erst seit kürzerer Zeit haben sie angefangen, sich selbst mehr als Individuen denn als Zugehöriger einer Familie wahrzunehmen. Das ist zu einem der zentralen Konflikte des heutigen indischen Lebens geworden.“
Um all diese Konflikte und Themen anzusprechen, müssten die Figuren etwas tun. In „Photograph“ schweigen sie sich meistens melancholisch und sehr höflich an.
Denn Batra will die Geschichte von Rafi und Miloni nicht als schnell erzählte Geschichte eskalierender Konflikte, humoristischer Volten und heißer Küsse erzählen. Er begnügt sich mit schönen Bildern von schönen Menschen, die ausdruckslos in die Kamera blicken und immer etwas gramgebeugt durch das Bild schlurfen. Es ist, als ob man Farbe beim Trocknen zusieht. Damit ist „Photograph“ der nicht besonders interessante Arthaus-Gegenentwurf zu den bunten Bollywood-Filmen.

Photograph – Ein Foto verändert ihr Leben für immer (Photograph, Indien/Deutschland/USA 2019)
Regie: Ritesh Batra
Drehbuch: Ritesh Batra
mit Nawazuddin Siddiqui, Sanya Mahotra, Farrukh Jaffar, Abdul Quadir Amin, Vijay Raaz, Virendra Saxena, Geetenjali Kulkarni
Länge: 109 Minuten
FSK: ab 0 Jahre
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Hinweise
Englische Facebook-Seite zum Film
Veröffentlicht von AxelB