Neu im Kino/Filmkritik: Über Maïwenns Biopic „Jeanne du Barry – Die Favoritin des Königs“

August 25, 2023

In ihrem neuen Film erzählt Maïwenn die Geschichte von Jeanne du Barry. Sie lebte von 1743 bis 1793. Geboren wurde sie als Bürgerliche. Später wurde sie zur Geliebten von Louis XV. Sie wurde sogar zu seiner Favoritin, was den anderen Damen und Herren am Hof vor allem wegen ihrer Herkunft als ‚Bastardkind‘ nicht gefiel.

Maïwenn, die auch die erste Fassung des Drehbuchs schrieb (die Co-Autoren Teddy Lussi-Modeste und Nicolas Livecchi stießen erst später dazu), übernahm auch die Hauptrolle. Johnny Depp spielt Louix XY.

Vor seiner Premiere am 16. Mai 2023 in Cannes sorgte das Biopic in Frankreich für heftige Diskussionen. Denn Johnny Depp, der Hauptdarsteller des Films, hatte sich davor mit seiner Ex-Frau Amber Heard vor Gericht und der Weltöffentlichkeit eine Schlammschlacht geliefert. Und Maïwenn hatte einige Monate vorher in einem Restaurant einen Journalisten tätlich angegriffen. Er hatte vorher über ihren Ex-Mann Luc Besson geschrieben. Über den Film wurde dann kaum geredet.

Das durchwachsene Biopic punktet mit Bildern aus dem Schloss Versailles, den Kostümen und einem genauen Blick auf die heute vollkommen absurd erscheinenden höfischen Etikette. Wenn Jeanne du Barry von ihrem Kammerdiener in diese höfischen Etikette eingeführt wird, blickt sie immer wieder ungläubig in die Kamera. Sie ist von den Etiketten und Vorschriften, die zwischen ämusanten Spleens und vollkommener Absurdität schwanken, genauso irritiert und amüsiert wie das im Saal sitzende Kinopublikum. Schnell verstößt sie, zur Freude des Königs, gegen die Regeln. Die späteren, ebenso überdeutlich gezeichneten Machtspiele am Hof unterscheiden sich kaum von heutigen Machtspielen und Speichelleckereien.

Dabei wirkt Jeanne du Barry immer wie eine naive, gutherzige und lebenslustige Mitläuferin ohne Einfluss. Wegen ihrer Herkunft wird sie von den anderen Hofdamen und Adligen verachtet. Sie selbst intrigiert ein wenig und hat immer ein bezauberndes Lächeln.

Aber was sie zu einer besonderen Frau machte und warum wir uns für ihr Leben mit Louis XV interessieren sollten, wird in dem Kostümdrama nie wirklich deutlich.

Jeanne du Barry – Die Favoritin des Königs (Jeanne du Barry, Frankreich 2023

Regie: Maïwenn

Drehbuch: Maïwenn, Teddy Lussi-Modeste, Nicolas Livecchi

mit Maïwenn, Johnny Depp, Benjamain Lavernhe, Pierre Richard, Melvil Poupaud, Pascal Greggory, India Hair, Suzanne de Baecque, Capucine Valmary, Diego Le Fur, Pauline Pollmann

Länge: 117 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Französische Homepage zum Film

Moviepilot über „Jeanne du Barry“

AlloCiné über „Jeanne du Barry“

Metacritic über „Jeanne du Barry“

Rotten Tomatoes über „Jeanne du Barry“

Wikipedia über „Jeanne du Barry“ (deutsch, englisch, französisch) und die echte Jeanne du Barry (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Maïwenns „Mein Ein, mein Alles“ (Mon Roi, Frankreich 2015)


Neu im Kino/Filmkritik: „Ein leichtes Mädchen“, Easy Living und viel nackte Frauenhaut am Mittelmeer

September 12, 2019

Nach der Schule fragt die sechzehnjährige Naima sich, was sie in den Sommerferien und danach tun soll. Ihre Mutter arbeitet in einem der zahlreichen Luxushotels in Cannes als Zimmermädchen. Weil sie wenig Geld haben und schon im Urlaubsparadies wohnen, wird Naima den Sommer am Mittelmeer verbringen.

Als ihre Cousine Sofia, die mit 22 Jahren schon viel älter und erfahrener ist, auftaucht, beginnen sie gemeinsam das Leben am Strand und auf der Touristenpromenade, tagsüber und nach Sonnenuntergang, zu erkunden.

Sofia ist dabei auf den ersten und zweiten Blick das auf Luxus, Äußerlichkeiten und Sex fixierte blonde Dummchen. Naima, die noch ein Teenager ist und zu Sofias ständiger Begleiterin wird, bewundert Sofias souveränes Auftreten. Und die Minderjährige erhält erstmals einen Einblick in die ihr bislang verschlossene Welt der reichen Müßiggänger, wie Andres, einem brasilianischen Multimillionär und Besitzer der „Winning Streak“, und seinem Begleiter Philippe. Dabei ist unklar, wie sehr Philippe mit Andres befreundet, seine rechte Hand und Mädchen für alles ist.

Sofia wird schnell zu Andres‘ Geliebten, die sich von ihm großzügig aushalten lässt. Und Naima könnte Philippes Geliebte werden.

Rebecca Zlotowski sieht ihren neuen Film „Ein leichtes Mädchen“ als Märchen über Macht, in das sie viele Anspielungen auf ältere französischer und italienischer Filme unterbrachte. Die wichtigste Inspiration war Eric Rohmers „Die Sammlerin“. Im Mittelpunkt des während der sexuellen Befreiung spielenden Films steht eine Frau mit täglich wechselnden Liebhabern. Zlotowski fragte sich bei ihrem Film, wie Rohmers Film wohl heute aussähe. In ihrem ‚persönlichen Mini-Pantheon‘ (Zlotowski) werden auch Valerio Zurlinis „Das Mädchen mit dem leichten Gepäck“, René Clements „Nur die Sonne war Zeuge“, Jacques Roziers „Adieu Philippine“ und Jacques Roziers „Blue Jeans“ zitiert. Für Cineasten sind das einige wohlbekannte Filme, die zeigen, in welche Richtung sich Zlotowski mit ihrem Film bewegen wollte.

Die Besetzung ist ein weiterer Hinweis. Naimas ältere Cousine Sofia wird gespielt von Zahia Dehar. In Deutschland ist sie vielleicht als Muse von Karl Lagerfeld bekannt. In Frankreich wurde sie bereits als Sechzehnjährige durch einen Prostitutionsskandal bekannt. Heute ist sie eine Designerin und, auch wenn Zlotowski betont, dass Dehar intelligenter sei, als man es auf den ersten Blick vermuten könnte, ist ihr Image über ihr sorgfältig gepflegtes und optimiertes Aussehen geprägt. Es entspricht genau dem Bild eines gutaussehenden Dummchens, das nur am äußeren Schein interessiert ist.

Und damit kommen wir zum Film, der den schönen Schein zelebriert in einer Welt, in der Frauen sich von Männern aushalten und benutzen lassen. Zlotowski inszenierte das wie ein Softporno aus den siebziger Jahren, der den schönen Schein und die glitzernde Oberfläche, feiert. Schöne Menschen bewegen sich ohne finanzielle Sorgen in einer schönen Gegend. Vor allem die jungen Frauen sind sehr leicht bis überhaupt nicht bekleidet. Die Kamera verliebt sich in ihre Körper und Busenfetischten erhalten reichlich Anschauungsmaterial. Die Männer behalten normalerweise Hemd und Hose an. Die Handlung ist ein luftiges Nichts, das dazu dient, Naima und Sofia bei ihren Streifzügen zu begleiten.

Erstaunlich bei diesem männlichen, um nicht zu sagen Altherrenblick auf weibliche Rundungen unter mediterraner Sonne ist, dass „Ein leichtes Mädchen“ von einer Frau inszeniert wurde.

Ein leichtes Mädchen (Une fille facile, Frankreich 2019)

Regie: Rebecca Zlotowski

Drehbuch: Rebecca Zlotowski, Teddy Lussi-Modeste (Mitarbeit)

mit Mina Farid, Zahia Dehar, Lakdhar Dridi, Nuno Lopes, Benoît Magimel, Clotilde Courau

Länge: 92 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Ein leichtes Mädchen“

AlloCiné über „Ein leichtes Mädchen“

Metacritic über „Ein leichtes Mädchen“

Rotten Tomatoes über „Ein leichtes Mädchen“

Wikipedia über „Ein leichtes Mädchen“ (englisch, französisch)