Irgendwo in Georgien in der Provinz, wo Freundschaften ewig halten, weil man sich schon seit der Kindheit kennt und es niemand anderes gibt, mit dem die Abende verbracht werden können, lebt Etero. Sie ist 48 Jahre alt, keine Schönheit, allein lebend, stolz auf ihre Unabhängigkeit und Inhaberin eines kleinen Ladens für den täglichen Bedarf. Ihre Kundschaft behandelt sie ausnehmend ruppig. Schließlich führt sie im Dorf das einzige Geschäft mit den benötigten Waren für den Haushalt und die Bedürfnisse der Frau. Gespielt wird Etero überzeugend von Eka Chavleishvili, einer an der Staatlichen Universität für Theater und Film Shota Rustaveli ausgebildeten Schauspielerin, die seit 1995 Schauspielerin am Batumi Drama Theatre ist und mehrere Preise für ihr Spiel erhielt. Sie spielte auch in Elena Naverianis vorherigem Spielfilm „Wet Sand“ mit.
Als Etero beim Pflücken von Beeren eine „Amsel im Brombeerstrauch“ erblickt, geht sie abgelenkt von dem Vogel zu nah an den Abgrund und stürzt fast in den viele Meter tiefer liegenden Fluss. Mit letzter Kraft kann sie den Todessturz verhindern.
Auf dem Heimweg sieht sie, wie ihre Leiche am Flussufer liegt. Ob es sich um eine Vision handelt, die später, wenn sie im Sarg liegt, wieder aufgegriffen wird, oder ob Etero tot ist und die nun folgende Filmgeschichte sich nur in Eteros Kopf abspielt, ist letztendlich egal.
Nach dem Sturz ändert sich Eteros Leben. Kurz darauf verführt sie in ihrem Laden Murman, einem verheirateten Lieferwagenfahrer und Großvater. Er entjungfert sie. Sie beginnen eine heimliche Affäre.
Diese Affäre und das Leben der Frauen im Dorf schildert Naveriani enervierend langsam. Anstatt die Geschichte voranzutreiben, beobachtet sie die meistens überaus emotionslos spielenden Schauspielerinnen (die Männer haben nur Nebenrollen) bei alltäglichen Verrichtungen und gemeinsamen Treffen, auf denen sie den Dorfklatsch austauschen. Naveriani zeigt das Leben von Frauen in der georgischen Provinz und wie sie dort in konservativen Gesellschaftsstrukturen und Rollenmustern gefangen sind. Nur Etero hat sich nie angepasst. Sie nahm sich die Freiheit, nicht zu heiraten. Heute nimmt sie sich die Freiheit, den anderen Dorffrauen die Wahrheit, wie sie sie sieht, zu sagen.
Insgesamt wird in dem Drama wenig gesprochen; was auch daran liegt, dass Etero oft allein ist und sie dann natürlich niemand hat, mit dem sie reden kann.
Auf intellektueller Ebene ist „Amsel im Brombeerstrauch“ ein gelungenes Porträt einer älteren unabhängigen Frau, die sich nie anpassen wollte und deren Leben jetzt auf den Kopf gestellt wird. Ob sie das gut finden soll, weiß sie nicht. Aber emotional packt Eteros Geschichte nicht. Dafür ist die „zärtlich-skurrile Dramödie“ (Presseheft) viel zu dröge und langsam erzählt.

Amsel im Brombeerstrauch (Blackbird Blackbird Blackberry, Georgien/Schweiz/Deutschland 2023)
Regie: Elene Naveriani
Drehbuch: Nikoloz Mdivani, Elene Naveriani
LV: Tamta Melashvili: Amsel, Amsel, Brombeerbusch, 2023 (Deutsche Ausgabe)
mit Eka Chavleishvili, Temiko Chinchinadze, Pikria Nikabadze, Anka Khurtsidze, Tamar Mdinaradze, Lia Abuladze
Länge: 115 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Filmportal über „Amsel im Brombeerstrauch“
Moviepilot über „Amsel im Brombeerstrauch“
Metacritic über „Amsel im Brombeerstrauch“
Veröffentlicht von AxelB