Neu im Kino/Filmkritik: „Jeder hat einen Plan“, aber es gibt nur eine Wirklichkeit

Mai 27, 2013

Agustin (Viggo Mortensen) ist Kinderarzt in Buenos Aires, glücklich mit Claudia verheiratet – und ziemlich tief drin in einer ausgewachsenen Sinnkrise. Das von ihr gewünschte Adoptivkind will er nicht und auch sonst zieht er sich immer mehr, alle Gespräche verweigernd, zurück.

Da wird er überraschend von seinem Bruder Pedro (Viggo Mortensen), den er seit über zehn Jahren nicht mehr gesehen hat, besucht. Pedro lebt als Bienenzüchter im Tigre Delta auf einer Insel, auf der sie gemeinsam aufwuchsen und man nicht viele Fragen stellt. Er hat Krebs im Endstadium und will nur noch möglichst schnell sterben.

Agustin lehnt seinen Sterbewunsch zunächst ab, tötet ihn dann doch und fährt ins Tigre Delta. Agustin hofft dort als Pedro ein neues Leben beginnen zu können. Dummerweise ist Pedro in kriminelle Geschäfte und einen Mord verwickelt.

Die erste Stunde des Noirs „Jeder hat einen Plan“, in der die Charaktere und die Konflikte ruhig und bravourös eingeführt werden, ist grandios. Aber in der zweiten Stunde, nachdem Agustin die Identität seines Bruders annimmt und in die alte Heimat zurückkehrt, kommt die Geschichte immer mehr zum Stillstand und wird – auch nach den Noir-Standards, die sich nicht unbedingt um Logik scheren – immer unwahrscheinlicher. Denn obwohl Agustin und Pedro ihre Jugend in der Gegend verbrachten, auch in kriminelle Geschäfte verwickelt waren, und damit viele Menschen wissen dürften, dass sie Zwillinge sind, scheint keinem aufzufallen, dass Pedro nicht mehr Pedro ist. Nur Agustins Frau, die nichts von Pedro weiß, bemerkt es, während eines Besuchs im Gefängnis, nach wenigen Sekunden – und verabschiedet sich aus der Geschichte. Rosa, die Freundin von Pedro, bemerkt ebenfalls ziemlich schnell, dass Pedro ein anderer Mann ist – und nimmt es schulterzuckend zur Kenntnis. Das ist dann doch arg unglaubwürdig.

Auch dass beide Brüder in verschiedene Mordfälle verwickelt sind, wird nicht so konsequent erzählt, wie es möglich wäre. Stattdessen wird Agustin am Ende in eine Entführung verwickelt, die zwar den Film zu einem Ende bringt, aber sich kaum um die vorherigen Ereignisse kümmert.

Hätte Autorin und Regisseurin Ana Piterbarg, nach mehreren TV-Arbeiten, bei ihrem Spielfilmdebüt in der zweiten Hälfte nur nicht der Mut verlassen, dann wäre „Jeder hat einen Plan“ ein wirklich großartiger Noir geworden.

So wurde es nur ein Noir mit spannenden Ansätzen, einer grandiosen ersten und einer sehr schwachen zweiten Hälfte, die ihr Potential, wozu auch der ungewöhnliche Handlungsort gehört, vollkommen verschenkt. Da hilft auch ein gewohnt großartiger Viggo Mortensen nicht mehr, der mit kleinen Veränderungen in Gestik und Mimik die beiden sehr ähnlichen Brüder spielt. Diese Ähnlichkeit wird vor allem in den wenigen, spannungsgeladenen Szenen, in denen sie, hm, gemeinsam in Agustins Mietwohnung sind, deutlich.

 Jeder hat einen Plan - Plakat

Jeder hat einen Plan (Todos tenemos un plan, Argentinien/Spanien 2012)

Regie: Ana Piterbarg

Drehbuch: Ana Piterbarg, Ana Cohan (Mitarbeit)

mit Viggo Mortensen, Soledad Villamil, Daniel Fanego, Javier Godino, Sofia Gala Castaglione

Länge: 119 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Spanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage/Facebook-Seite zum Film

Film-Zeit über „Jeder hat einen Plan“

Metacritic über „Jeder hat einen Plan“

Rotten Tomatoes über „Jeder hat einen Plan“

Wikipedia über „Jeder hat einen Plan“ (englisch, spanisch)