Neu im Kino/Filmkritik: Der Horror! Ein messerschwingender „Clown in a Cornfield“

Mai 29, 2025

Nach dem 1991 spielenden Prolog dauert es einige Zeit, bis der titelgebende „Clown in a Cornfield“ wieder zuschlägt und sich durch die vergnügungssüchtige Jugend von Kettle Springs mordet. Dazu benutzt er munter alle Gegenstände, die in einer gut sortierten Scheune zu finden sind und die sich für einen Mord eignen.

Bis dahin führt Regisseur Eli Craig („Tucker and Dale vs Evil“) uns und die siebzehnjährige Großstadtpflanze Quinn Maybrook in das Leben in der Kleinstadt Kettle Springs ein. Sie ist gerade mit ihrem Vater, der die vakante Stelle des Dorfdoktors angenommen hat, nach Kettle Springs gezogen.

Der aus dem titelgebenden Maisfeld heraus mordende Clown, Frendo genannt, war vor Ewigkeiten das kindgerechte Werbegesicht der Baypen Corn Factory. Sie sorgte für Wohlstand. Heute ist dieser Wohlstand nur eine Erinnerung an bessere Zeiten. Kettle Springs ist, wie Quinn auf den ersten Blick feststellt, eine von Armut und Verfall gezeichnete kleine Gemeinde im Mittleren Westen. Sie will hier nur ihren Schulabschluss machen und dann sofort in Richtung College verschwinden.

Trotzdem befreundet sie sich schnell mit den sogenannten aufsässigen Jugendlichen des Dorfes. Sie lernt sie beim gemeinsamen Nachsitzen in der Schule kennen. Deren Protest äußerst sich vor allem in Saufgelagen bei einer an einem Maisfeld gelegenen Scheune, Sex und, auch in Kettle Springs ist das 21. Jahrhundert angekommen, drehen von Horrorvideos für ihren YouTube-Kanal.

Diese Einführung in das Leben in einem Provinzdorf, aus dem jeder so schnell wie möglich flüchtet, gelingt Craig ziemlich gut. Wenn Frendo dann die Kettensäge anwirft, gibt es auch einige blutige Morde – und natürlich etwas Rätselraten über Identität und Motiv des Täters.

Mit etwas über neunzig Minuten ist „Clown in a Cornfield“ ein angenehm kurzer und auch kurzweiliger, liebevoll gemachter Old-School-Slasher. Über weite Strecken ist die Handlung und die Abfolge der Mordopfer absolut vorhersehbar. Aber Craig erzählt sie konzentriert und mit einigen kleinen Variationen, die das Herz des Slasher-Fans erfreuen.

Craigs Film basiert auf Adam Cesares mit dem Bram Stoker Award als bester Jugendroman ausgezeichnetem Buch. Inzwischen veröffentlichte Cesare zwei weitere Horrorromane mit Frendo. Für Nachschub wäre also gesorgt.

Clown in a Cornfield (Clown in a Cornfield, USA 2025)

Regie: Eli Craig

Drehbuch: Carter Blanchard, Eli Craig

LV: Adam Cesare: Clown in a Cornfield, 2020 (Clown im Maisfeld)

mit Katie Douglas, Aaron Abrams, Carson MacCormac, Vincent Muller, Kevin Durand, Will Sasso

Länge: 97 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Die Vorlage (Nachtrag, einige Maisfelder später)

Seinen ersten Auftritt hatte Clown Frendo in Adam Cesares „Clown im Maisfeld“. Der Jugendhorrorroman kam gut an. In Kritiken wurde die Sprache und die Retro-Slasher-Elemente (die wahrscheinlich nur ältere Semester sofort erkennen) gelobt. Cesare schrieb bislang zwei weitere Romane mit dem Horrorclown.

Frendos erster Auftritt, „Clown im Maisfeld“, wurde 2020 in der Kategorie ‚Bester Jugendroman‘ mit dem Bram Stoker Award ausgezeichnet.

Und weil Vergleiche zwischen Buch und Film und Hinweise auf die Story des zweiten und dritten Frendo-Romans massive Spoiler wären, lasse ich es dabei, mit einem angstvoll nach oben gereckten Daumen, bleiben. Denn wer sagt, dass Frendo nur in Maisfeldern zusticht?

Adam Cesare: Clown im Maisfeld

(übersetzt von Elena Helfrecht)

Festa, 2022

368 Seiten

22,90 Euro

Originalausgabe

Clown in a Cornfield

Harper Teen, 2020

Hinweise

Moviepilot über „Clown in a Cornfield“

Metacritic über „Clown in a Cornfield“

Rotten Tomatoes über „Clown in a Cornfield“

Wikipedia über „Clown in a Cornfield“ (deutsch, englisch)

Homepage von Adam Cesare


Neu im Kino/Filmkritik: „Irresistible“ ist nicht unwiderstehlich

August 5, 2020

Beginnen wir mit dem Regisseur von „Irresistible“ (oder wie im Abspann mit farbigen Buchstaben angedeutet wird: „IrRESISTible“). Er heißt Jon Stewart und er schrieb auch das Drehbuch. Dieser Jon Stewart war von 1999 bis 2015 Moderator und kreativer Kopf der „The Daily Show“. In seiner Late-Night-Show erklärte er mit satirischen Mitteln Politik so gut, dass sie für viele, vor allem jüngere Zuschauer, zu einer politischen Informationssendung wurde. Und, dank YouTube, wurde Stewart auch bei uns bekannt. Seit dem Ende seiner täglichen Show verfolgte er verschiedene Projekte und trat einige Male in „The Late Show with Stephen Colbert“ auf.

Wenn dieser Mann jetzt eine Polit-Satire dreht, dann erwartet man, nun, scharfzüngige, äußerst konzentrierte, zum Nachdenken anregende, äußerst schnell erzählte Satire. Also irgendetwas in Richtung von „The Big Short“, „Vice“ oder etwas in der Tradition von Aaron Sorkin. Die Geschichte von „Irresistible“ ist für so eine Herangehensweise prädestiniert.

Nach der Wahl von Donald J. Trump ist der Politikberater Gary Zimmer (Steve Carell) am Boden zerstört. Als er einen YouTube-Clip von einem Auftritt von Colonel Jack Hastings (Chris Cooper) sieht, ist er begeistert. Hastings ist ein pensionierter Veteran, verwitwet und Milchbauer. Während einer Gemeindeversammlung in dem Kaff Deerlaken, Wisconsin, ergriff er für die im Ort lebenden illegalen Einwanderer und gegen eine sie diskriminierende Regel das Wort. Hastings hielt eine wahrhaft demokratische, patriotisch die US-amerikanischen Werte hochhaltende Rede im US-amerikanischen Hinterland; dem Landstrich, der eigentlich fest in republikanischer Hand ist.

Zimmer macht sich auf den Weg nach Deerlaken. Er will Hastings zur neuen Hoffnung der Demokraten aufbauen. Der erste Schritt ist ein erfolgreicher Wahlkampf gegen den seit Ewigkeiten amtierenden Bürgermeister.

Zimmer kann Hastings von seinem Vorhaben überzeugen. Kurz nach Hastings ersten Wahlkampfaktivitäten, kommt Faith Brewster (Rose Byrne) nach Deerlaken. Sie ist für eine langjährige Wahlkampfmanagerin der Republikaner und schon seit Ewigkeiten Zimmers Intimfeindin, mit der ihn eine Hassliebe verbindet.

Das klingt doch nach der Ausgangslage für eine zünftige Polit-Satire über den frei drehenden Wahlkampfwahnsinn in den USA, die aktuellen politischen Befindlichkeiten und die kulturellen Kämpfe und Gräben zwischen Washington, D. C., und der Provinz.

Aber genau das ist „Irresistible“ nicht. Es ist eine sehr betulich erzählte kleine Provinzschnurre, die niemand weh tun will. Alles plätschert nett harmlos vor sich hin. Nichts wird wirklich zugespitzt. Die Zahl der Pointen ist überschaubar. Die Menschen in Deerlaken sind sympathisch und nett. Politische Konflikte scheint es, außerhalb der Blase der beiden verfeindeten Wahlkampfmanager, nicht zu geben. Und Zimmer und Brewster sind vor allem daran interessiert, Gegensätze zu inszenieren, um mehr Geld für ihren Wahlkampf zu bekommen. Auch die von ihnen nach außen gezeigte Abneigung kann nie ihre Zuneigung füreinander überdecken. Die Landschaft zeigt sich von ihrer fotogensten Seite. Alles ist wundervoll entschleunigt. So wie es halt vor fünfzig, sechzig, siebzig oder achtzig Jahren war, als Mr. Smith nach Washington ging.

Und genau das ist „Irresistible“ letztendlich: ein archetypischer Frank-Capra-Film mit einigen kleinen Modernismen (ein, zwei Wahlkampfspots, einige Telefone) und einer allumfassenden Warmherzigkeit, die nur die versöhnenden Dinge sieht. Stewart zeigt, ohne erkennbare Brechungen, ein weißes Amerika, das es so niemals gab. Die Kamera nimmt das brav auf im Seitenverhältnis 1,66, das heute doch sehr an ein TV-Bild erinnert.

Und genau dort gehört Jon Stewarts rundum harmloser Film auch eigentlich hin.

Ach ja: es lohnt sich, sich den Abspann anzusehen. Dann erklärt ein Experte, wie realistisch die im Film gezeigten Ereignisse sind.

Irresistible – Unwiderstehlich (Irresistible, USA 2020)

Regie: Jon Stewart

Drehbuch: Jon Stewart

mit Steve Carell, Rose Byrne, Chris Cooper, Mackenzie Davis, Topher Grace, Natasha Lyonne, Brent Sexton, Blair Sams, Will McLaughlin, Will Sasso, C. J. Wilson, Andrea Frankle

Länge: 103 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Irresistible“

Metacritic über „Irresistible“

Rotten Tomatoes über „Irresistible“

Wikipedia über „Irresistible“