Als Kinder verbrachten die gleichaltrigen Cousins David (Jesse Eisenberg) und Benji (Kieran Culkin) viel Zeit miteinander. Dann gingen sie getrennte Wege und jetzt wollen sie bei einer mehrtägigen Holocaust-Reisetour durch Polen ihre Beziehung wieder auffrischen und etwas über ihre Familiengeschichte lernen. Ihre kürzlich verstorbene jüdische Großmutter überlebte als einziges Familienmitglied den Holocaust. Sie flüchtete von Polen in die USA. In ihrem Testament vermachte sie Benji und David etwas Geld für eine Reise nach Polen.
Jesse Eisenberg, der bei „A real Pain“ auch das von seiner Familiengeschichte sehr lose inspirierte Drehbuch schrieb und die Regie übernahm, spielt den schüchternen David. Er lebt in New York, ist verheiratet und Vater. Er nimmt den historischen Teil der Reise sehr ernst und hat wahrscheinlich vor der Reise ein halbes Dutzend Bücher dazu gelesen. Auf der Fahrt zum John F. Kennedy Flughafen schickt er Benji mehrere Nachrichten, in denen er ihn über den Verlauf seiner Fahrt und minimale Verspätungen informiert.
Der von Kieran Culkin gespielte Benji ist das komplette Gegenteil. Er ist ein Slacker, ein Spaßvogel – und er hat massive psychische Probleme. In dem einen Momet bringt er die Reisegruppe zum Lachen und terrorisiert sie kurz darauf mit seinen Launen und verbalen Angriffen. Er sorgt für Chaos und Unruhe.
In „A real Pain“ verknüpft Eisenberg die Geschichte der Wiederbegegnung der beiden Verwandten mit ihrer Familiengeschichte. Das tat Julia von Heinz vor wenigen Wochen auch in ihrer im direkten Vergleich deutlich gelungeneren Lilly-Brett-Verfilmung „Treasure“. Lena Dunham und Stephen Fry spielten das im Mittelpunkt der Geschichte stehende Tochter/Vater-Gespann. Nach dem Ende des Kalten Krieges will seine Tochter bei einer Reise nach Polen mehr über die Vergangenheit ihrer Familie erfahren. Ihr Vater, der als Kind den Holocaust überlebte, begleitet sie und sie sind ebenfalls ein gegensätzliches Paar. Sie hat die Reise präzise geplant. Er ist ein lebenslustiger Spaßvogel, der anscheinend nur ihre Pläne sabotieren will. Dabei verbirgt diese Fröhlichkeit nur mühsam seinen Schmerz und die Angst, sich diesem Trauma zu stellen.
Und damit kommen wir zum großen Unterschied zwischen den beiden sehr ähnlichen Dramen. In „Treasure“ ist der Holocaust unmittelbar mit einer der beiden Hauptfiguren und ihren Handlungen und Gefühlen verknüpft. In „A real Pain“ ist das nicht so. Eisenberg könnte seine Geschichte auch an jedem anderen Ort spielen lassen. Es ist egal, ob David und Benji eine Pauschalreise durch die USA oder durch Europa machen. Es ist egal, ob die Pauschalreise sich mit den Spuren des Judentums in Polen beschäftigt oder es sich um eine Weinverköstigungstour durch Frankreichs schönste Weingüter handelt. Die Reise ist nur der austauschbare Hintergrund für die Befindlichkeiten der Hauptfiguren.
„A real Pain“ ist eine gut gespielte, humorvolle Charakterstudie über zwei gegensätzliche Cousins, die eine gemeinsame Reise unternehmen und danach wieder in ihr gewohntes Leben zurückkehren.

A real Pain (A real pain, USA 2024)
Regie: Jesse Eisenberg
Drehbuch: Jesse Eisenberg
mit Kieran Culkin, Jesse Eisenberg, Will Sharpe, Jennifer Grey, Kurt Egyiawan, Liza Sadovy, Daniel Oreskes
Länge: 90 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
–
Hinweise
Veröffentlicht von AxelB 