Mit einem Auftragsüberfall für den lokalen Gangsterboss will der Möchtegern-Gangster Heraldo sich das Geld für eine bessere Zukunft beschaffen. Aber davor geht einiges schief: eine Zufallsbekanntschaft stiehlt sein Geld, er verschläft, er kann das Zimmer im Motel Destino nicht bezahlen und der schlecht geplante Überfall endet ohne ihn katastrophal. Sein bester Freund stirbt dabei. Und Heraldo wird jetzt von Verbrrechern und der Polizei gejagt.
Mittellos taucht er in dem einsam gelegenem Motel Destino unter. Es ist ein heruntergekommenes, aber gut besuchtes Stundenhotel, das seiner Kundschaft anonym ein Bett für den schnellen Sex bietet. Geführt wird es von Elias und seiner jüngeren Frau Dayana. Er ist ein Rüpel, der ihn als Hilfsarbeiter anstellt. Sie findet schnell gefallen an dem zwanzigjährigem Gast. Eins führt zum anderen – und Noir-Fans erkennen schnell, dass Karim Aïnouz sich in seinem neuen Film „Motel Destino“ schamlos am Plot von James M. Cains Klassiker „The Postman always rings twice“ (1934, Die Rechnung ohne den Wirt, Wenn der Postmann zweimal klingelt…, Der Postbote klingelt immer zweimal) bedient. Vor ihm haben das schon mehrere Regisseure gemacht. Die Verfilmungen von Luchino Visconti (Ossessione, Italien 1942 [Besessenheit]), Tay Garnett (The Postman always rings twice, USA 1946 [Die Rechnung ohne den Wirt]), Bob Rafelson (The Postman always rings twice, USA 1981 [Wenn der Postman zweimal klingelt]) und Christian Petzold (Jerichow, Deutschland 2008) sind legendär. Es sind also große Fußstapfen, in die Aïnouz hier tritt. Erfolgreich und eigenständig. Und leider auch mit einem anderen Ende. Dieses Ende ist der große Schwachpunkt des Neo-Noirs.
Bei Cain spielt die Geschichte in einem kleinen Diner an einer Landstraße in Kalifornien während der Weltwirtschaftskrise. Aïnouz verlegt sie, wie Petzold, in die Gegenwart und, wie Visconti und Petzold, in ein anderes Land. Dieses Mal spielt die Geschichte in Nordbrasilien an der Küste abseits jeglicher Touristenpfade. Die Farben glänzen noch, aber jedes Gebäude und jeder Mensch scheint seine beste Zeit hinter sich zu haben.
Neben der tropisch verschwitzen Liebesgeschichte zwischen Heraldo und Dayana bietet Aïnouz auch einen intensiven Blick hinter die Kulissen eines Stundenhotels. Er zeigt detailliert die dortigen Abläufe, inclusive der Beobachtung kopulierender Kundschaft. Damit vertreibt Elias sich die Zeit.
„Motel Destino“ ist ein schwüler, neonfarbenprächtiger Neo-Noir mit einer ordentlichen Portion explizitem Sex. Jedes Bild ist darauf angelegt, sich im Kopf des Zuschauers einzuprägen.
Sehenswert!

Motel Destino (Motel Destino, Brasilien/Frankreich/Deutschland 2024)
Regie: Karim Aïnouz
Drehbuch: Wislan Esmeraldo (in Zusammenarbeit mit Karim Aïnouz und Mauricio Zacharias)
mit Iago Xavier, Nataly Rocha, Fabio Assunção, Renan Capivara, Fabíola Líper, Isabela Catão, Yuri Yamamoto
Länge: 115 Minuten
FSK: ab 16 Jahre (hätte auch eine FSK-18 für nachvollziehbar gehalten)
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Hinweise
Filmportal über „Motel Destino“
Moviepilot über „Motel Destino“
Metacritic über „Motel Destino“
Rotten Tomatoes über „Motel Destino“
Wikipedia über „Motel Destino“ (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von Karim Ainouz‘ „Zentralflughafen THF“ (Deutschland/Frankreich/Brasilien 2018)
Veröffentlicht von AxelB