Kein Thriller, sondern eine Satire

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Nein, ein Thriller, wie auf dem Cover steht, ist Robert Littells „Zufallscode“ nicht. Es ist, trotz des vielversprechenden Klappentextes,  auch keine schweißtreibende Jagd nach einem Serienmörder oder ein Geheimagenten-Roman, obwohl in „Zufallscode“ ein Zufallsmörder gut zwei Dutzend Menschen umbringt und Geheimagenten verschiedener Staaten und Mafiosi Lemuel Falk anwerben wollen. Dieser, ein russischer Chaostheoretiker auf der Flucht vor dem irdischen Chaos und Erfinder eines nicht zu knackenden Codes, ist die fast perfekte Verkörperung eines weltfremden Gelehrten. In seiner russischen Heimat war er ein geachteter Forscher und stellte, aus Gewohnheit, jedes Jahr einen Ausreiseantrag. So prüfte er, wie chaotisch die Zustände in der Sowjetunion sind. Sein Antrag wurde jedes Jahr abgelehnt und Falk wartete ein weiteres Jahr. Jetzt, kurz nach dem Fall der Mauer wird sein Antrag bewilligt und Falk befürchtet, dass das Chaos in der UdSSR viel schlimmer ist als er annahm. Er nimmt also eine Gastprofessur am Institut für fortgeschrittene interdisziplinäre Chaosforschung in der Nähe von New York an und landet im amerikanischen Chaos.

Während seiner ersten Nacht in den USA hört Lemuel Falk im Radio, dass ein Serienmörder scheinbar wahllos Menschen umbringt. Für den Chaosforscher ist offensichtlich, dass diese Morde nur scheinbar zufällig sind. Denn, so Falk: „Es gibt eine Gesetzmäßigkeit, die darauf wartet, entdeckt zu werden. Zufälligkeit in reiner Form gibt es leider nicht. Zumindest hat noch nie jemand ein Beispiel vorweisen können. Ich muss es wissen. Ich habe überall danach gesucht.“ Dafür hat er sogar die Zahl Pi auf drei Milliarden dreihundertdreißig Millionen Nachkommastellen ausgerechnet.

Doch bevor er sich auf die Jagd nach dem Zufallsmörder begibt, muss Falk sich erst in seiner neuen Heimat arrangieren. Das ist nicht so einfach und bietet Littell die Gelegenheit, die verschiedenen Mentalitäten gekonnt aufeinanderprallen zu lassen. Denn Falk versteht die meisten Redewendungen nicht, obwohl er Englisch mit der Ausbildungsvorschrift der Royal Canadian Air Force lernte und mit Raymond Chandler und dem Playboy aufpolierte. Er versteht nicht, warum er sich schuldig bekennen muss wenn er unschuldig ist. Er trifft auf zahlreiche, aus seiner sowjetischen Sicht seltsame Menschen und, das ist kein große Überraschung, die Liebe seines Lebens. Die Studentin Rain Morgan betreibt einen Friseursalon, bestiehlt mit der Erlaubnis des Geschäftsführers den EZ-Mart und verkauft Drogen. Mit ihr erlebt der Gelehrte auch seine sexuelle Befreiung.  

Robert Littells Roman „Zufallscode“ ist natürlich kein Thriller, sondern die mit vielen ironischen Spitzen erzählte Geschichte eines Mannes, der in die Fremde aufbricht und sein Glück findet. Diese Entwicklungsgeschichte erzählt Robert Littell gekonnt aus drei verschiedenen Perspektiven mit drei mühelos zu unterscheidenden Stimmen. Er erzählt in der Dritten Person und in der Ersten Person aus der Sicht von Falk und Rain.

 

Robert Littell: Zufallscode

(übersetzt von Rudolf Hermstein)

Knaur, 2007

368 Seiten

7,95 Euro

 

Originalausgabe:

The Visiting Professor

Faber and Faber Limited, London, 1993

 

Deutsche Erstausgabe:

Der Gastprofessor

Goldmann, 1995 (gebundene Ausgabe)

Goldmann, 1999 (Taschenbuch)

 

Meine Besprechung von Robert Littells „Die kalte Legende“ (Legends, 2005):

http://www.alligatorpapiere.de/spurensuche-zwanzigsechs-Agenten-Ex-Polizisten.html

 

Knaur über „Zufallscode“:

http://www.knaur.de/sixcms/detail.php?template=buchdetail&six_isbn=3-426-63206-3

 

3 Responses to Kein Thriller, sondern eine Satire

  1. […] Vielleser: AxelB stellt vor: → Robert Littles “Zufallscode” und → Scott Smiths […]

  2. […] (Vicious Circle, 2006) veröffentlicht. Nach “Die kalte Legende” und “Zufallscode” war ich von seinem neuesten Werk etwas […]

  3. […] Meine Besprechung von Robert Littels „Zufallscode“/“Der Gastprofessor“ (The Visiting Profess… […]

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