In den USA wurde Alex Berensons Debüt „Kurier des Todes“ abgefeiert, für den Barry und Ian Fleming Steel Dagger nominiert und erhielt den Edgar für das beste Debüt. In Deutschland wurde „Kurier des Todes“ dagegen kaum beachtet. Zu Unrecht. Denn Berenson greift in seinem Polit-Thriller das aktuelle Thema des islamistischen Terrorismus auf und verarbeitet es zu einer spannenden Geschichte, die nah an der Wirklichkeit ist.
Berensons Held ist CIA-Agent John Wells. Als Jalal begann er in den Neunzigern einen Undercover-Einsatz mit dem Ziel in das Zentrum von Al Kaida vorzustoßen. Seine Vorgesetzten, vor allem sein Verbindungsmann Jennifer Exley, haben schon seit langem keinen Kontakt mehr zu ihm. Wenige Monate nach 9/11 meldet er sich in den afghanischen Bergen bei einer Spezialeinheit der US-Army, sagt ihnen, was er in den vergangenen Jahren erfahren hat und verschwindet wieder. Seitdem haben seine Vorgesetzten nichts mehr von ihm gehört.
Heute, zehn Jahre nachdem er seinen gefährlichen Undercover-Einsatz begann, ist er Muslim. Außerdem hat er in zahlreichen Kämpfen langsam den Respekt und das Vertrauen der Al-Kaida-Führungsspitze erworben. Wells wird zu einem Treffen mit Aiman al-Sawahiri, Bin Ladens Stellvertreter, gebracht. Er erhält den Auftrag, zurück in die USA reisen, sich eine Tarnexistenz aufzubauen und auf seinen Einsatzbefehl, der ihn via E-Mail erreichen soll, zu warten.
In den Vereinigten Staaten genießt er nach langen Jahren in den afghanischen Bergen seine ersten Tage als freier Mann. Da verübt Al-Kaida-Planer Omar Khadri, als Auftakt für eine Anschlagserie, in Los Angeles zwei Bombenattentate.
Wells meldet sich bei Exley. Doch die CIA hält ihn inzwischen für einen Überläufer. Also flüchtet Wells aus dem CIA-Schutz, der eigentlich eine kaum verhüllte Haft ist, und taucht unter. Er weiß, dass er seine Vorgesetzten nur überzeugen kann, indem er den Anschlag verhindert und Khadri überführt.
Zwischen Wells Suche nach Khadri, was eigentlich eher ein Warten im Untergrund auf das vereinbarte Signal und ein mühsames Wiederanpassen an den amerikanischen Lebensstil ist, fügt Berenson spannungssteigernd die Vorbereitungen von Al Kaida für den großen Anschlag und die weltweite Suche der CIA nach Al-Kaida-Gefolgsleuten ein. Diese Erzählstränge führt Berenson teilweise genauer aus, als es für den reinen Fortgang der Geschichte notwendig wäre. So stellt er die Täter und einige der Opfer des ersten Doppelanschlages in Los Angeles vor und bringt sie dann um. Oder er erzählt über viele Seiten von einer Militärpatrouille in Bagdad, die eher zufällig einen wichtigen Al-Kaida-Mann verhaftet und wie dieser anschließend in einem Geheimgefängnis gefoltert wird. Aber Berenson präsentiert diese Szenen so kurzweilig, dass der sich in diesen Moment nur langsam fortbewegende Plot kaum auffällt. Denn in diesen Leseminuten werden die Opfer und Täter zu Menschen. Gleichzeitig vermittelt der New-York-Times-Reporter, als integralen Teil der Geschichte, viele Fakten über Al Kaida, B- und C-Waffen, den Geheimdienstapparat und den Antiterrorkampf der USA.
Alex Berenson zeichnet in seinem Debüt „Kurier des Todes“ im Gewand eines spannenden Thrillers das beklemmende Porträt eines schmutzigen Krieges, der nichts mehr von der Beschaulichkeit des Kalten Krieges hat. Berenson gehört damit zur neuen Garde von Agententhrillerautoren, die mit glaubhaften Geschichten ein Bild der aktuellen internationalen Politik zeichnen, in dem die Frage nach dem richtigem und falschem Handeln komplexer behandelt wird und die Antworten weniger eindeutig als vor zwanzig Jahren sind.
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Alex Berenson: Kurier des Todes
(übersetzt von Elisabeth Parada Schönleitner)
Heyne, 2008
512 Seiten
8,95 Euro
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Originalausgabe
The Faithful Spy
Random House, 2006
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