
Michael Tsokos ist ein richtiger Spielverderber. Bereits auf den ersten Seiten seines Sachbuchs „Dem Tod auf der Spur“ verweist er all unser TV-erprobtes Wissen über Gerichtsmediziner in das Reich der Legenden.
Denn sie nehmen die Obduktion nicht mit Taschenlampen oder in dunklen Obduktionssälen vor, hören dabei keine laute Musik (je nach Alter: Punk, Rock oder Klassik, aber nie Volksmusik), sie lagern ihre Brötchen nicht bevorzugt neben entnommen Organen und sie sind keine spleenige Gesellen mit einem makaberen Humor, sondern sie sind ganz normale Menschen, die an ordentlich ausgeleuchteten Arbeitsplätzen arbeiten.
Auch ihre Fälle sind eher nicht CSI-spektakulär.
Die meisten der von Tsokos in „Dem Tod auf der Spur“ geschilderten zwölf Fälle, in die er als Gerichtsmediziner involviert war, sind, entsprechend der Häufigkeit der nicht-natürlichen Todesursachen, Suizide und tödlich verlaufende Unfälle. Zum Beispiel wenn jemand mit einer brennenden Zigarette einschläft oder betrunken durch die Winternacht stolpert.
Sie werden bei jedem Tod, der auf den ersten Blick kein alters- oder krankheitsbedingtes Ableben ist, gerufen. Dann müssen die Gerichtsmediziner herausfinden, wie der Tote gestorben ist. Tsokos schildert nüchtern, wie sie bei einer Obduktion die einzelnen Spuren zu einem Bild formen. Dabei gibt es auch bei scheinbar klaren Fällen, wie dem Tod der siebenjährigen Jessica, immer wieder Überraschungen. Als sie starb war sie schwer unterernährt. Die erste Vermutung war, dass sie verhungerte. Aber die Obduktion ergab, dass sie an ihrer letzten Mahlzeit starb.
Selbstverständlich schildert Michael Tsokos, der Leiter des Instituts für Gerichtsmedizin der Charité und des Landesinstituts für gerichtliche und soziale Medizin in Berlin, in seinem locker geschriebenen Buch auch einige Fälle, die CSI-würdig sind.
Da gibt es einen tödlich verlaufenden Jagdunfall, bei dem die Spuren zunächst in alle Richtungen deuten. Oder ein fahrendes Auto explodiert auf einer Landstraße. Auf dem Rücksitz ist ein Toter, aber von dem Fahrer fehlt jede Spur. Ein anderer Autofahrer wird, ebenfalls auf einer Landstraße, enthauptet in seinem Auto gefunden. Und es gibt auch eine Variation der Geschichte des Mannes, der vom Himmel fiel.
Neben den reinen Fällen beschreibt Tsokos auch, wie eine Obduktion vonstatten geht. Er liefert Hintergrundinformationen über die verschiedenen Todesarten. Er erzählt, eher knapp, wie die verschiedenen forensischen Wissenschaftler und die ermittelnden Polizisten zusammenarbeiten und was die moderne Wissenschaft zur Aufklärung von Verbrechen leisten kann.
Denn die Quantensprünge in der Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten haben auch dazu beigetragen, dass es heute Serien wie „CSI“ gibt, in denen nicht mehr die Arbeit von Polizisten, sondern die von Wissenschaftlern im Mittelpunkt steht.
Und so schließt sich der Kreis: die Innovationen in der Wissenschaft führen zu populären TV-Serien, die wiederum das Interesse an Sachbüchern darüber befördern und so die Erkenntnisse aus der Wissenschaft auch einem Nicht-Fachpublikum zugänglich machen.
Michael Tsokos (unter Mitarbeit von Veit Etzold und Lothar Strüh): Dem Tod auf der Spur – Zwölf spektakuläre Fälle aus der Rechtsmedizin
Ullstein, 2009
240 Seiten
8,95 Euro
–
Hinweise
Berliner Zeitung: Interview mit Michael Tsokos (6./7. Juni 2009)
Seite des Instituts für Rechtsmedizin der Charité
Seide des Landesinstituts für gerichtliche und soziale Medizin, Berlin
[…] einigen Tagen erschien auch Fitzeks neuester Thriller „Abgeschnitten“, den er zusammen mit Michael Tsokos, dem Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Charité und des Landesinstituts für gerichtliche […]