
Otto Preminger drehte Klassiker und Publikumshits wie „Laura“, „Engelsgesicht“, „Fluss ohne Wiederkehr“, „Carmen Jones“, „Porgy und Bess“, „Anatomie eines Mordes“, „Exodus“, „Der Kardinal“ und „Bunny Lake ist verschwunden“. Er drehte während seiner fast fünfzigjährigen Karriere als Regisseur selbstverständlich auch einige Flops. Sein größter Flop ist wohl die absolut unwitzige Komödie „Skidoo – Ein Happening in Love“ (USA 1968). „Unternehmen Rosebud“ ist als absolut unspannender Thriller nicht viel besser. Die Story ist ein typischer Siebziger-Jahre-Polit-Thriller, der die Schlagzeilen aufnimmt und in einer klischeehaften Geschichte, in der palästinensische Terroristen fünf Millionärstöchter entführen und ein Söldner sie befreien soll, verbrät.
Was okay wäre, wenn Preminger die Story, nach einem hoffnungslos überladenem und konfusem Drehbuch von seinem Sohn Erik Lee (es ist das einzige von ihm verfilmte Buch), wenigstens flott erzählt hätte. Aber das tut er nicht.
In der ersten halben Stunde ist, außer der Entführung der fünf Hübschen und der Forderung der Terroristen an die einflussreichen Väter der Geisel, einen Film weltweit auszustrahlen, wenig geschehen und sowohl die Opfer als auch die Täter sind uns herzlich egal.
Erst dann betritt der Held der Geschichte, der Zeitungsjournalist und freischaffende Agent Larry Martin (Peter O’Toole) die Bühne und beginnt arg lustlos mit der Suche.
Peter O’Toole hatte die Rolle kurzfristig von Robert Mitchum übernommen, der sich während der Dreharbeiten hoffnungslos mit Otto Preminger zerstritt (aus ihren Erzählungen ist unklar, wer für den Bruch verantwortlich war). O’Toole, dessen Karriere damals auf dem Tiefpunkt war, porträtiert Larry Martin als einen eitlen, dandyhaften, ständig leicht angesäuselten Gockel. Aber vielleicht, immerhin war O’Toole damals als Partylöwe und ausdauernder Trinker bekannt, trockelte er einfach nur durch die Kulissen und fragte sich, was er hier verloren habe und warum er mehr in den Film investieren sollte, als die anderen Schauspieler.
Denn obwohl Otto Premiger mal wieder viele bekannte Schauspieler engagierte, sind ihre Leistungen durchgehend erschreckend schlecht. Bei den Millionärstöchtern, die von entsprechend jungen Schauspielerinnen, die primär wegen ihres Aussehens gecastet wurden, könnte das noch mit ihrer mangelnden Schauspielerfahrung entschuldigt werden. Wobei Isabelle Huppert inzwischen eine geachtete Schauspielerin ist und die damalige Debütantin Kim Cattrall immer noch gut im Geschäft ist. Von den anderen Film-Geiseln hat man nichts bemerkenswertes mehr gehört.
Aber auch erfahrene Schauspieler, wie Richard Attenborough, Claude Dauphin, Peter Lawford, Raf Vallone und Klaus Löwitsch, scheitern an den dünnen Charakterisierungen (soweit man davon sprechen kann), den peinlichen Dialogen und der abwesenden Regie.
Dummerweise lenkt das immer wieder den Blick auf die zahlreichen Löcher im Plot und, wenn man den Film als ganzes betrachtet, plötzlich verschwindenden Charakteren, im nirgendwo endenden Subplots und seltsamen erzählerischen Umwegen, die zwar Zeit kosten, unseren Helden Larry Martin nicht einen Schritt näher ans Ziel bringen, aber dafür einen Einblick in die rauhen Sitten auf französischen Polizeirevieren, der effizienten Arbeit der deutschen Polizei (garniert mit einigen Berlin-Bildern) und der noch effizienteren Arbeit der israelischen Sicherheitsbehörden, die den besten Computer auf der Welt haben, geben.
So wird in den ersten Minuten gezeigt, wie ein Mann im Versteck der Terroristen seine kranke Frau pflegt. Dass die Terroristen gerade in so einer Wohnung, auch wenn sie einsam gelegen ist, ihre Geisel verstecken wollen, ist nicht gerade logisch. Und wenn dann eben dieses Pärchen nicht wieder auftaucht, fragt man sich, warum sie überhaupt so groß eingeführt wurden.
Oder wenn die Geisel sich für eine Videoaufnahme ausziehen müssen, erwartet man natürlich (immerhin ist der Film von 1975) einen Blick auf den nackten Busen. Den gibt es für die FKK-Fanatiker unter den Zuschauern nicht, aber vielleicht sollte auch nur gezeigt werden, was für schäbige Gesellen die Terroristen sind. Danach sind sie jedenfalls auffallend desinteressiert an den Reizen ihrer Geisel, die ihre Gefangenschaft als eine Art Schullandheimaufenthalt mit Putzdiensten und gemeinsamen Singen verbringen.
Oder wenn die Entführer ihre erste Geisel freilassen. Sie inszenieren für sie im Hinterhof ihrer Villa eine unglaublich lange Reise. Aber dann lassen sie sie einige Meter von ihrer Villa frei und, obwohl sie scheinbar an alles gedacht haben, haben sie vergessen, dass man auf einer Insel die Ankunft eines Flugzeugs ziemlich einfach mitbekommt. Es wäre sowieso viel einfacher gewesen, die Hübsche einfach zu betäuben und an irgendeiner Landstraße auszusetzen. Dann wäre ihr auch nie aufgefallen, dass sie gar nicht in einem richtigen Flugzeug war.
Undsoweiterundsofort.
Dass bei diesem Desaster auf erzählerischer und schauspielerischer Ebene „Unternehmen Rosebud“ nicht nur als „Thriller“, sondern auch als „Polit-Thriller“ und „Actionfilm“ versagt, wundert kaum noch. Denn die schlecht choreographierten Action-Szenen werden bereits fast vollständig im Trailer gezeigt und die politische Dimension ist mit Diskursen auf Pennäler-Niveau vorgeschoben. Wobei gerade diese klischeehafte politische Dimension aus heutiger Sicht noch das interessanteste an diesem Stinker ist. Denn sie bieten einen unverfälschten Blick auf die damaligen Diskurse zwischen Kapitalismuskritik, Palästina-Israel-Feindschaft und dem internationalem Terrorismus. Das ist zwar platte Kolportage, aber halt die Kolportage von 1975.
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Unternehmen Rosebud (Rosebud, USA 1975)
Regie: Otto Preminger
Drehbuch: Erik Lee Preminger, Marjorie Kellogg (ungenannt)
LV: Paul Bonnecarrere, Joan Hemingway: Rosebud, un chantage qui bouleverse le monde, 1973 (Unternehmen Rosebud)
Mit Peter O’Toole, Richard Attenborough, Cliff Gorman, Claude Dauphin, John V. Lindsay, Peter Lawford, Raf Vallone, Adrienne Corri, Amidou, Isabelle Huppert, Kim Cattrall (Debüt), Klaus Löwitsch
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DVD
Euro Video
Bild: 2,35:1 (16:9 anamorph)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0 Mono)
Untertitel: –
Bonusmaterial: Trailer, Wendecover
Länge: 121 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
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Hinweise
Wikipedia über „Unternehmen Rosebud“ (deutsch, englisch)
Turner Classic Movies über „Rosebud“
The Digital Fix über „Rosebud“
IndieWire über die Filme von Otto Preminger
Otto Preminger in der Kriminalakte
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