In der TV-Serie „Human Target“ war Christopher Chance ein menschliches Schutzschild, dem seine Arbeit gefiel und der von psychischen Problemen gänzlich unbelastet war. Ebenso in dem vor einigen Monaten erschienenem, von Len Wein geschriebenem „Human Target“-Abenteuer „Kopfgeld für den Paten“, das auf der TV-Serie basierte.
In dem jetzt veröffentlichtem Comic „Human Target“ ist das etwas anders. Denn Christopher Chance nimmt hier die Identität des mutmaßlichen Opfers mit Haut und Haaren an – und er beginnt deshalb auch an seiner eigenen Identität zu zweifeln.
Es handelt sich dabei um die beiden Geschichten „Human Target“ und „Human Target: Final Cut“ von Autor Peter Milligan und den Zeichnern Edvin Biukovic und Javier Pulido. Milligan nahm 1999 und 2002 in seinen Geschichten den von Len Wein und Carmine Infantino bereits 1972 erfundenen Charakter, der damals vor allem in „Mission: Impossible“-artigen Geschichten auftrat, und fragte sich, was es für einen Menschen wirklich bedeutet, so sehr in die Haut eines anderen Menschen zu schlüpfen, dass sogar deren besten Freunden und Ehefrauen die Veränderung nicht auffällt.
In der ersten Geschichte des jetzt erschienenen Sammelbandes „Human Target – Band 1“, nimmt Chance in Los Angeles die Identität des afroamerikanischen Predigers Earl James an, der in seinem Viertel gegen die Crack-Lords kämpft und seine Gemeinde zum Kampf gegen die Drogen mobilisieren will. Dass er sich damit auf die Todesliste der Drogenhändler gesetzt hat, muss wohl nicht extra erwähnt werden.
Gleichzeitig ist ein Killer auf Christopher Chance angesetzt – und, hier wird Peter Milligans Geschichte von einer 08/15-Actiongeschichte zu einem komplexen Drama über Identität und Persönlichkeit. Denn Chance fragt sich immer stärker, wer er ist und wie er mit den verschiedenen Identitäten, die er in den vergangenen Jahren eingenommen hat, umgeht. Denn Chance spielt nicht den Charakter, für den er das menschliche Schutzschild ist, sondern er wird zu diesem Menschen und dagegen ist ein Undercover-Einsatz ein Spaziergang.
In „Final Cut“ soll Chance für den Hollywood-Millionär Frank White dessen entführten Sohn Ronan, einen dreizehnjährigen Kinderstar, finden. Chance nimmt dabei auch die Identität von Frank White an. Er entdeckt, wie es sich für eine Krimi-Geschichte gehört, einige Familiengeheimnisse, etwas Schmutz in Hollywoods Hinterhöfen und er findet etwas, das er bisher noch nicht erlebt hat: die wahre Liebe. Dummerweise in seiner Tarnidentität.
Gerade dieser Blick auf die seelischen Nöte von Christopher Chance ist der spannende Aspekt der beiden Geschichten.
–
Peter Milligan (Autor)/Edvin Biukovic (Zeichner)/Javier Pulido (Zeichner): Human Target – Band 1
(übersetzt von Claudia Fliege und Gerlinde Althoff)
Grandiose spielfilmlange Doku, in der Werner Herzog seine Zusammenarbeit mit Klaus Kinski reflektiert. Sie verband über fünf Filme eine innige und sehr produktive Hassliebe. Denn „Aguirre, der Zorn Gottes“, „Nosferatu“, „Woyzeck“, „Fitzcarraldo“ und „Cobra Verde“ sind Klassiker des Neuen Deutschen Films (auch wenn sie nicht unbedingt in Deutschland entstanden) und in jedem Fall gehören sie zu ihren besten Arbeiten.
Mit Werner Herzog, Klaus Kinski, Claudia Cardinale, Mick Jagger, Eva Mattes, Thomas Mauch, Maximilian Schell
Ebenfalls gut ist die Verfolgungsjagd aus „French Connection“. Hier gibt es einige Ausschnitte aus der Verfolgungsjagd und die Beteiligten erzählen, wie die Szene entstand:
JAMES BOND: Goldfinger (GB 1964, R.: Guy Hamilton)
Drehbuch: Richard Maibaum, Paul Dehn
LV: Ian Fleming: Goldfinger, 1959
Goldfinger (Gert Fröbe) will Fort Knox ausräumen. James Bond (Sean Connery) hat etwas dagegen.
Mit „Goldfinger“ hatte sich James Bond endgültig im Kino etabliert und der Presserummel bei „Feuerball“ und „Man lebt nur zweimal“ war gigantisch. Ebenso die Zahl der mehr oder weniger missglückten Kopien in Buch und Film. Da scheint der heutige Rummel um „Harry Potter“/“Herr der Ringe“/“Krieg der Sterne“/“Matrix“ ein Klacks zu sein.
Mit Sean Connery, Gert Fröbe, Honor Blackman, Shirley Eaton, Harold Sakata, Bernard Lee, Lois Maxwell
LV: Jim Thompson: The Grifters, 1963 (Muttersöhnchen, Die Abzocker)
Roy Dillon schlägt sich als kleiner Trickbetrüger mehr schlecht als Recht durch. Als er an eine größere Menge Geld kommt, haben seine Freundin Mary und seine Mutter Lilly plötzlich Interesse an ihm; besonders an dem Geld.
Der potentielle Klassiker basiert auf einem der besten und düstersten Bücher von Thompson. Westlake schrieb ein grandioses Drehbuch, und das gesamte Team (es wäre wirklich unfair, eine einzelne Person herauszuheben) gab ihr bestes. „The Grifters ist ein starkes Stück Kino, ein Krimi, der seinen Alptraum formvollendet präsentiert.“ (Fischer Film Almanach)
Mit Anjelica Huston, John Cusack, Annette Bening, Pat Hingle, Charles Napier, J. T. Walsh, Xander Berkeley
Zehn Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs kehrt der US-Amerikaner Michael Rogan nach Deutschland zurück. Er will die sieben Männer ermorden, die kurz vor Kriegsende seine schwangere Frau folterten und töteten, ihn ebenfalls monatelang folterten und im Innenhof des Münchner Justizpalastes für tot zurückließen.
Mit dieser Prämisse beginnt Mario Puzos lange nicht mehr erhältlicher und jetzt erstmals ins Deutsche übersetzter Krimi „Sechs Gräber bis München“. Als der Roman zum ersten Mal, zwei Jahre vor seinem Bestseller „Der Pate“ (The Godfather) erschien, stand auf dem Cover „Mario Cleri“, ein Pseudonym, das er aus seinem Vornamen und einer Kurzform von Clericuzio, dem Name seiner Mutter nach ihrer zweiten Ehe, zusammengefügt und das er bereits für „True Action“ für Zweiter-Weltkrieg-Geschichten benutzt hatte. „Sechs Gräber bis München“ war damals dann auch einer von abertausend Pulp-Romanen, die vom Publikum schnell gelesen und oft auch ebenso schnell vergessen wurden. Jedenfalls hatte Mario Puzo zu seinen Lebzeiten kein Interesse an einer Wiederveröffentlichung. An der literarischen Qualität, ohne „Sechs Gräber bis München“ jetzt zu einem literarischem Meisterwerk hochstilisieren zu wollen, kann es nicht gelegen haben.
Denn „Sechs Gräber bis München“ ist ein kleiner, geradliniger Rachethriller, der nie mehr sein will als spannende, schnörkellos geschriebene Unterhaltung für einige Stunden. Und das gelingt Mario Puzo mit seiner Geschichte über Michael Rogan, der der Reihe nach seine Folterer in Hamburg, Berlin, Sizilien, Budapest und München umbringt, sich bereits in Hamburg in eine Prostituierte, die nach dem Krieg in einer Irrenanstalt war, verliebt und dem US-Geheimdienst ins Geschäft pfuscht. Denn dieser hat, ebenso wie die deutsche Regierung, kein Problem damit, in dem neuen Deutschland Nazis und Folterer zu beschützen und ihnen auch hohe Posten anzubieten. So ist Rogans letztes Opfer Oberster Richter im Justizpalast und er steht am Beginn einer sehr verheißungsvollen politischen Karriere.
Diese politische Dimension vertieft Puzo nicht weiter. Ebenso beschränkt sich das Zeitkolorit der 1955 spielenden Geschichte auf einige sehr austauschbare Beobachtungen.
Aber Pulp-Fans haben sich noch nie für epische Landschaftsschilderungen interessiert. Sie wollen Spannung, Sex und eine ordentliche Portion Gewalt – und all das bietet Mario Puzo in „Sechs Gräber bis München“. Immerhin will Rogan sechs Menschen in verschiedenen Städten umbringen und er hat dafür nur knappe zweihundert Seiten.
Und das macht die „Sechs Gräber bis München“ in Zeiten backsteindicker Bücher definitiv zum absolut empfehlenswertem Scheiß.
Die Prostituierte Kelly will ein einer All-American-Kleinstadt ein neues Leben beginnen. Aber diese heile Welt ist gar nicht so heil.
Ein kleiner Noir-Klassiker der etwas anderen Art. Denn ein guter Film ist „Der nackte Kuss“ nicht. Ein bizarrer, ein irritierender, ein teils langweilender, teils beunruhigender und polarisierender Film ist „Der nackte Kuss“ schon; – mehr dazu in meiner ausführlichen Besprechung des „nackten Kusses“.
mit Constance Towers, Anthony Eisley, Michael Dante, Virginia Grey, Patsy Kelly, Marie Devereux
Als John Frankenheimer 1960 „Die jungen Wilden“ drehte, wollte er vor allem zeigen, dass er als Live-Television-Director auch einen Spielfilm drehen konnte. Und zwar, wie auch die anderen Live-Television-Regisseure, die damals in Hollywood ihre zweite Karriere begannen (unter anderem Arthur Penn, Sidney Lumet, Norman Jewison und George Roy Hill), mit einem Film, der auch etwas zu sagen hatte. Also kein Musical, keine launige Komödie, sondern ein Drama, das etwas über die Gesellschaft aussagt und dies mit einer liberalen Position verknüpft. Da bot sich ein Film über die Jugendkriminalität und die Bandenkriminalität an.
In „Die jungen Wilden“ erstechen in Spanish Harlem drei italienische Jugendliche (sie sind 15, 16 und 17 Jahre alt) tagsüber auf offener Straße einen blinden puerto-ricanischen, fünfzehnjährigen Jungen. Staatsanwalt Hank Bell (Burt Lancaster), der aus dem gleichen Viertel wie die Mörder kommt, will ein Exempel statuieren. Er war früher sogar mit der Mutter von dem jüngsten Täter liiert. Ihm gelang dann der Weg aus dem Ghetto. Er glaubt, dass die Menschen sich für ihre Taten verantworten müssen und er weiß, dass diese Jugendlichen und ihre Bewunderer nur eine Sprache verstehen. Auch wenn es bedeutet, dass sie dafür auf den elektrischen Stuhl müssen.
Sein Vorgesetzter, District Attorney Daniel Cole, der für das Amt des Gouverneurs kandidiert, unterstützt ihn bei dieser harten Linie.
Aber als Bell sich mit den Hintergründen der Tat beschäftigt, entdeckt er, dass das Opfer nicht so harmlos war, wie man auf den ersten Blick vermutet, und die Täter nicht die blutgierigen Bestien sind, als die sie anfangs erschienen.
Frankenheimer drehte den Film hauptsächlich vor Ort. Wegen der hohen Kosten für zwei Crews war ein gesamter Dreh in New York nicht möglich, aber die Innenausstattung wurde detailgetreu in Hollywood nachgebaut und so fühlt sich der Film von der ersten bis zur letzten Minute authentisch, in vielen Momenten fast schon wie ein Dokumentarfilm an.
Der Mord bietet Frankenheimer die Gelegenheit, sich mit den damals entstehenden Straßengangs, die sich an den unterschiedlichen Ethnien orientierten, dem alltäglichem Rassismus, der Politik, der zwiespältigen Rolle der Presse und den sozialen und psychologischen Hintergründen der Tat und was sie für die von ihr Betroffenen bedeutet, zu beschäftigen und so auch ein Sittenbild der damaligen Gesellschaft zu zeigen. Dabei gibt es etliche Szenen, die für das damalige Publikum sicher verstörend waren: die drastisch gezeigte Gewalt, die Herrschaft der Straßengangs über das Viertel, die Rede der Mutter gegenüber Cole und Bell während der Beerdigung und das Geständnis eines Mädchens vor Gericht,, dass sie als Prostituierte das Geld für die Familie verdient. Filmisch gibt es auch immer wieder beeindruckende Szenen: wenn Frankenheimer in den ersten Filmminuten die drei Jugendlichen zu ihrer Tat verfolgt, die Tat teilweise in einer Sonnenbrille gezeigt wird (was auch eine Hommage an Alfred Hitchcocks „Der Fremde im Zug“ ist), die immer wieder in extremer Untersicht aufgenommenen Schauspieler und natürlich deren überzeugendes Spiel. Nicht nur bei den Profis, sondern auch bei den jungen Schauspielern und den Laien. Das alles zeigt, dass John Frankenheimer bei seinem zweiten Spielfilm genau wusste, was er tat.
„Die jungen Wilden“ war ein bei den Kritikern und in dem städtischen Publikum, das in dem Film, der auf einem wahren Fall basierte, ihnen vertraute Probleme erkannte, ein Erfolg. Mit Burt Lancaster, der damals ein großer Star war und auch einen Regisseur feuern konnte, drehte John Frankenheimer direkt danach „Der Gefangene von Alcatraz“ (Birdman of Alcatraz) und später „Sieben Tage im Mai“ (Seven Days in May), „Der Zug“ (The Train) und „Die den Hals riskieren“ (The Gypsy Moths).
Frankenheimers Karriere in den folgenden über vierzig Jahren war wechselhaft. So drehte er Flops, wie das gruselige „D. N. A. – Experiment des Wahnsinns“ (The Island of Dr. Moreau), bei dem er die Regie von Richard Stanley übernahm. Aber auch etliche Klassiker, wie „Botschafter der Angst“ (The Manchurian Candidate), „Grand Prix“, „French Connection II“, „Schwarzer Sonntag“ (Black Sunday), „52 Pick-Up“ und „Ronin“.
Auch „Die jungen Wilden“ gehört in diese Reihe.
Andere Meinungen
„In der Milieuzeichnung glaubhaft und kompromisslos, in der Charakterisierung der Figuren jedoch zu vordergründig.“ (Lexikon des internationalen Films)
„It is a tribute to his skill that this narrative, so overcrowded on paper, never seems, on film contrived and complacent in its social concerns. It is not easy to keep all the threads running evenly throughout this broad tapestry of poverty, violence and despair, but the director has managed this so skilfully, and not at all episodically, that events and characters seem consistently believable.“ (Gerald Pratley: The Films of Frankenheimer, 1998)
„Ein exzellentes Drama um Jugendkriminalität.“ (TV Spielfilm: Das große Filmlexikon, 2006)
Die jungen Wilden (The Young Savages, USA 1960)
Regie: John Frankenheimer
Drehbuch: Edward Anhalt, J. P. Miller
LV: Evan Hunter: A matter of conviction, 1959 (später auch “The Young Savages”, deutscher Titel “Harlem Fieber”)
Mit Burt Lancaster, Dina Merrill, Shelley Winters, Edward Andrews, Vivian Nathan, Larry Gates, Telly Savalas (in seinem Spielfilmdebüt und dann, lange vor “Kojak”, schon gleich als Kriminalpolizist)
–
DVD
Euro Video
Bild: 16:9 (1.77:1)
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0)
Untertitel: –
Drehbuch: Bruno Tardon, Patrick Dewolf, Patrice Leconte, Michel Blanc
Zwei flüchtige Verbrecher wollen ein Kasino ausrauben.
Damals gefiel mir im Kino der französische Kassenhit, der auch in Deuschland im Kino von fast 350.000 Leuten gesehen wurde (Platz 48 der 1985er Besucherstatistik).
Heute immer noch? Ich denke schon, denn: „Ein originelles Drehbuch, flotte Regie und gute Darsteller heben diesen Film über das Mittelmaß der meisten Actionstreifen hinaus.“ (Fischer Film Almanach 1986)
Leconte drehte später die Georges-Simenon-Verfilmung „Die Verlobung des Monsieur Hire“, „Der Mann der Friseuse“, „Die Frau auf der Brücke“ und „Die Witwe von Saint-Pierre“.
mit Bernard Giradeau, Gérard Lanvin, Christiane Jean, Maurice Barrier, Bertie Cortez
Beginnen wir mit dem Positiven: Ryan Reynolds. Er spielt die Rolle des wagemutigen Jetpiloten Hal Jordan, der zu einem Green Lantern (bleiben wir beim englischen Begriff, denn „Grüne Laterne“ klingt doch etwas dämlich) wird, mit dem nötigen Augenzwinkern. So, als würde er sagen: „Ich weiß, dass das ein vollkommen kindischer Film ist, aber lass uns einfach eine gute Zeit haben.“
Doch es hilft nichts. Denn letztendlich stimmt nichts an dem Film.
Das beginnt schon mit der 3D-Optik, die dazu führt, dass die Tricktechnik um Jahrzehnte zurückgeworfen wird. Die Wächter, die fremden Welten, die Kämpfe: alles sieht nach billigster Computeranimation und Videogame aus dem letzten Jahrzehnt aus. Dass es besser geht, zeigte George Lucas schon damals in seinen letzten drei „Krieg der Sterne“-Filmen. So gibt es vor sechs Jahren in „Star Wars: Episode III – Die Rache der Sith“ eine Totale von einer Zukunftsstadt, bei der man den Eindruck hat, dass man eine echte Stadt sieht (und im Kino, bei den Dialogen, immer wieder herzhaftes Gelächter).
In „Green Lantern“ denkt man dann, weil die Tricks durchgehend mies sind, an einen schlampig gezeichneten Trickfilm. Vor allem, wenn Hal Dinge aus dem Nichts erschafft, die dann auch so ein ekliges Chemiegrün haben: zuerst auf dem Planeten Oa, wo das Green Lanterns Corps (eine Art galaktische Friedenstruppe) sich versammelt hat. Da gibt es dann einen Schwertkampf mit aus Gedankenkraft erschaffenen Schwertern, der schon stark an die „Krieg der Sterne“-Lichtschwerter erinnert. Später, wenn Hal auf der Erde einen abstürzenden Hubschrauber in ein Auto umdenkt und über eine erfundene grüne Brücke fahren lässt oder wenn er immer wieder supergroße grüne Wummen erfindet, wird es nicht besser.
Wenn es dann 3D-Aufnahmen von Räumen gibt, fehlt in den Räumen (wobei es im Weltall und auf fremden Planeten sowieso einige Probleme mit den Dimensionen gibt) und, erstaunlich oft, bei den Gesichtern das gewohnte räumliche Empfinden. Die Schauspieler sehen dann wie Scherenschnitte aus; was einen selbstverständlich aus der Wirklichkeit des Films reißt.
Die Story folgt grob und erstaunlich holprig der üblichen Superheldengeschichte, die wir in den vergangenen Jahren gefühlte Tausendmal gesehen haben: Held ist ein Niemand; Held wird zum Superhelden auserkoren (von Spinnenbiss über Unfall in den afghanischen Bergen hin zu selbstauferlegter Mission); Held trainiert seine neuen Fähigkeiten; Held bewährt sich im Kampf gegen den großen Bösewicht und er nimmt seine gesellschaftliche Verantwortung als Superheld für die kommenden Fortsetzungen (wenn das Einspielergebnis stimmt) an.
Immerhin hat in „Green Lantern“ der Held keine Probleme damit, der Auserwählte zu sein. Er nimmt diese Aufgabe fast schon schulterzuckend, so als ob er einfach ein neues Computerspiel ausprobieren würde, an.
Und erkennbare psychische Probleme hat er auch nicht. Das macht ihn, gegenüber den mit psychologischem Ballast aufgeblasenen anderen Kino-Superhelden, sehr sympathisch.
In „Green Lantern“ wird diese Initiationsgeschichte des Helden eher unlustig, aber immerhin unter zwei Stunden, mit einigen ausgesprochen dümmlichen Dialogen (wenn Hal den anderen Green Lanterns erklärt, dass man sich seiner Furcht stellen müsse und dass wir Menschen so toll sind, weil wir uns unseren Ängsten stellen) und erstaunlich konfus abgehandelt. Der Bösewicht ist einerseits Hector Hammond (Peter Sarsgaard), der nachdem er einen Tropfen Blut von Parallax in sich aufnimmt, selbst zum Monster mutiert (Hm, warum wird er böse, während die Green Lanterns starben?), andererseits Parallax, das unglaublich lang auf einem unglaublich fernem Planetem eingesperrte ultimative Böse; ein gelbes, zähnefletschendes Monstrum, das riesengroß ist, einige Green Lanterns verschlingt und tötet, später einige Menschen brutzelt und von Hal in einem unglaublich kurzem Endkampf ziemlich profan getötet wird.
Und damit wären wir bei den Action-Szenen. Genauer wohl Post-Action-Szenen. Denn in einer traditionellen Action-Szene sehen wir die Schauspieler und Stuntmänner bei der Arbeit und wie sie sich in Gefahr begeben. Es gibt die Verfolgungsjagd in „French Connection“, die Verfolgungsjagden und Kämpfe in den James-Bond-Filmen (den letzten Bond-Film lassen wir mal weg), die Kämpfe in den Filmen von Jackie Chan, die Zerstörungsorgie in „Terminator 3“, wenn die Filmemacher einen gesamten Straßenzug zerstören.
In einem Post-Action-Film sind die Action-Szenen dagegen so zerschnippselt, dass man die Action gar nicht mehr verfolgen kann und man im schlechtesten Fall den Eindruck hat, dass man die Szene auch gleich selbst spielen könnte. Wenn die Action nicht im Schnittgewitter untergeht, ist sie so übertrieben, dass man sofort merkt, dass sie im Studio vor einem Green Screen und im Computer entstand. Die Folge: Langeweile, weil wir nicht mehr emotional in die Kämpfe involviert sind.
Diese Post-Action-Szenen sind in „Green Lantern“ reiner Selbstzweck. Pubertäre Kloppereien, die nicht länger im Gedächtnis bleiben. Denn in einer guten Action-Szene zeigt sich der unterschiedliche Charakter der Kämpfenden. Deshalb können gute Action-Szenen, weil sie die Geschichte voranbringen, wie zuletzt in Takashi Miikes „13 Assassins“, ohne zu langweilen, gute fünfzig Minuten dauern.
In „Green Lantern“ erfahren wir dagegen in den Kämpfen nichts über die einzelnen Charaktere. Entsprechend gelangweilt erleben wir die Kloppereien auf fremden Planeten, im Weltraum und auch auf der Erde.
Ach, es ist zum Haare raufen. Denn was wäre bei dieser Besetzung und bei dem Budget von 200 Millionen Dollar (offizielle Angabe, wobei ein guter Teil sicher in der Entwicklungshölle verschwunden ist) drin gewesen. Martin Campbell hat den TV-Klassiker „Edge of Darkness“ (Am Rande der Finsternis) gedreht und mit seinem zweiten James-Bond-Film „Casino Royale“ einen tollen Bond-Reboot gemacht. Peter Sarsgaard hat in den vergangenen Jahren seine Vielfältigkeit als Schauspieler gezeigt. Mark Strong scheint in jedem angesagten Film dabei zu sein. In „Green Lantern“ erkennt man sie unter ihren Masken kaum. Tim Robbins ist fast verschenkt und Angela Bassett; – nun, sie ist auch dabei, aber sie überlebt den Film nicht. Glaube ich jedenfalls. Denn das war im Schnitt nicht so klar. Der ist von Stuart Baird; ein Altmeister mit zwei Oscar-Nominierungen und eigenen Regieerfahrungen bei den Thrillern „U. S. Marshals“ (Auf der Jagd) und „Executive Decision“ (Einsame Entscheidung).
Und James Newton Howard schrieb einen verdächtig nach einer schlechten „24“-Kopie klingenden Soundtrack.
Die Drehbuchautoren Greg Berlanti, Michael Green, Marc Guggenheim und Michael Goldenberg sind zwar vor allem aus dem Fernsehen bekannt. Aber mit „Everwood“, „Eli Stone“, „Smallville“, „No ordinary Family“ und „Heroes“ haben sie als Autoren und Erfinder nicht gerade bei den schlechtesten Serien mitgemischt. Und Goldenberg schrieb die Bücher für „Contact“ und „Harry Potter und der Orden des Phönix“.
Die wissen also schon, was sie tun. Nur in „Green Lantern“ zeigen sie nichts davon.
Denn bei einem Budget von 200 Millionen Dollar (und dem damit verbundenem sicheren Gewinn) darf man doch wohl erwarten, dass auch etwas Geld in die Geschichte gesteckt wird: in Charaktere, die uns wichtig sind, gute Dialoge und eine schlüssige Geschichte. Wenn das vorhanden ist, lieben wir die Action-Szenen und können auch schlechte Tricks verzeihen.
Green Lantern (Green Lantern, USA 2011)
Regie: Martin Campbell
Drehbuch: Greg Berlanti, Michael Green, Marc Guggenheim, Michael Goldenberg (nach einer Geschichte von Greg Berlanti, Michael Green, Marc Guggenheim)
LV: Comic-Charaktere von DC Comics
mit Ryan Reynolds, Blake Lively, Peter Sarsgaard, Mark Strong, Angela Bassett, Tim Robbins, Jay O. Sanders, Taika Waititi
Vengeance – Killer unter sich (Hongkong/Frankreich 2009, R.: Johnny To)
Drehbuch: Ka-Fai Wai
In Macao wird die Tochter des französischen Restaurantbesitzers Francis Costello in ihrer Wohnung schwer verletzt. Ihre Familie wird ermordet. Costello beschließt, die Täter zu stellen. Dabei helfen dem ehemaligen Profikiller einige Kollegen, die er zufällig im Hotel trifft.
Das ging aber schnell. Bereits wenige Monate nach der DVD-Premiere läuft Johnny Tos neuester Neo-Noir-Thriller im TV.
Mit „Vengeance“ zeigt Hongkong-Regisseur Johnnie To wieder einmal, wofür ihn Filmfans seitdem sie vor zehn Jahren seinen stilisierten Gangsterfilm „The Mission“ (Unbedingt ansehen!) sahen, lieben: schnörkelloses Genrekino mit stilvoll eingestreuten Zitaten und gerade in ihrer Reduktion grandiosen Actionszenen. Das ist in seiner Stilisierung pures Kino, das näher bei Jean-Pierre Melville als an der Wirklichkeit ist.
mit Johnny Hallyday, Sylivie Testud, Anthony Wong, Simon Yam
In der grandiosen BBC-Serie „Life on Mars“ landete der Polizist Sam Tyler (John Simm) nach einem Autounfall im Koma und erwachte 1973 in Manchester.
In dem noch besseren „Life on Mars“-Spin-off „Ashes to Ashes“ wird die Polizistin Alex Drake (Keeley Hawes) im heutigen London angeschossen und erwacht im Juli 1981 in London. Dort trifft sie auf die aus „Life on Mars“ bekannten Polizisten DCI Gene Hunt (Philip Glenister) und seine beiden Untergebenen Ray Carling (Dean Andrews) und Chris Skelton (Marshall Lancaster).
Alex Drake weiß sofort, auch weil sie sich als Polizeipsychologin mit dem Fall Sam Tyler beschäftigte, wo sie ist: im Koma und in Tylers Welt. Sie weiß, dass sie jetzt den Kampf gegen ihr Koma aufnehmen muss. Sie will wieder aufwachen. Dafür muss sie, so sagt sie sich, in ihrer Fantasie ein großes Rätsel lösen und alles, was sie wahrnimmt, sind Hinweise auf die Lösung. Das Rätsel ist die Ermordung ihrer Eltern mit einer Autobombe 1981. Wenn es ihr gelingt, den Anschlag zu verhindern, kann sie zurückkehren in die Gegenwart, ihr altes Leben und zu ihrer Tochter.
„Ashes to Ashes“ ist, wie gesagt, das Spin-off zu der erfolgreichen BBC-Serie „Life on Mars“. Aber, weil die Macher in dem Spin-off die Fantasiewelt komplexer und geschlossener gestalten, ist „Ashes to Ashes“ wesentlich besser als das dagegen doch etwas einfach gestrickte Original. Denn die Serienerfinder Matthew Graham und Ashley Pharoah setzen jetzt die in „Life on Mars“ bereits angelegte Welt wesentlich konsequenter um. „Life on Mars“ war, trotz der ziemlich durchgeknallten Idee, doch nur eine 70er-Jahre-Krimiserie mit einigen Irritationen. „Ashes to Ashes“ gibt sich vollkommen der Fantasiewelt der Protagonistin Alex Drake hin.
Denn weil Alex Drake weiß, dass das alles ihre Wahrnehmung ist, unterhält sie sich mit den anderen Charakteren, vor allem DCI Hunt und ihrer Mutter, auch ziemlich freimütig darüber – und diese finden nichts besonderes dabei. Im normalen Leben hätte man Drake dagegen schon nach dem ersten Gespräch in eine geschlossene Anstalt verwiesen.
Und, weil es ihre Fantasie ist, ist „Ashes to Ashes“ die Über-80s-Krimiserie, mit allen Klischees, die man aus diesen Serien kennt. Nur noch übertriebener: das gegensätzliche Buddy-Cop-Team, die dummen Kollegen, die als Treffpunkt fungierende Pizzeria, der Rassismus, die Homophobie, der Sexismus (wobei Alex Drake auch immer betont sexy, um nicht ’nuttig‘ zu sagen, herumläuft und die Fälle oft im Prostituiertenmilieu spielen oder es mindestens einen Hinweis auf das Milieu gibt [Was sagt uns das über Alex Drake und die 80er-Jahre-Krimiserien?]) und die fast schon allgegenwärtige Gewalt. Denn es vergeht kaum ein Verhör oder eine Festnahme, ohne dass der Verdächtige meistens grundlos geschlagen wird.
Weil „Ashes to Ashes“ 1981 spielt, sind die Siebziger auch noch präsent. Was vor allem aus TV-Seriensicht heißt: „The Sweeney“ (in England kennt die Serie jedes Kind, bei uns höchstens Insider; aber auch bei den „Füchsen“, so der deutsche Titel, artete eine Festnahme oft in eine veritable Schlägerei aus) und „Die Profis“. Die 80er waren dann „Miami Vice“ und die dort herrschende Betonung des Stils.
Stilvoll ist auch „Ashes to Ashes“. Die Sets sind einerseits als Fantasie von Alex Drake überstilisiert (so hat die Decke des Polizeireviers ein Schachbrettmuster), andererseits wurden die Wohn- und Bekleidungsmoden der frühen achtziger Jahre rekreiert und künstlich so überhöht, dass sogar „Miami Vice“ wie der schmuddelige Halbbruder von „Ashes to Ashes“ aussieht.
Dazu gibt es unzählige zeitgenössische Songs, die die Ereignisse und Gefühle der einzelnen Charaktere punktgenau kommentieren. Sie bilden den Soundtrack für die Zeit – und für die Gefühle von Alex Drake. Dieses Stilelement wurde in „Life on Mars“ kaum verwandt. Denn erst mit „Miami Vice“ wurden zeitgenössische Hits und Songs, die extra für die Serie geschrieben wurden (und dann zu Hits wurden), in einer TV-Serie populär. „Ashes to Ashes“ bedient sich bei den damaligen britischen Hits.
Und alle spielen einen kleinen Tick neben der Spur. Wie in einem Traum. Da ist es auch egal, dass Gene Hunts Audi Quattro 1981 noch gar nicht in England erhältlich war.
„Ashes to Ashes – Zurück in die 80er: Staffel 1“ ist eine in jeder Beziehung fantastische Krimiserie.
Die DVD
Bei uns wurde die von der BBC gekürzte internationale Version von „Ashes to Ashes – Zurück in die Zukunft: Staffel 1“ veröffentlicht. Das ist schade. Denn gerade in der englischen Sprachfassung kann man, dank Gene Hunt, sein Reservoir an Beleidigungen und Slangausdrücken gut erweitern.
Das Bonusmaterial bewegt sich im gewöhnlichen Rahmen. Das Making-of „Life after Mars“ ist informativ, vor allem wenn die Autoren und Produzenten reden, aber besteht insgesamt weitgehend aus den üblichen Lobhuddeleien. Die „Set Tour“ ist dagegen sehr informativ, weil die Production-Designerin Stevie Herbert erklärt, wie die Sets entstanden und warum sie sie so und nicht anders baute. In der „Car Explosion“ wird gezeigt, wie die Autoexplosion, in der die Eltern von Alex Drake sterben, entstand. Die „Outtakes“ (vor allem vom Dreh in der Schwulendisco [Yep, stellen Sie sich vor: Gene Hunt und seine beiden sehr heterosexuellen Kollegen ermitteln undercover in einer Schwulendisco]) und die „Deleted Scenes“ sind nette Beigaben.
Ashes to Ashes – Zurück in die 80er: Staffel 1 (Ashes to Ashes, GB 2008)
Der Wolf hetzt die Meute (USA 1984, R.: Richard Tuggle)
Drehbuch: Richard Tuggle
New-Orleans-Cop Wes Block jagt einen Prostituiertenmörder. Als eine Prostituierte, bei der er kurz vorher war, ermordet wird, vermutet er eine Beziehung zwischen ihm und dem Mörder. Er hält es sogar nicht für ausgeschlossen, selbst der Täter zu sein.
Als Zuschauer wissen wir in dem Regiedebüt des Drehbuchautors von „Flucht von Alcatraz“ (obwohl Eastwood im Hintergrund dann doch Regie führte) schon früh, dass sich Block in diesem Punkt irrt. Dennoch ist „Der Wolf hetzt die Meute“ (doofer deutscher Titel des wesentlich treffenderen Originaltitels „Tightrope“) ein spannender Psycho-Thriller, der die dunkle Seite von Dirty Harry erkundet, bei den Kritikern ziemlich gut ankam und an der Kasse erfolgreich war.
Im Rückblick ist „Der Wolf hetzt die Meute“ einer von Eastwoods besten Filmen aus den achtziger Jahren.
mit Clint Eastwood, Genevieve Bujold, Dan Hedaya, Alison Eastwood, Jennifer Beck
Dass Lars Arffssen mit „Verarschung“ die Bestseller „Verblendung“, „Verdammnis“ und „Vergebung“ von Stieg Larsson parodiert, dürfte auch dem Dümmsten sofort auffallen.
Larsson erzählt in seinen drei posthum erschienenen Krimis, wie der Enthüllungsjournalist Mikael Blomkvist und die Hackerin Lisbeth Salander das Unrecht in Schweden bekämpfen. Dabei decken sie Frauenverachtung, Frauenhass und staatsgefährdende Umtriebe zwischen Geheimdiensten und Verbrecherbanden bis in die höchsten Ebenen des Landes auf. Das ist moralisch honorig, aber nicht besonders gut geschrieben, absolut humorfrei und bestenfalls mäßig geplottet. Denn Larsson ergeht sich in den jeweils etwa 800-seitigen, anscheinend in einem Schreibrausch geschriebenen Werken in zahllosen, oft auch uferlosen und belanglosen Nebengeschichten, unwichtigen Details (kein Computer, ohne dass gleich das Datenblatt mitgeliefert wird; kein Gespräch, ohne dass gleich mehrere Tassen Kaffee getrunken werden), endlosen Wiederholungen und garniert das ganze mit einer pseudo-verschachtelten Struktur, die nur auf den ersten Blick gedankliche Tiefe vortäuschen kann. Das und der überwältigende Erfolg beim Publikum, denn die Bücher sind weltweit Bestseller, die schwedischen Verfilmungen waren ebenfalls kommerziell erfolgreich und in den USA hat David Fincher gerade das Remake von „Verblendung“ gedreht, forderten natürlich eine Parodie heraus und eigentlich ist nur verwunderlich, dass erst jetzt die „Verarschung“ (der deutsche Titel ist viel deutlicher als der US-Titel) von „Verblendung“, „Verdammnis“ und „Vergebung“ erscheint. In ihr ist, wie es sich für eine Parodie gehört, alles hoffnungslos übertrieben. Denn eine Parodie ist „eine verzerrende, übertreibende oder verspottende Nachahmung“ (Wikipedia).
Die Verzerrung und die Übertreibung gelingt Arffssen auch ziemlich gut. Die Verspottung nur, wenn man Spott nicht mit Lachen verwechselt. Denn wer die Larsson-Bücher „Verblendung“, Verdammnis“ und „Vergebung“ gelesen hat, wird in der Parodie auch viele bekannte Charaktere mit leicht geänderten Namen und Plotwendungen wiedererkennen. Lizzy Salamander ist, wieder einmal, inhaftiert, weil sie einen Mord begangen haben soll (siehe „Verdammnis“ und „Vergebung“). Mikael Blomberg soll für den Möbelkonzern UKEA den Mord an dem Sohn des Inhabers aufklären und sich mit der Nazi-Vergangenheit des Unternehmens beschäftigen (siehe „Verblendung“). Ein Irrer ermordet Rentiere – und alles hängt miteinander und mit der Familiengeschichte von Salamander zusammen (siehe alle Larsson-Bücher). Wenn Sie jetzt verwirrt sind, haben sie die Methode Larsson verstanden.
Gleichzeitig könnte „Verarschung“, auch weil die Geschichte zeitlich nach „Vergebung“ spielt, als vierter „Millennium“-Band durchgehen. Denn bis auf die astronomischen Minusgrade, den schonungslos übertriebenen Männerhass, der jeden Mord rechtfertigt und nur noch durch einige fiktive Gesetze getoppt wird, und Blombergs unglaubliche Anziehungskraft auf Frauen (nein, halt, das war schon so in der Vorlage), einige Übertreibungen (in Salamanders kleine Gefängniszelle wird ein unglaublich großer Computer geschmuggelt und niemand kümmert es) ist alles so, wie wir es aus den Larsson-Büchern kennen: eine absurde Geschichte, eine unglaubliche Detailversessenheit (kein Computer ohne genaueste Speicherangaben), unendlich langweilige Dialoge (gerne auch über Computer geführt), epische Subplots und unwitzige Witze.
Damit erschöpft sich der Witz von „Verarschung“ schon nach zehn Seiten. Der Rest nötigt etwas Bewunderung ab. Denn Arffssen trifft den Ton des Originals ziemlich gut – und damit könnte „Verarschung“, wenn man einige Übertreibungen herausnimmt, gut als viertes Abenteuer von Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander fungieren.
Als Parodie ist „Verarschung“ dagegen ziemlich in die Hose gegangen. Denn ich konnte nicht einmal Lachen. Noch nicht einmal lächeln.
LV: Sherman Alexie: The Lone Ranger and Tonto Fistfight in Heaven, 1993 (Regenmacher, Smoke Signals)
Extrem selten gezeigtes, mit zahlreichen Preisen ausgezeichnetes, absolut sehenswertes Roadmovie über zwei junge Indianer, die die Asche von Victors Vater in das Reservat bringen wollen.
„Ein Film, der lange weitergeht im Kopf und Lust aufs Leben macht.“ (Frauke Hanck, AZ, 3. Dezember 1998)
„I’d give it a B- in artistic terms and an A+ in political terms.“ (Sherman Alexie)
mit Adam Beach, Evan Adams, Irene Bedard, Gary Farmer
Nach dem Erfolg der ersten Staffel von „George Gently – Der Unbestechliche“ zögerte die BBC nicht lange und bestellte weitere, jeweils 90-minütige Filme, die inzwischen anscheinend alle nur noch auf dem von Alan Hunter erfundenem Charakter basieren. Aber am bewährten Rezept wurde nichts geändert: immer noch ermitteln Chief Inspector George Gently und sein deutlich jüngerer Kollege Detective Sergeant John Bacchus in Northumberland in den Sechzigern (die ersten vier neuen Fälle spielen 1964, die bislang letzten beiden Fälle 1966) und die gut ausgedachten Fälle stehen im Mittelpunkt der Filme. Das Privatleben kommt, zum Glück, kaum vor, und, wenn doch, hängt es auf nachvollziehbare Weise mit dem Fall zusammen.
In den Fällen, immerhin waren die Sechziger eine Zeit der großen Veränderungen, werden diese gesellschaftlichen Brüche und Umbrüche thematisiert. Einerseits fällt auf, wie viel sich in den vergangenen gut fünfzig Jahren, vor allem, auch weil sie in den sechs „George Gently“-Fällen immer wieder angesprochen wird, in der Sexualmoral, geändert hat. Andererseits fällt immer wieder auf, wie viel doch gleich geblieben ist.
Das liegt natürlich an den guten Drehbüchern von Peter Flannery, Mick Ford und Jimmy Gardner, die sich im Rahmen der Whodunit-Struktur auf genau diese Brüche stürzen.
In „Vergeltung“, dem schwächsten „George Gently“-Fall bislang, geht es um sexuellen Missbrauch in einem Kinderheim. Denn während in den anderen Filmen die Ermittlungen, das Zeitkolorit, die damaligen Konventionen und gesellschaftlichen Veränderungen (die sich teilweise nur zart andeuten) gut miteinander verbunden sind, finden die Macher bei „Vergeltung“ nie die richtige Mischung. Alles wirkt unkonzentriert und hastig. Dazu passt auch, dass George Gently suspendiert wird.
„Tödliche Mission“ hat dann wieder das gewohnte Niveau. In dem Fall wird die Animierdame eines Nachtclubs ermordet auf einem Kirchenaltar gefunden. Gentlys Ermittlungen führen zu einer religiös-fanatischen Abtreibungsgegnerin, die mit Verbündeten Mahnwachen vor dem Nachtclub abhält, und ihrem Ehemann, der eine Beziehung zu der Toten hatte.
In „Böses Blut“ will George Gently herausfinden, wie ein Koffer voller abgelaufener Ausweise aus der Verwaltung verschwinden konnte. Bei seinen Ermittlungen, die nachdem eine Angestellte der Verwaltung, die die Mutter eines dunkelhäutigen Babys war, ermordet wird, zu Mordermittlungen werden, gerät Gently auch zwischen die Fronten von Rockern und, teils illegal in England lebenden, Arabern. Der alltägliche Rassismus bildet den Hintergrund für „Böses Blut“.
In „Giftige Lügen“ ist der vermeintliche Selbstmord des Vorstehers einer Mühle und ein in der Mühle ausgeraubter Safe der Beginn für eine Geschichte, in der es um Politik (sie spielt kurz vor den britischen Unterhauswahlen und der Mühlenbesitzer kandidiert), das Verhältnis von Gewerkschaften zu Arbeitgebern und, wieder einmal die damalige Sexualmoral geht.
Dass es bereits früher Gewalt gegen und durch Kinder gab, erfahren wir in „Die Saat des Bösen“. Dabei beginnt der Fall ganz alltäglich: eine Frau, die einen zweifelhaften Ruf hat, wird ermordet. Ihr Exmann gesteht die Tat. Als einige Monate später ein Kind vermisst wird, trifft George Gently wieder auf die Familie der Ermordeten.
Und in „Liebe und Verrat“ wird ein linksorientierter Akademiker nach einer Demonstration gegen die Stationierung eines Atom-U-Bootes ermordet. Gently und Bacchus müssen an der Uni zwischen radikalpazifistischen Studenten, sexueller Befreiung (unter Männern und Frauen, aber nicht unter Männern) und den Uni-Regeln, vor dem Hintergrund des Kalten Krieges, ermitteln.
Im Gegensatz zu den ersten drei Gently-Fällen, in denen eher ein Blick in die Vergangenheit herrschte, geht es in den sechs neuen Gently-Fällen immer wieder darum, wie gesellschaftliche Veränderungen sich auch im beschaulichen Northumberland niederschlagen und in den kommenden Jahren gesellschaftliche Konflikte auslösen und auch die Gesellschaft verändern werden. In den Fällen wird immer wieder die Keimzelle dieser Entwicklungen, und wogegen sie sich richteten, gezeigt. So sind die Fälle auch ein Seismograph für die damaligen Brüche in der Gesellschaft und die künftigen Veränderungen.
Die zweite und dritte Staffel von „George Gently – Der Unbestechliche“ bieten wieder spannende und lehrreiche Unterhaltung, bei der auch beeindruckt, wie viel Mühe sich bei der Ausstattung und Kameraarbeit gegeben wurde. Denn wenn man nicht wüsste, dass die Filme erst jetzt entstanden sind, könnte man sie auch für sehr gelungene Krimis aus den Sechzigern halten.
Und, das ist die erfreuliche Nachricht für alle Gently-Fans: George Gently und John Bacchus ermitteln weiter. Die BBC zeigt noch in diesem Jahr zwei neue „George Gently“-Filme und für nächstes Jahr sind bereits zwei weitere Filme bestellt.
Die DVD-Ausgabe
Wie üblich sind die Extras bei Edel überschaubar. Es gibt nämlich keine. Auch auf Untertitel wurde verzichtet. Und die Verteilung der Folgen unterscheidet sich von der Ausstrahlung. In England wurden „Vergeltung“, „Tödliche Mission“, „Böses Blut“ und „Giftige Lügen“ als zweite Staffel 2009 und „Die Saat des Bösen“ und „Liebe und Verrat“ als dritte Staffel 2010 ausgestrahlt. Bei uns wurden die sechs Fälle gleichmäßig auf zwei DVD-Boxen à drei Filme verteilt.
Auf den englischen DVDs (wobei die beiden Filme der dritte Staffel erst Ende Juli in England erscheinen) sind dagegen einige, wohl eher textlastigen, Infos dabei. Das klingt für Bonusmaterial-Junkies auch nach Graubrot.
George Gently – Der Unbestechliche (GB 2009/2010)
Idee: Peter Flannery
LV: basierend auf dem Charakter von Alan Hunter
mit Martin Shaw (George Gently), Lee Ingleby (John Bacchus), Simon Hubbard (PC Taylor), Mal Whyte (Chief Constable Lilley), Melanie Clark Pullen (Lisa Bacchus)
–
DVD
George Gently – Der Unbestechliche: Staffel 2
Edel
Bild: 16:9
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0 Stereo)
Untertitel: –
Bonusmaterial: –
Länge: 270 Minuten (3 DVDs à 90 Minuten)
FSK: ab 12 Jahre
–
George Gently – Der Unbestechliche: Staffel 3
Edel
Bild: 16:9
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 2.0 Stereo)
Untertitel: –
Bonusmaterial: –
Länge: 267 Minuten (3 DVDs à 89 Minuten)
FSK: ab 12 Jahre
–
Die neuen Fälle von George Gently
Vergeltung (Gently with the Innocents, GB 2009)
Regie: Daniel O’Hara
Drehbuch: Peter Flannery
LV: Alan Hunter: Gently with the Innocents, 1970 (im Vorspann steht „nach einem Roman“, aber, nach dem Klappentext, hat die Buchstory nichts mit der Filmgeschichte zu tun)
–
Tödliche Mission (Gently in the Night, GB 2009)
Regie: Daniel O’Hara
Drehbuch: Peter Flannery
–
Böses Blut (Gently in the Blood, GB 2009)
Regie: Ciarán Donnelly
Drehbuch: Peter Flannery
–
Giftige Lügen (Gently through the Mill, GB 2009)
Regie: Ciarán Donnelly
Drehbuch: Mick Ford
LV: Alan Hunter: Gently through the Mill, 1958 (nur Titelgleichheit; Buch wird im Vorspann nicht erwähnt)