Dank Christian Wulff ist die Korruption von Politikern mal wieder im Gespräch – und das ist gut so. Denn die Gesetze sind teilweise noch sehr lückenhaft, die UN-Konvention gegen Korruption wurde von Deutschland immer noch nicht ratifiziert, weil Bundestagsabgeordnete sie nicht für Deutschland anwendbar halten. Dass fast alle anderen Staaten mit der Konvention kein Problem haben, irritiert sie nicht. Und auch im Alltagsleben wird Korruption ja gerne als ein Problem von anderen Menschen betrachtet.
Dabei sind Korruptionsforscher und Ermittler immer wieder erstaunt, für welch geringe Beträge sich Menschen korrumpieren lassen und damit ihre Existenz auf’s Spiel setzen. Auch bei Wulff ging es letztendlich ja nicht um große Summen, sondern um einige Hotelübernachtungen und Handyrechnungen. Peanuts eben, die einem Beamten sofort den Job gekostet hättet.
Oh, und das Unrechtsbewusstsein der Korrupten, meistens Männer, die sich als die Elite der Gesellschaft verstehen, tendiert normalerweise gegen Null. Auch darin unterscheidet Wulff sich nicht von den anderen ertappten Politikern, Unternehmern und Beamten.
In seinem Buch „Abgeschmiert – Wie Deutschland durch Korruption heruntergewirtschaftet wird“ versucht Frank Überall zu erklären, warum Menschen korrupt werden: „Korruption ist sexy. Sie lauert als Verführung gerade da, wo Menschen Macht haben. Für die Beteiligten steht nicht der Schaden, den sie anrichten, im Mittelpunkt, sondern der ‚Kick‘ des schnellen und vermeintlich ungefährlichen Gewinns. (…) Auch diejenigen, die machtvolle Positionen in unserer Gesellschaft einnehmen, sind nur Menschen. Und die werden ständig mit den ’sexy‘ Verführungen der Korruption konfrontiert und können nicht immer widerstehen. Deshalb muss es erst einmal darum gehen, diese Strukturen zu verstehen, um sie bekämpfen zu können.“
Das klingt doch nach einem guten argumentativem Aufschlag, der zu einem spannenden Buch führen könnte. Könnte, weil das Buch dann doch nicht das Versprechen einlöst. „Abgeschmiert“ ist ein durchaus flott zu lesendes Abarbeiten an altbekannten Fällen, deren Darstellung zwar korrumptive Praktiken aufzeigt und auch wie schnell jemand korrupt werden kann. Doch „sexy“ ist das nicht. Jedenfalls wenn „sexy“ mehr bedeutet, als dass das Verbotene, das Nicht-Öffentliche, das Geheime, per se immer „sexy“ ist.
Im Gegensatz zu Mathew D. Roses in „Korrupt?“ oder Hans-Martin Tillack in „Die korrupte Republik“, die auch, ausgehend von ihren umfassenden Recherchen, neuere korrumptive Praktiken beschreiben, und so zeigen, wie sich die Einflussnahme der Wirtschaft auf die Politik in den vergangenen Jahren veränderte, bleibt Frank Überall im Altbekannten stecken. Rose zeigt auch eindrucksvoll, wie sich in den vergangenen Jahren das Selbstverständnis der Parteien und Politiker vom Diener des Volkes zum Diener der eigenen Interessen veränderte.
Dagegen bleibt Frank Überall im Altbekannten stecken und entsprechend gering ist, wenn man schon einige Bücher über Korruption in Deutschland gelesen hat, der Erkenntnisgewinn.
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Frank Überall: Abgeschmiert – Wie Deutschland durch Korruption heruntergewirtschaftet wird
Lübbe, 2011
240 Seiten
19,99 Euro
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Hinweis
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Ziemlich gut zusammengefasst
Hier gibt es das etwas ausführlicher und mit mehr Kauder
Einige Politiker haben eine andere Meinung. Zum Beispiel
