Auf der Suche nach außerirdischem Leben (USA 2011, R.: Oliver Twinch)
Drehbuch: Oliver Twinch
Jetzt, nachdem „Curiosity“ auf dem Mars gelandet und Ridley Scotts „Prometheus“ im Kino angelaufen ist, wird auch wieder darüber diskutiert, ob es Leben auf anderen Planeten gibt. Nun, wir wissen es nicht, aber so ganz unwahrscheinlich ist es nicht. Immerhin ist das Universum ziemlich groß und die Wissenschaft hat auch einige Entdeckungen gemacht, die in der spielfilmlangen Doku, die genaugenommen aus zwei Teilen besteht, die hintereinander weg gezeigt werden, vorgestellt werden.
Für „Alien“, den zweiten Spielfilm von Ridley Scott, war der Werbespruch: „In space no one can hear you scream.“
Das war ein grandioser Satz, der neugierig auf den Film machte und auch sagte worum es geht: um einen Horrorfilm im Weltall.
Der Werbespruch für seinen neuesten Film, das „Alien“-Prequel „Prometheus“ ist: „They went looking for our beginning. What they found could be our end.“
Das ist kein wirklich schlechter, aber auch – wie der Film – ein arg austauschbarer, wenig bleibenden Eindruck hinterlassender Werbespruch, der mit einer ordentlichen Portion Hintergrundwissen verrät, dass „Prometheus“ sich in die Reihe der „Alien“-Filme einreiht, in denen es nur einige wiederkehrende Elemente (das Weltall, die Alien-Kreaturen von H. R. Giger und Sigourney Weaver als Ellen Ripley) gab, aber ansonsten die Regisseure Ridley Scott, James Cameron, David Fincher und Jean-Pierre Jeunet ihre eigene Vision im „Alien“-Kosmos erzählten.
Auch „Prometheus“ übernimmt die Kernelemente aus dem „Alien“-Kosmos, verzichtet auf Sigourney Weaver (immerhin spielt die Geschichte von „Prometheus“ ja vor dem ersten „Alien“-Film), hat mit Noomi Rapace aber einen vollwertigen Ersatz gefunden. Wobei, das sei angemerkt: Damals machte Ridley Scott aus einer unbekannten Schauspielerin einen Star. Heute engagiert er, nach den erfolgreichen Stieg-Larsson-Verfilmungen, eine bereits bekannte Schauspielerin und damit ist von Anfang an klar, dass sie, als Star des Films, nicht stirbt. Auch die Rest-Besatzung der „Prometheus“ besteht größtenteils aus bekannten Schauspielern. Eigentlich fehlt nur Mark Strong („Green Lantern“, „John Carter“). Immerhin hat man für die ersten Minuten einen Lookalike genommen.
Außerdem verrät der Werbespruch, dass Scott hier nicht einfach einen zweiten Horrorfilm im Weltall drehte. „Prometheus“ ist definitiv kein Horrorfilm. Denn dieses Mal wird die Geschichte einer Forschungsreise erzählt und, anstatt dass einige Europäer in eine Pyramide latschen, das seit Jahrhunderten versiegelte Grab das Pharaos öffnen und anschließend an einem Fluch sterben, ist es dieses Mal ein Raumschiff, das einige Jahre vor der nächsten Jahrhundertwende auf einem fremden, weit, weit entferntem Planeten landet und einige Forscher latschen in ein unterirdisches Gewirr von Gängen, wo sie einen verschlossenen Raum entdecken, den sie flugs, wie ein Kind seine Weihnachtsgeschenke, öffnen müssen.
Im Endeffekt wird einfach die „Alien“-DNA an einen altmodischen Entdeckerfilm gekoppelt.
Das ist durchaus unterhaltsam, aber spätestens beim Nachdenken über den saturierten Film, fällt auf, wie schrecklich unlogisch vieles ist, wie oft einzelne Charakter etwas nur tun, weil die Drehbuchautoren es so wollten, und wie viele Handlungsstränge im Nichts enden.
Das Personal der „Prometheus“ wirkt, auch wenn etliche Charaktere an Charaktere aus den vorherigen „Alien“-Filmen erinnern, wie der lieblose Griff in den Klischee-Figurenbaukasten aus dem Handbuch für effektives Storytelling.
Es gibt den taffen Kapitän („Luther“ Idris Elba, auch mal mit Akkordeon und einem doch etwas veraltetem Musikgeschmack [Herrje, gab es seit 1970 wirklich keine guten Bands mehr? Sind die nächsten gut achtzig Jahre Musikgeschichte wirklich für die Tonne?]), die böse Kapitalistin (Charlize Theron wiederholt einfach ihre Rolle der bösen Prinzessin aus „Snow White and the Huntsman“), den, auch aus den anderen „Alien“-Filmen bekannten Androiden, der dieses Mal wie Michael Fassbender aussieht, von ihm herrlich ausdruckslos-selbstironisch gespielt wird, ein großer „Lawrence von Arabien“-Fan ist (Tja, auch in der Filmgeschichte scheint die nächsten Jahrzehnte Ödnis zu herrschen.), auf den Namen „David“ hört und, kleiner Insider-Witz, damit das ABC der Androidennamen in den „Alien“-Filmen von Ash über Bishop und Call zu David fortsetzt und, als große Überraschung, den uralten, an der Schwelle des Todes stehenden Peter Weyland, der die Reise der „Prometheus“ nach dem Ursprung des Lebens aus nicht uneigennützigen Gründen finanzierte (Guy Pearce auf Greis geschminkt, weil auch Szenen mit einem jüngeren Weyland geplant waren), und einige nicht sonderlich intelligente, dafür ziemlich hasenfüßige Raumfahrer, die die Mission – Überraschung! – nur wegen des Geldes mitmachen. Kofferträger und Leichtmatrosen eben, die bei der erstbesten Gelegenheit zu Alienfutter werden.
Es gibt eine Alien-Schwangerschaft, die grotesk-rabiat beendet wird – und die Frage hinterlässt, warum eine vollautomatische OP-Station, die im Zimmer einer Frau steht, auf Operationen an Männern programmiert ist. Aber immerhin gibt das im Kino einen Lacher und wahrscheinlich den Preis für den schnellsten und effektivsten Schwangerschaftsabbruch.
Der gesamte Film fühlt sich letztendlich wie eine All-Inclusive-Reise an, bei der es keine großen Überraschungen und keine Verunsicherung gibt, und man am Ende, einfach weil von den Machern zu sehr auf Nummer Sicher gespielt wird, das Kino auch etwas unbefriedigend verlässt. Denn irgendwie hat man das alles schon einmal gesehen. Oft besser und nur weil Ridley Scott das „Alien“-Menü, jetzt mit Erich-von-Däniken-Schwurbel, schick anrichtet, wird „Prometheus“ definitiv kein Klassiker werden. Dafür ist er einfach zu seelenlos, hat zu wenige Ecken und Kanten, zu wenige Überraschungen und er ist zu konventionell.
Das wäre okay, wenn Ridley Scott und seine Autoren Jon Spaihts und Damon Lindelof („Lost“, „Cowboys & Aliens“) uns nicht ein Ende, das schamlos auf eine Fortsetzung spekuliert, präsentieren würden.
Denn während die vorherigen „Alien“-Filme in sich abgeschlossene Geschichten erzählten, offenbart sich „Prometheus“ in den letzten Minuten, nachdem der Planet atomisiert wurde, nur noch als epischer Prolog für den oder die nächsten (Trilogie, ich hör dich trapsen.) Filme, in denen uns dann alles erklärt werden soll, was im Prolog nur angedeutet wurde.
In dem Moment kam ich mir schon etwas verarscht vor.
Prometheus – Dunkle Zeichen (Prometheus, USA 2012)
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: Don Spaihts, Damon Lindelof
mit Noomi Rapace, Michael Fassbender, Guy Pearce, Idris Elba, Logan Marshall-Green, Charlize Theron, Sean Harris, Rafe Spall, Benedict Wong, Patrick Wilson
Die Affäre der Sunny von B. (USA 1990, R.: Barbet Schroeder)
Drehbuch: Nicholas Kazan
LV: Alan M. Dershowitz: Reversal of Fortune – Inside the von Bülow Case, 1985 (Die Affäre der Sunny von B.)
Die Staatsanwaltschaft glaubt Millionär Claus von Bülow habe versucht seine Frau zu töten. Nach seiner Verurteilung engagiert von Bülow den Rechtsprofessor Alan Dershowitz. Dieser erwirkt 1985 einen Freispruch.
Schroeder verfilmte den wahren, in der Sensationspresse ausführlich behandelten Fall: „Nuancierte Regie, effizientes Drehbuch, eine Kamera, die in Einstellung, Bewegung und Farbe die Welten der drei Hauptpersonen exakt differenziert und konfrontiert, exzellente Hauptdarsteller, die in jeder Sequenz überzeugen, haben ein vielschichtiges Kunstwerk geschaffen. Hervorzuheben ist das Fingerspitzengefühl, mit dem unverhüllt ein Vorgang behandelt wird, dessen Protagonisten, einschließlich der wahren Sunny, alle noch leben.“ (Fischer Film Almanach 1992)
Mit Jeremy Irons, Glenn Close, Ron Silver, Annabella Sciorra
„Sherlock“, die grandiose BBC-Neuinterpretation der von Sir Arthur Conan Doyle geschaffenen Figur Sherlock Holmes, ist zurück und die drei Folgen der zweiten Staffel sind keinen Deut schlechter als die Fälle der ersten Staffel, in denen Sherlock Holmes und sein Kosmos von den „Sherlock“-Erfindern Mark Gatiss und Steven Moffat in die Gegenwart verlegt wurden. Für die zweite Staffel haben sie sich drei Sherlock-Holmes-Geschichten (es dürften die bekanntesten Holmes-Geschichten sein) genommen, sie neu interpretiert und mit zahlreichen Querverweisen zu anderen Holmes-Geschichten und -Filmen vollgestopft.
In „Ein Skandal in Belgravia“, basierend auf der Kurzgeschichte „Ein Skandal in Böhmen“, trifft Sherlock Holmes auf Irene Adler, die auch im heutigen London den Männern den Kopf verdreht und mehr will ich jetzt wirklich nicht verraten.
„Die Hunde von Baskerville“ ist die Neuinterpretation von „Der Hund der Baskervilles“ und Autor Mark Gatiss stand vor dem Problem, dass gerade diese Geschichte aus vielen Verfilmungen sehr gut bekannt ist und die Erklärung von Sir Arthur Conan Doyle für den Familienfluch der Baskervilles für einen in der Gegenwart spielenden Film nicht mehr überzeugend ist. Weil aber Verschwörungsgeschichten, so Gatiss, die Geistergeschichten der Gegenwart sind, gibt es in der Nähe des Moores eine Forschungseinrichtung des Militärs und Sherlock Holmes ist, im Gegensatz zum Roman, von Anfang an vor Ort.
In „Der Reichenbachfall“ kommt es dann, wie in der Kurzgeschichte „Das letzte Problem“, zur finalen Konfrontation von Sherlock Holmes und Professor Moriarty, die Holmes nicht überlebt; – wobei Holmes natürlich doch überlebt. Immerhin musste Sir Arthur Conan Doyle Sherlock Holmes auf Wunsch seiner Leser wieder auferstehen lassen. In Guy Ritchies „Sherlock Holmes: Spiel im Schatten“ endet die im viktorianischen England spielende Remmidemmi-Sherlock-Holmes-Version ebenfalls mit dem Sturz von Holmes und Moriarty in den Reichenbachfall und der anschließenden Wiederauferstehung von Holmes.
In dem BBC-Film stürzt Holmes sich von einem Hochhausdach – und wir werden erst mit dem Beginn der dritten Staffel, die bereits bestellt ist, erfahren, wie Holmes dem Tod entging.
Doch vor dem Fall gibt es einen atemberaubenden Thriller, in dem Professor Moriarty behauptet, dass Sherlock Holmes ein Blender, ein Schwindler, sei und er kann es auch beweisen. Holmes muss in „Der Reichenbachfall“ um seine Identität kämpfen.
Auch in den beiden anderen „Sherlock“-Filmen wird Sherlock Holmes‘ Selbstbild auf die Probe stellen. In „Ein Skandal in Belgravia“ muss er sich mit seinem Verhältnis zum anderen Geschlecht und zur Sexualität beschäftigen. Immerhin hat Holmes sich bislang als asexuelle Denkmaschine gesehen, die allen anderen Menschen deshalb überleben ist. In „Die Hunde von Baskerville“ fragt er sich, ob er noch seinem Verstand trauen kann. Denn auch er selbst beginnt an den Hound zu glauben, obwohl es ein solches Wesen nicht geben kann.
Dass die Filme vor Anspielungen auf den gesamten Sherlock-Holmes-Kosmos nur so strotzen, dass die Plots verschachtelt und immer wieder überraschend sind, dass die Filme enorm schnell erzählt sind, dass die Schauspieler hochkarätig sind und dass das Vergnügen viel zu schnell vorbei ist, muss ich wohl nicht extra betonen. Das habe ich ja schon zu den ersten drei spielfilmlangen „Sherlock“-Filmen gesagt.
Und dass die dritte Staffel, natürlich mit dem bewährtem Team, erst 2013 gezeigt wird, muss man wohl als höhere Gewalt akzeptieren. Immerhin sind alle an der Serie Beteiligten gut beschäftigt und auch die nächsten Ermittlungen von Sherlock Holmes und Dr. John Watson sollen ja die Qualität der bisherigen Fälle halten.
Das Bonusmaterial
Als Bonusmaterial gibt es das zwanzigminütige Making-of „Sherlock uncovered“ und zwei hörenswerte Audiokommentare. Für den Audiokommentar zu „Ein Skandal in Belgravia“ versammelten sich Produzentin Sue Vertue, die beiden „Sherlock“-Erfinder Mark Gatiss und Steven Moffat, Sherlock-Holmes-Darsteller Benedict Cumberbatch und Lara Pulver, die Irene Adler spielen durfte, vor dem Mikrofon. Bei dem „Die Hunde von Baskerville“-Audiokommentar sind wieder Sue Vertue, Steven Moffat und Mark Gatiss dabei und Russel Tovey, der Schauspieler von Henry Knight, dem von Wahnvorstellungen geplagten Klienten von Sherlock Holmes, gesellte sich zu ihnen. Dieser Audiokommentar ist für die Holmesianer etwas interessanter, weil Tovey den beiden „Sherlock“-Erfindern viele Fragen zu den Hintergründen der Serie stellt und die beiden Sherlock-Holmes-Fans Gatiss und Moffat viel aus dem Nähkästchen plaudern.
Das ist insgesamt eine unspektakuläre, aber ordentliche Portion an Hintergrundinformationen.
Sherlock – Staffel 2 (Großbritannien 2012)
Erfinder: Steven Moffat, Mark Gatiss
LV: Charakter von Sir Arthur Conan Doyle
mit Benedict Cumberbatch (Sherlock Holmes), Martin Freeman (Dr. John Watson), Una Stubbs (Mrs. Hudson), Rupert Graves (Detective Inspector Lestrade), Mark Gatiss (Mycroft Holmes), Andrew Scott (Moriarty), Lara Pulver (Irene Adler)
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Blu-ray
Polyband
Bild: 16:9 (1,78:1)
Ton: Deutsch, Englisch (DTS-HD Master Audio 5.1)
Untertitel: Deutsch, Englisch
Bonusmaterial: Audiokommentar zu „Ein Skandal in Belgravia“ und „Die Hunde von Baskerville“, Making of „Sherlock uncovered“, 16-seitiges Booklet
Länge: 270 Minuten (3 x 90 Minuten) (2 Blu-rays)
FSK: ab 12 Jahre
(DVD identisch)
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Die Fälle der zweiten „Sherlock“-Staffel
Ein Skandal in Belgravia (A Scandal in Belgravia)
Regie: Paul McGuigan
Drehbuch: Steven Moffat
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Die Hunde von Baskerville (The Hounds of Baskerville)
Eine Farm in Montana (USA 1978, R.: Alan J. Pakula)
Drehbuch: Dennis Lynton Clark
Nach dem zweiten Weltkrieg kehrt Frank Athearn nach Montana zurück. Er will dort eine Farm betreiben, gerät in einen Konflikt mit einem Viehbaron, der das Land aufkaufen will, verbündet sich mit einer Rancherin, die ebenfalls um ihr Land kämpft, und eine Ölfirma will Öl fördern.
Schöner, melancholischer Spätwestern, der damals nicht gut aufgenommen wurde. Denn: „Sie erwarteten von Pakula neue Impulse für das Western-Genre. Doch viele der Überzeugungen, die die Figur von Jane Fonda auszeichnen und die Jane Fonda selbst damals vertrat, gehören zur Grundausstattung des Westerns: die Schlechtigkeit der Großgrundbesitzer, die Liebe zur Natur und die Nähe der Ölmanager zum Gaunertum. In einem Film der fest in der Jetztzeit angesiedelt ist, wären diese Motive revolutionär, aber im Western klingen sie abgedroschen.“ (Joe Hembus: Das Western-Lexikon)
Das Drehbuch erhielt 1979 den Spur Award der Western Writers of America.
mit James Caan, Jane Fonda, Jason Robards, George Grizzard, Richard Farnsworth, Jim Davis, Mark Harmon, James Keach
Drehbuch: Jerzy Kromolowski, Mary Olson-Kromolowski
LV: Friedrich Dürrenmatt: Das Versprechen – Requiem auf den Kriminalroman, 1957
Kamera: Chris Menges
Musik: Hans Zimmer
Ein Polizist sucht nach seiner Pensionierung – zunehmend wahnhaft – einen Kindermörder. Als Beute für den Mörder wählt er ein Kind aus.
Grandiose, ruhige Studie über Alter und Einsamkeit. Penn hielt sich bei seiner Version an Dürrenmatts Buch „Das Versprechen“. Dürrenmatt schrieb es, nachdem er mit dem optimistischen Ende von „Es geschah am hellichten Tag“ (D 1958) unzufrieden war. Sogar die notorisch schwer zu begeisternde Ponkie schrieb: „Das Vorhersehbare eines Krimiklassikers – und die Brutal-Details eines grausamen Thrillers: ein respektables, aber nicht zwingend nötiges Remake.“ (AZ, 11. 10. 2001)
Mit Jack Nicholson, Patricia Clarkson, Benicio Del Toro, Mickey Rourke, Helen Mirren, Robin Wright Penn, Vanessa Redgrave, Sam Sheppard, Tom Noonan, Harry Dean Stanton, Aaron Eckhart
Wir erinnern uns: Es gab eine Vogelgrippe-Epidemie die zum Tod von 23 Millionen Menschen in den USA führte. Seitdem ist der Verzehr von Geflügel verboten und die überaus mächtige Lebensmittelbehörde FDA wacht darüber. Tony Chu und sein Kollege John Colby wurden zu ihr versetzt. Während Colby nach einem Unfall zu einer Mischung aus Terminator und Robocop umfunktioniert wurde und er jetzt einen halben Computer in seinem Körper hat, hat Chu seit Geburt eine ganz andere Eigenschaft. Er ist Cibopath, das heißt: wenn er etwas isst, erfährt er auch gleich die gesamte Lebensgeschichte des Gegessenen. Für Ermittlungen ist das natürlich hilfreich. Chu muss nur einen Tropfen Blut von dem Opfer schlucken und er kennt den Mörder. Manchmal muss er auch in einen vergammelten Hamburger beißen. Oder in etwas noch Unappetitlicheres. Kein Wunder, dass Tony Chu absolut keinen Humor hat.
In „Flambiert“, dem vierten „Chew – Bulle mit Biss!“-Sammelband, der die Chew-Hefte 16 bis 20 enthält, gibt es eine Handvoll grandios komischer Abenteuer mit den beiden Polizisten. Es sind eher schonungslos überdrehte Episoden aus dem alltäglichen Polizistenleben und weniger eine Fortsetzung des Kampfes zwischen Chu und dem ehemaligen FDA-Agenten Mason, einem anderen Cibopathen, der anfangs der FDA-Vorgesetzte von Chu war und sich dann als sein Gegner entpuppte.
Jetzt taucht eine geheimnisvolle Schrift am Himmel auf. Was sie bedeutet, ist unklar. Jeder hat zwar seine armageddonhafte Interpretation, aber Tony und John, der auch ein ordentliches Alkoholproblem hat, sind, obwohl die Durchsetzung der Hähnchenprohibition wegen dieser Schrift nicht mehr die oberste Priorität hat, mit anderen Dingen beschäftigt.
Sie suchen den esssüchtigen Migdalo Daniel, stolpern in ein Highschool-Massaker, werden auf eine Selbstmordmission gegen einen paranoiden General geschickt, treffen dabei auf den vollkommen durchgeknallten und angriffswütigen Hahn Poyo,
werden von Antonelle Chu, Tonys ständig plappernde, bei der Nasa arbeitenden Nervschwester, zur Area 51 und den dortigen, hm, Lebewesen gebracht, sollen Undercover bei der „Kirche der Heiligkeit der ungerührten Dotter“ ermitteln und Mason probiert das Blut von Migdalo Daniel.
Die von John Layman erfundenen, absolut durchgeknallten und herrlich respektlosen Geschichten werden auch im vierten „Chew“-Sammelband „Flambiert“ von Rob Guillory mit satirisch überspitzten Zeichnungen illustriert. Sie sind das Sahnehäubchen der „Chew“-Geschichten. Die Serie war letztes Jahr wieder für einen Eisner-Award prämiert. Dieses Mal als „Beste Comic-Serie“.
Denn die Abenteuer von Tony Chu sind ein echtes Vier-Sterne-Menü – mit und ohne Fleischbeilage,
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John Layman/Rob Guillory: Chew – Bulle mit Biss! (Band 4): Flambiert
Das freche Mädchen (Frankreich 1985, R.: Claude Miller)
Drehbuch: Claude Miller, Annie Miller, Luc Béraud, Bernard Stora
Die 13-jährige Charlotte erlebt den letzten Sommer ihrer Kindheit: ihre alte Welt wird ihr zu eng, sie lernt eine gleichaltrige Starpianistin kennen und verliebt sich in einen jungen Mann.
„Millers fünfter Film zeigt in exakt inszenierten Schlüsselszenen die Verunsicherung und den zeitweisen Realitätsverlust der Heranwachsenden und vermittelt einen Einblick in ihre Verletzlichkeit.“ (Fischer Film Almanach 1987)
mit Charlotte Gainsbourg, Bernadette Lafont, Julie Glenn, Clothilde Baudon, Jean-Claude Brialy
Vier Stunden Live-Musik vom Heavy-Metal-Festival in Wacken. Danach ist, die richtige Lautstärke vorausgesetzt, jede Ohrverstopfung weggepustet.
Heute spielen unter anderem mit Amon Amarth (20.00 Uhr), Saxon (22.25 Uhr), den Scorpions (22.50 Uhr) und Machine Head (23.15 Uhr).
An den beiden kommenden Samstagen, dem 11. und 18. August, gibt es dann, jeweils ab 14.00 Uhr weitere Wacken-Konzerte. Unter anderem Sepultura, Dimmu Borgir,Testament, Ministry und In Extremo. Den ZDFkultur-Lärmplan gibt es hier, die Wacken-Homepage hier.
Martin David (Willem Dafoe) soll für einen Konzern den sagenumwobenen Tasmanischen Tiger jagen und von ihm genetische Proben entnehmen.
Ein einfacher Auftrag, wenn nicht der letzte bekannte Tasmanische Tiger bereits 1936 im Hobart Zoo gestorben wäre. Seitdem behaupten zwar immer wieder Menschen, dass sie in Tasmanien, einer Insel südlich von Australien, die ungefähr die Größe von Bayern, aber nur eine halbe Million Einwohner hat, einen Tasmanischen Tiger gesehen haben. Keine dieser Sichtungen ist verbürgt.
David macht sich auf den Weg in die Wildnis – und wir dürfen einen angenehm altmodischen Abenteuerfilm genießen. Denn selbstverständlich wurde die Geschichte von einem Mann, der ein seltenes Tier jagt, schon oft erzählt und selbstverständlich sieht man sich so einen Film vor allem wegen der Landschaftsaufnahmen an.
Diese sind gelungen.
Auch die Geschichte der Menschwerdung von Martin David, grandios minimalistisch von Willem Dafoe gespielt, ist gelungen. Für seinen Auftrag wird er bei einer Familie einquartiert. Widerwillig übernimmt er für die beiden Kinder die Rolle des abwesenden Vaters. Am Ende beeinflusst dann das Wohl der Familie die Art, wie er, als er dem Tasmanischen Tiger begegnet, seinen Auftrag erfüllt.
Und er gerät zwischen die Fronten von Umweltschützern, die den Wald bewahren, und Arbeitern, die den Wald abholzen sollen. Aber dieser Konflikt wird nur angedeutet.
Der vernachlässigbare Schwachpunkt von „The Hunter“ ist das Agieren seines Auftraggebers, dessen Interessen niemals wirklich klar werden. Letztendlich sind sie nur der MacGuffin für einen altmodischen Abenteuerfilm, bei dem seine Fehler (so verbringt der Film zu viel Zeit bei der Familie und zu wenig in der Wildnis; David findet den Tasmanischen Tiger ziemlich mühelos; die Geschichte ist absolut vorhersehbar) auch wieder seine Vorzüge sind. Denn, fast wie in einem der guten alten Western à la „Mein großer Freund Shane“, mit dem „The Hunter“ überraschend viele Gemeinsamkeiten hat, wird hier einfach eine gute Geschichte erzählt.
Und, wie die meisten Western, müssen wir den „Hunter“ auf der kleinen Leinwand genießen, obwohl sie eigentlich für die große Leinwand gedacht sind.
Das Bonusmaterial besteht vor allem aus einem vierteiligem „Making of“, in dem auf die Geschichte, die Charaktere, die Dreharbeiten in Tasmanien und den Tasmanischen Tiger eingegangen wird. Es liefert einige interessante Hintergrundinformationen und einige Bilder von geschnittenen Szenen, meistens mit Sam Neill, die es leider nicht auf die DVD schafften.
The Hunter (The Hunter, Australien 2011)
Regie: Daniel Nettheim
Drehbuch: Alice Addison, Wain Fimeri (Original Adaptation)
LV: Julia Leigh: The Hunter, 1999 (Der Jäger)
mit Willem Dafoe, Sam Neill, Frances O’Connor, Sullivan Stapleton, Callan Mulvey, Morgana Davies, Jacek Koman, Dan Wyllie
Nachtschicht: Das tote Mädchen (D 2010, R.: Lars Becker)
Drehbuch: Lars Becker
Ein russisches Callgirl wird ermordet und in der Elbe versenkt. Das Nachtschicht-Team sucht den Mörder und landet schnell bei einem Privatbankier, der behauptet die Tote nicht zu kennen.
Nix neues von der “Nachtschicht”: Dutzende bekannter Gesichter, die endlich (?) mal wieder (?) zeigen, was sie können, gutes Buch, gute Regie, gute Unterhaltung.
mit Armin Rohde, Barbara Auer, Minh-Khai Phan-Thi, Pierre Semmler, Dietmar Bär, Kai Wiesinger, Jürgen Prochnow, Lisa Maia Potthoff
Grenzen, auch wenn sie nötig sind, haben immer etwas irrationales und wenn sich in einem Grenzgebiet zwei Gruppen treffen, die seit Jahrzehnten spinnefeind sind und ihre Feindschaft mit ihrer jahrhundertealten Tradition begründen, dann ist das Leben dort, zwischen verschiedenen Befindlichkeiten, ausgesprochenen und unausgesprochenen Regeln, ziemlich anstrengend und das Potential für eine Komödie ist definitiv vorhanden. Sylvain Estibal hat mit „Das Schwein von Gaza“ eine solche Komödie gedreht.
Im Mittelpunkt seiner Geschichte steht Jafaar (Sasson Gabay), ein herzensguter, aber vom Pech verfolgter Fischer. Er lebt mit seiner Frau Fatima (Baya Belal) in einem Haus, das von israelischen Soldaten zum Wachposten erklärt wurde und damit ein dankbares Ziel für Gespött und Anschläge ist. Immerhin versuchen Jafaar und Fatima möglichst viel Abstand zu wahren und die ungebetenen Gäste nach Kräften zu ignorieren, was natürlich schwer fällt, wenn die Soldaten das Bad benutzen dürfen und die gleichen Telenovelas ansehen.
Sein Kutter ist ein kaum noch seetüchtiger, verrosteter Kahn und sein Fang so bescheiden, dass er von dem Fischkäufer nur mit einem mitleidigem Lächeln bedacht wird.
Jafaar ist schon ziemlich weit unten, als er den Fang seines Lebens macht: er angelt ein lebendes Schwein aus dem Meer. Als gläubiger Moslem darf er das Schwein nicht töten. Sowieso sind für ihn alle Kontakte zu einem so unreinen Geschöpf verboten. Aber die schlauen Juden, so hört er, würden seinen Fang kaufen.
Jafaar will es an die jüdische Gemeinde verkaufen, was gar nicht so einfach ist. Denn auch nach dem jüdischen Glauben sind Schweine keine besonders erwünschten Tiere.
Und so nimmt, weil niemand etwas von Jafaars Fang erfahren darf, das Verhängnis seinen Lauf.
In seinem gelungenem Debütfilm formuliert Sylvain Estibal einen herzergreifenden Aufruf zur Toleranz, der dank seiner schnörkellos-unpathetischen Erzählweise und dem trockenen Humor glänzend unterhält. Denn Jafaar steht ziemlich hilflos zwischen den Israelis und den Palästinensern. Er versucht sich bauernschlau aus seiner Malaise herauszuschlawinern und richtet, eher unschuldig (Er hätte das Schwein ja gleich wieder ins Meer werfen können. Das wäre, im Vergleich zu seinen späteren Sünden eine kleine Sünde gewesen.) einen ziemlichen Schlamassel an. Dabei hat Estibal einen feinen Blick für die Absurditäten des israel-palästinenischen Alltags.
Das ziemlich plötzlich, aus heiterem Himmel, kommende, märchenhafte, aber auch ziemlich offene Ende gibt dann keine Antwort auf die Frage, wie die miteinander verfeindeten Völker friedlich miteinander leben können. Aber das ist vielleicht auch zu viel verlangt von einem Film. Immerhin haben die Israelis und Palästinenser es in den vergangenen Jahrzehnten auch nicht geschafft.
Aber der vom Schicksal geknechtete Fischer Jafaar hat am Ende wirklich etwas Glück verdient. Und ein Schwein als Glücksbringer ist ja auch nicht so schlecht.
Das Schwein von Gaza (Le Cochon de Gaza, Frankreich/Deutschland/Belgien 2011)
Woodrell, Temple, Winslow: gut. Linskey dürfte mir auch gefallen und Gran liegt jetzt auch bei mir rum. Denn Sara Grans „Stadt der Toten“ wird ja überall abgefeiert und hat es auch schon auf etliche Nominierungslisten geschafft.
Der Sohn des britischen Geheimagenten Tarrant wird entführt. Tarrants Vorgesetzten scheinen kein Interesse an einer Befreiung zu haben. Also kämpft Tarrant allein um das Leben seines Sohnes.
Ein Spätwerk von Don Siegel: ein harter, eiskalter Agententhriller, der seine Story konzentriert und ohne Mätzchen geradlinig erzählt.
„‘The black Windmill’ ist kein bedeutendes Werk in Siegel Karriere, aber etwas, das es heute kaum noch gibt: ein mit Konzentration und Originalität erzählter Genrefilm.“ (Marcus Stiglegger in Frank Arnold/Michael Esser, Hrsg.: Dirty Harry – Don Siegel und seine Filme, 2003)
Mit Michael Caine, Donald Pleasence, John Vernon, Delphine Seyrig
Egal was Joe R. Lansdale schreibt, es ist verdammt gut. Auch wenn er in den letzten Jahren bei seinen Einzelwerken einen Hang zur Länge hat, die es in seinen früheren Romanen, wie „Akt der Liebe“ (Act of Love, 1981) und „Nightrunners“ (The Nightrunners, 1987) nicht gab. Aber diese Thriller mit einem starken Hang zum Horror und einem detaillierten ausmalen blutiger Details und menschlicher Dummheit, waren für einige sicher zu gewalttätig.
Ungefähr seit seinem mit dem Edgar ausgezeichneten „Die Wälder am Fluss“ (The Bottoms, 2000) hat er eine Nische entdeckt: düstere Krimis mit jugendlichen Protagonisten, die in der Vergangenheit spielen, ohne sie zur guten alten Zeit zu verklären.
Auch „Ein feiner dunkler Riss“ spielt in der Vergangenheit. In Dewmont, Texas. 1958. Erzähler ist Stanley Mitchel junior, der damals dreizehn Jahre war, und der mit seiner heftig pubertierenden Schwester in einem verfallenem Haus eine Kiste mit Briefen entdeckt. Die Briefe weisen auf einen Mord hin, den Stanley aufklären will. Buster Abbot Lighthouse Smith, der uralte afroamerikanische Kinovorführer im Drive-In-Kino der Mitchels und Ex-Polizist, und die inspirierende Lektüre der Sherlock-Holmes-Geschichten helfen Stanley bei der Mörderjagd. Er hält den vermögenden Besitzer des örtlichen Kinos, den Stadtpatriarch, der auch seine Schwester anbaggert, für den Mörder.
Allerdings ist unklar, ob es wirklich einen Mord gab. Und weil Stanley ein Teenager ist, sind auch seine alltäglichen Sorgen, sein beschränkter Bewegungsradius zu Fuß oder mit dem Fahrrad, seine Ängste und das Gefühl der Freiheit während der Sommerferien, wichtig.
Auch den damaligen Beziehungen zwischen den Rassen widmet Lansdale, wie in seinen anderen, in der Vergangenheit spielenden Geschichten, viele Seiten und wer sie kennt, wird vieles wiedererkennen. Die Mtchels sind selbstverständlich und wie die Eltern in Lansdales anderen Romanen mit jugendlichen Protagonisten (ich würde sie, weil sie ziemlich Noir sind, nicht wirklich als Jugendromane etikettieren) keine Rassisten, sondern Leute, die Menschen nach ihren Fähigkeiten beurteilen und ihnen, wenn sie Hilfe brauchen, ohne große Worte helfen. Sie respektieren einfach jeden. Damit sind die zugezogenen Mitchels in der damaligen Zeit eine Ausnahme.
In „Gauklersommer“ kehrt Joe R. Lansdale nach Camp Rapture, das wir aus „Kahlschlag“ (Sunset and Sawdust, 2004) kennen, zurück. Aber der Ort ist nicht mehr wiederzuerkennen. Aus einem Sägewerk im Nirgendwo wurde eine Stadt mit einer eigenen Tageszeitung.
Carson Statler kehrt jetzt, nachdem er seinen guten Job in Houston bei einer Zeitung vergeigte und im Irak kämpfte, zurück. Bei der Lokalzeitung wird er als Kolumnist angestellt. Als er in den Notizen seiner Vorgängerin wühlt, stößt er auf ein interessantes Ereignis: die 23-jährige Studentin Caroline Allison ist seit einem halben Jahr spurlos verschwunden. Bei seinen Recherchen stößt er schnell auf Widerstände und er erhält eine DVD, auf der sein glücklich verheirateter Bruder, Professor an der städtischen Universität, mit der verschwundenen Studentin zu sehen ist.
Carson beginnt im Dreck zu wühlen – und zwei Sachen können schon verraten werden:
Carsons Bruder ist nicht der Mörder. Die Lösung ist viel perfider.
Booger, Carsons verrückter Kumpel aus dem Irakkrieg, hilft ihm am Ende gegen die Bösewichter.
Und das, immerhin ist Booger ein Geistesverwandter von Leonard Pine, erinnert mich daran, dass die restlichen Hap-Collins/Leonard-Pine-Krimis übersetzt und die ersten, die damals vor allem bei rororo erschienen, wieder veröffentlicht werden sollten. Denn in diesen Krimis tobt Joe R. Lansdale sich richtig aus, wenn er Hap und seinen schlagkräftigen, schwulen, schwarzen Kumpel Leonard (es ist unmöglich zu sagen, was für die Rednecks, die von ihm vermöbelt werden, am schlimmsten ist), mit einer ordentlichen Portion Schwarzen Humors, durch Texas und Mexiko wüten lässt.