Kurz bevor wichtige Filmpreise, wie die Golden Globes und die Oscars, vergeben werden, machen die Produktionsfirmen etliche der prämierten Drehbücher online verfügbar und Filmfans around the Globe können sich bedienen:
LV: Harlan Coben: Tell no one, 2001 (Kein Sterbenswort)
Acht Jahre nach dem Tod seiner Frau erhält der Arzt Alexandre Beck eine Nachricht von ihr. Er will herausfinden, ob sie noch lebt. Dabei gerät er in eine Intrige und unter Mordverdacht.
Spannender, wendungsreicher Thriller, der überall abgefeiert wurde und die deutsche Premiere auf DVD erlebte.
Das Drehbuch war für den Edgar nominiert. Der Film war für neun Césars nominiert und erhielt vier. Unter anderem für die beste Regie und beste Hauptrolle.
mit Francois Cluzet, Kristin Scott Thomas, André Dussolier, Nathalie Baye, Jean Rochefort, Harlan Coben (Cameo als Mann auf dem Bahnhof)
A Serious Man (USA 2009, R.: Joel Coen, Ethan Coen)
Drehbuch: Joel Coen, Ethan Coen
USA, Mittlerer Westen, 1967: Über einen biederen, jüdischen Physikprofessor bricht das Unheil herein und er fragt sich „Warum ich?“.
Zu einer ziemlich unmöglichen Zeit gibt es die TV-Premiere eines von der Kritik hochgelobten Films der Coen-Brüder, den ich etwas zäh fand. Aber bibelfeste Zuschauer können einiges entdecken.
mit Michael Stuhlbarg, Richard Kind, Fred Melamed, Sari Lennick, Aaron Wolf, Jessica McManus
„Psycho“ war, vom Budget, vom Team und von der Drehzeit her, ein kleiner, billiger Film. Alfred Hitchcock wollte nach dem Megaerfolg „Der unsichtbare Dritte“ das komplette Gegenteil machen: einen kleinen, billigen SW-Horrorfilm. Er spekulierte damals, immerhin hatten es vorher bereits einige Horrorfilme gezeigt, auf einen satten Gewinn.
Die Rechnung ging auf. „Psycho“ spielte mehr als seine Produktionskosten ein. Viel mehr. Der Thriller wurde auch ein kulturelles Phänomen, beeinflusste etliche Regisseure, das Horror- und Thrillergenre und Hauptdarsteller Anthony Perkins, der während der Dreharbeiten vor allem als jugendlicher Liebhaber bekannt war, war danach nur noch Norman Bates, ein durchgeknallter Mörder, der sich, immer wenn er Frauen umbrachte, als Mutter verkleidete.
In seinem im Original bereits 1990 erschienenem Sachbuch „Hitchcock und die Geschichte von Psycho“ zeichnet Stephen Rebello, basierend auf ausführlichen Interviews (er hatte sogar die Chance Alfred Hitchcock kurz vor seinem Tod zu interviewen) und Aktenstudium, die gesamte Geschichte des Films nach: von den realen Ursprüngen über Robert Blochs Roman „Psycho“, die Vorbereitungen, die Dreharbeiten, den Schnitt, die Premiere bis hin zu den Nachwirkungen. Rebello erzählt das informativ und mit vielen Zitaten, die wirklich einen Blick hinter die Kulissen erlauben.
Für Hitchcock-Fans und „Psycho“-Fans ist Rebellos Buch sowieso eine Pflichtlektüre. Und auch Filmfans sollten einen Blick hineinwerfen. Denn Rebello liefert einen guten Einblick in alle Aspekte des Filmemachens. Eine kleine Sittengeschichte der damaligen Zeit gibt es auch. Denn Alfred Hitchcock hatte Probleme mit der Zensur.
Seit der Erstauflage erschien „Hitchcock und die Geschichte von Psycho“ in den USA in mehreren Ausgaben bei verschiedenen Verlagen und wurde 2012 von Sacha Gervasi verfilmt. Die hochkarätig besetzte Verfilmung ist allerdings mehr eine Fantasie über Alfred Hitchcock, angereichert mit seinen Sprüchen, Leidenschaften und Obsessionen, als ein auch nur halbwegs akkurates Biopic.
Immerhin wurde dank der Verfilmung Stephen Rebellos Buch ins Deutsche übersetzt.
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Stephen Rebello: Hitchcock und die Geschichte von „Psycho“
(mit einem neuen Vorwort von Stephen Rebello)
(übersetzt von Lisa Kögeböhn, Bernhatt Matt und Uli Meyer)
Heyne, 2013
416 Seiten
9,99 Euro
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Erstausgabe
Alfred Hitchcock and The Making of Psycho
Dembner Books, 1990
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Verfilmung
Hitchcock (Hitchcock, USA 2012)
Regie: Sacha Gervasi
Drehbuch: John J. McLaughlin
mit Anthony Hopkins, Helen Mirren, Scarlett Johansson, Danny Huston, Toni Collette, Michael Stuhlbarg, Michael Wincott, Jessica Biel, James D’Arcy, Kurtwood Smith, Ralph Macchio, Tara Summers
LV: Charles Willeford: Miami Blues, 1984 (Miami Blues)
Als erstes bringt Junior in Miami einen bettelnden Krishna um. Dann beginnt er mit seinem Brotjob: Überfälle. Als ihm Sgt. Hoke Moseley zu nahe kommt, raubt er ihn aus (Dienstpistole, Ausweis, Gebiss). Und das nimmt Moseley wirklich persönlich.
Willefords Hoke-Moseley-Krimis sind eine bitterböse, urkomische Abrechnung mit dem amerikanischen Traum. Armitages Adaption bebildert in weiten Teilen nur Willefords Buch. Trotzdem: „Hervorragend gespielte Kriminalgroteske, die sich nach und nach als böse Abrechnung mit dem amerikanischen Traum entpuppt.“ (Lexikon des internationalen Films)
Parker war Lee Marvin, Anna Karina, Michel Constantine, Jim Brown, Robert Duvall, Peter Coyote und, zuletzt, Mel Gibson, aber er hieß, obwohl die Filme auf den grandiosen Hardboiled-Gangsterthrillern von Richard Stark basierten, niemals Parker. Richard Stark (also eigentlich Donald E. Westlake) meinte, dass Parker erst dann in einem Film Parker heißen dürfe, wenn die Produzenten mehrere Parker-Filme machen wollten.
Keine Ahnung ob Dortmunder-Erfinder Donald E. Westlake das wirklich so meinte oder er nur witzelte. Jedenfalls darf in einem Film Parker jetzt zum ersten Mal Parker heißen und die Macher freuten sich so sehr darüber, dass sie den Film gleich „Parker“ nannten. Naja, warum auch nicht.
Und mit Jason Statham als Parker wurde eine gute Wahl getroffen. Denn er kann einen so rücksichtslosen Charakter glaubhaft verkörpern.
Dafür wurden dann einige, hm, Details an der Vorlage, dem Roman „Irgendwann gibt jeder auf“ (Flashfire) geändert. Aber die große Story bleibt erhalten: nach einem Diebeszug wird Parker von Melanders Gang um seinen Anteil betrogen. Melander und sein Team benötigen das Geld als Startkapital für einen größeren Coup in Palm Beach. Parker lässt diesen Betrug nicht auf sich sitzen. Er macht sich auf den Weg nach Palm Beach.
Außerdem nahmen die früheren Parker-Verfilmungen sich auch, mit unterschiedlichen Ergebnissen, Freiheiten bei der Geschichte.
Insofern ist „Parker“ eine mit Action aufgepumpte Variante der Vorlage, bei der es sogar einen Fenstersturz aus einem Hotelzimmer gibt (Erinnert ihr euch an „Sie nannten ihn Stick“?). Parker ist, was vor allem am Ende des Films auffällt, etwas weicher als in den Büchern gezeichnet. Und, das wird langjährige Parker-Fans am meisten nerven: Parker betont und rezitiert immer wieder seine Regeln. Das hatte der Buch-Parker nicht nötig. Er tat einfach, was getan werden musste.
Im Film sind Parkers Betonungen seiner Regeln und dass Regeln ein Abgleiten in das Chaos verhindern ein Gegenentwurf zum derzeitigen US-Kapitalismus, den Zockereien von Bankern die zu einer Wirtschaftskrise führten, und, wenn wir den Blick etwas weiten, dem „War on Terror“. Auch dass die US-Flagge öfter im Bild ist und der Film auf der Ohio State Fair, dem größten Jahrmarkt der USA, beginnt, tragen zu dieser kritischen Lesart bei, in der traditionelle amerikanische Werte konträr zur aktuellen Realität positioniert werden. Taylor Hackford, der ja in den Achtzigern mit Filmen wie „Ein Offizier und Gentleman“, „Gegen jede Chance“ und „White Nights“, immer inszeniert in einer gelackten Werbeästhetik, bekannt wurde, drehte seinen neuesten Film vor Ort und er zeigt durchgehend ein ungeschöntes Bild der USA und ihrer Verwerfungen.
Eine solche Allegorie im Gewand des Gangsterfilms wollte vor kurzem auch Andrew Dominik in seiner gründlich missglückten George-V.-Higgins-Verfilmung „Killing them Softly“ zeichnen. Weil Dominik während des gesamten Films einem seine Botschaft aber so penetrant und entsprechend einfältig um die Ohren schlug, langweilt sein Gangsterthriller schnell.
Hackford geht, unterstützt von einem klugen Drehbuch von „Black Swan„- und „Hitchcock“-Autor John McLaughlin, bei seiner Systemkritik viel subtiler vor und bei ihnen treiben die Dialoge die Handlung voran. Denn der gnadenlos effektive, auf sein Ziel fokussierte Profi Parker ist kein Mensch für Small-Talk.
Abgesehen von diesem politischen Hintergrund ist „Parker“ ein angenehm altmodischer, schnörkelloser, hochkarätig besetzter Gangsterthriller mit einer ordentlichen Portion bodenständiger Action. Im Zentrum stehen allerdings die Charaktere, wie sie versuchen, sich gegenseitig übers Ohr zu hauen und die Atmosphäre des amerikanischen Hinterlandes und von Palm Beach.
Taylor Hackfords „Parker“ gehört defintiv zu den gelungenen Parker-Verfilmungen. Er muss sich wahrlich nicht vor „Point Blank“ (mit Lee Marvin) und „Revolte in der Unterwelt“ (The Outfit, mit Robert Duvall) verstecken.
Anke Engelke eröffnet die diesjährige Berlinale, die Stars schlendern über den Teppich und täglich, so ab Mitternacht präsentiert 3sat das „Berlinale-Studio“ und ab so um 02.10 Uhr zeigt RBB die Berlinale-Pressekonferenzen. Die gibt es auch hier.
Parker, kein Vorname, ist eigentlich kein richtiger Charakter, kein Mensch, sondern ein Prinzip. Deshalb konnte Richard Stark, der Erfinder von Parker, seinen skrupellosen Dieb, den er nach sechzehn Romanen, die zwischen 1962 und 1974 erschienen, in den Tiefschlaf schickte, nach einer dreiundzwanzigjährigen Pause 1997 mit „Comeback“ (Verbrechen ist Vertrauenssache) wieder an dem Punkt weitermachen lassen, an dem er 1974 die Welt verließ. Er zog einfach einen neuen Coup durch, es gab Probleme, Parker löste sie mit mehr oder weniger viel Gewalt und am Ende konnte er, wie früher, mehr oder weniger unverletzt, mal mit, mal ohne Beute entkommen.
Seit dem „Comeback“ erschienen bis zu Starks Tod am 31. Dezember 2008 insgesamt acht weitere Parker-Bände, die immer spannende, kurzweilige Hardboiled-Literatur sind.
In „Irgendwann gibt jeder auf“, das 2000 als „Flashfire“ im Original als dritter neuer Parker-Band erschien, hat Parker Ärger mit Melander, Carlson und Ross. Nach einem Banküberfall wollen sie Parker überreden, bei ihrem nächsten großen Ding, einem Juwelenraub von 12 Millionen Dollar, Minimum!, in Palm Beach, mitzumachen. Parker lehnt ab: „Polizei, Sicherheitsdienste, Wachmänner, Posten, wahrscheinlich Hunde, mit Sicherheit Hubschrauber, Metalldetektoren, die ganze Latte. Und das dann noch in Palm Beach, wo es mehr Polizei pro Quadratkilometer gibt als irgendwo sonst auf der Welt. Die sind alle reich in Palm Beach, und sie wollen reich bleiben. Außerdem ist es eine Insel, mit drei schmalen Brücken; den Ort kann man absolut dichtmachen, wie in Folie eingeschweißt.“ Er will nur seinen Anteil. Ein paar Tausend Dollar. Weil die anderen das Geld allerdings als Startkapital benötigen, nehmen sie es sich von Parker und lassen ihn in einem Motelzimmer zurück.
Parker kann diesen Vertragsbruch nicht akzeptieren. Er macht sich auf den Weg nach Palm Beach.
„Irgendwann gibt jeder auf“ ist ein klassischer Parker-Roman und weil Richard Stark (ein Pseudonym von Donald E. Westlake), bis auf wenige, vernachlässigbare Ausnahmen und Details, ganz altmodisch seinen Helden einfach nur verschiedene Abenteuer erleben lässt, kann man die Romane auch unabhängig voneinander lesen und sich daran erfreuen, wie in einer durchkapitalisierten, utilitaristischen Welt ein Verbrecher, der seinem Moralcodex gehorcht, versucht zu überleben.
Dabei unterscheidet sich Parkers Kodex kaum von dem der anderen Verbrecher, außer dass er als Profi zu seinem Wort steht und Gewalt nur als ein rationales Mittel einsetzt, um seine Ziele zu erreichen. Wenn er ohne Gewalt seine Ziele erreichen kann, tut er es. Denn er will, als kleiner Unternehmer, als Einzelner, der bei Bedarf mit anderen Verbrechern zusammen arbeitet, vor allem möglichst unauffällig sein Geld in einer Welt, die zunehmend von großen Gruppen dominiert wird, verdienen. Und in diesen Momenten werden die auf den ersten Blick kleinen Gaunergeschichten, die man locker an ein, zwei Abenden lesen kann, zu tiefschwarzen Allegorien auf die US-amerikanische Gesellschaft und den Überlebenskampf des Einzelnen, der noch an Werte glaubt, während die großen Konzerne (einerlei ob Bank, Mafia oder Multinationaler Konzern) gewissenlos alle Schlupflöcher ausnutzen.
Und genau diesen Punkt nimmt Taylor Hackfords Verfilmung von „Irgendwann gibt jeder auf“, die ab Donnerstag als „Parker“ im Kino läuft, auf. „Parker“ ist letztendlich ein feiner Genrefilm, der sich, was für Parker-Fans nicht überraschend kommt, einige Freiheiten nimmt.
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Richard Stark: Irgendwann gibt jeder auf
(übersetzt von Rudolf Hermstein)
dtv, 2013
272 Seiten
9,95 Euro
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Deutsche Erstausgabe
Paul Zsolnay Verlag, 2010
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Originalausgabe
Flashfire
Mysterious Press, 2000
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Verfilmung
Parker (Parker, USA 2013)
Regie: Taylor Hackford
Drehbuch: John J. McLaughlin
mit Jason Statham, Jennifer Lopez, Michael Chiklis, Wendell Pierce, Clifton Collins Jr., Bobby Cannavale, Emma Booth, Nick Nolte
Gunter Gerlach: Lügen in Lünen (in: “Kalendarium des Todes”, Grafit)
Peter Probst: Das Wunder von Werne (in: “Kalendarium des Todes”, Grafit)
Regina Schleheck: Hackfleisch (in: “Mordsküche”, Der kleine Buchverlag)
Elmar Tannert: Unter dem Apfelbaum (in: “Tatort Garten”, ars vivendi)
Sabine Trinkaus: Agnus Dei (in: “Schöner Morden im Norden”, Pendragon)
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Hansjörg-Martin-Preis 2013 (Kinder- und Jugendkrimi)
Kirsten Boie: Der Junge, der Gedanken lesen konnte (Oetinger)
Wulf Dorn: Mein böses Herz (cbt)
Elisabeth Herrmann: Schattengrund (cbt)
Susan Kreller: Elefanten sieht man nicht (Carlsen)
Jutta Wilke: Wie ein Flügelschlag (Coppenrath)
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Friedrich-Glauser-Ehrenpreis 2013
Gunter Gerlach
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Die Verleihung der Glauser-Preise ist am 20. April auf der Criminale, dem „größten Krimifestival Europas“ oder „das grösste deutschsprachige Krimifestival Europas“ (die Criminale-Kriminalisten rätseln noch) in Bern.
Biopic über Harvey Milk, der in den siebziger Jahren in San Francisco politisch aktiv und bekannt wurde als erster offen homosexueller Stadtverordneter in den USA. Am 27. November 1978 wurde er in San Francisco von dem Ex-Cop und Ex-Stadtrat Dan White erschossen.
Für das Drehbuch und den Hauptdarsteller gab es einen Oscar. Sowieso erhielt „Milk“ noch etliche weitere Preise, noch mehr Nominierungen – und er läuft heute zum ersten Mal im TV. Auf einem Nischensender.
mit Sean Penn, James Franco, Emile Hirsch, Josh Brolin, Lucas Grabeel, Victor Garber
My Blueberry Nights (China/USA 2007, R.: Wong Kar-wai)
Drehbuch: Wong Kar-wai, Lawrence Block (nach einer Geschichte von Wong Kar-wai)
Elizabeth hat Liebeskummer. In einem kleinen New Yorker Café schüttet sie dem Kellner ihr Herz aus. Der verliebt sich in sie, aber sie macht sich auf eine Reise durch die USA. Auf ihrem Selbstfindungstrip begegnet sie anderen einsamen Seelen.
Lawrence Block war zwar irgendwie am Drehbuch beteiligt, aber letztendlich ist es ein Wong-Kar-wai-Film geworden.
Mit Norah Jones, Jude Law, Rachel Weisz, David Strathairn, Natalie Portman
Vengeance – Killer unter sich (Hongkong/Frankreich 2009, R.: Johnny To)
Drehbuch: Ka-Fai Wai
In Macao wird die Tochter des französischen Restaurantbesitzers Francis Costello in ihrer Wohnung schwer verletzt. Ihre Familie wird ermordet. Costello beschließt, die Täter zu stellen. Dabei helfen dem ehemaligen Profikiller einige Kollegen, die er zufällig im Hotel trifft.
Mit dem Neo-Noir „Vengeance“ zeigt Hongkong-Regisseur Johnnie To wieder einmal, wofür ihn Filmfans seitdem sie vor über zehn Jahren seinen stilisierten Gangsterfilm „The Mission“ (Unbedingt ansehen!) sahen, lieben: schnörkelloses Genrekino mit stilvoll eingestreuten Zitaten und gerade in ihrer Reduktion grandiosen Actionszenen. Das ist in seiner Stilisierung pures Kino, das näher bei Jean-Pierre Melville als an der Wirklichkeit ist.
mit Johnny Hallyday, Sylivie Testud, Anthony Wong, Simon Yam
LV: Philip K. Dick: Do Androids dream of Electric Sheep?; Blade Runner, 1968 (Träumen Roboter von elektrischen Schafen; Blade Runner)
LA, 2019: Rick Deckard soll vier Replikanten finden.
Damals kam er bei der Kritik solala an und im Kino lief er auch nicht so toll. Aber seitdem entwickelte „Blade Runner“ sich zu einem der stilbildenden Science-Fiction-Filme und Lieblingsobjekte von Wissenschaftlern für Interpretationen.
„Der Final Cut“ ist die von Ridley Scott ursprünglich geplante Version, die sich nur in Details von früheren Versionen (Off-Sprecher, Ende, einige Effekte und minimal andere Schnittfolgen) unterscheidet.
Eine zeitgenössische Kritik: „’Blade Runner’ ist ein Film des Dekors (…) Technische Phantasie und die Story, soweit sie erkennbar wird, liegen weit über dem Standard heutiger Science-fiction-Filme. Dennoch ist auch ‘Blade Runner’ ein eher unerfreulicher Film: Er kokettiert nicht nur mit der Gewalt, er schlachtet sie genussvoll aus, menschliche Werte behauptet er nur zu retten, tatsächlich aber versenkt er sie in einem Meer von Zynismus.“ (Fischer Film Almanach 1983)
Ähnlich Ronald M. Hahn/Volker Jansen in „Lexikon des Science Fiction Films“ (1983): „Mehr jedoch als die zum großen Teil unbekannten Schauspieler sind die Trickspezialisten die wahren Stars dieses Films.“
Heute wird’s anders gesehen: „Der Film, der auf der Handlungsebene einem eher einfachen und klar strukturierten Muster folgt (…), eröffnet bei genauerer Betrachtung vielschichtige Bedeutungsebenen, die vor allem zahlreiche Reflexionen über die neuzeitliche Realitätsauffassung und den damit verbundenen Humanitätsbegriff zulassen.“ (Fabienne Will in Thomas Koebner, Hrsg.: Filmgenres Science Fiction, 2003)
„Twenty-five years after its first release Blade Runner is still the benchmark film in tech noir or future noir – a bleak fusion of sci-fi and noir.“ (Alexander Ballinger, Danny Graydon: The Rough Guide to Film Noir, 2007)
Mit Harrison Ford, Rutger Hauer, Sean Young, Edward James Olmos, M. Emmet Walsh, Daryl Hannah, Joanna Cassidy
LV: John D. MacDonald: The executioners, 1957 (eine gekürzte deutsche Ausgabe erschien unter „Ein Köder für die Bestie“, ungekürzt – 1992 im Heyne Verlag – unter „Kap der Angst“)
Cady will sich nach 14 Jahren Haft an seinem Pflichtverteidiger Bowden rächen. Dieser unterschlug damals entlastende Beweise.
Das Remake von „Ein Köder für die Bestie“ ist als Scorsese-Film enttäuschend, als – auch brutales – Psycho-Duell zwischen Nick Nolte und Robert de Niro hochspannend. Und wenn Robert de Niro Juliette Lewis im Märchenwald verführt, gefriert einem das Blut.
Mit Nick Nolte, Robert de Niro, Jessica Lange, Juliette Lewis, Joe Don Baker, Martin Balsam, Gregory Peck, Robert Mitchum
Kathryn Bigelow sagt in „Zero Dark Thirty“ nicht, dass Folter zur Ergreifung des Terroristen Osama bin Laden führte. Das war kleinteilige und entsprechend langweilige Geheimdienstarbeit, in der Informationen gesammelt, geprüft und nochmal geprüft werden und am Ende hat man, wie eine Besprechung der Geheimdienstler und hochrangiger Beamter vor der Entscheidung, ob sie ein Navy-SEALS-Team nach Abbottabad schicken sollen, nur eine Gewissheit von sechzig Prozent. Nach all der monatelangen Beobachtung des Hauses hätte man genausogut eine Münze werfen können.
Aber dieser Punkt kann leicht übersehen werden und Bigelow hat die Geschichte der Jagd der CIA nach Osama bin Laden von dem Anschlag auf das World Trade Center bis zu seinem Tod in einer bestimmten Art und Weise angeordnet, die mindestens den Schluss nahelegt, dass Folter ein probates Mittel sei, um an valide Informationen zu kommen und dass Folter deshalb ein unverzichtbarer Teil bei dem erfolgreichen Kampf gegen al Qaida war. Was diese These für künftige Kriege bedeutet, können wir uns denken.
Denn diese Behauptung ist mindestens umstritten. Ich würde sogar sagen Quatsch. In jedem Fall – weil sie die Jagd ausschließlich aus der Binnenperspektive der CIA erzählt – verliert sie kein Wort über die nationale und internationale Diskussion über Folter und zu welchem Ansehensverlust der USA diese Verletzung elementarer Menschenrechte führte. Sie sagt auch nichts über die vielen Unschuldigen, die gefoltert wurden, und die vielen unnützen Informationen, die die Gefolterten den Folterern gaben.
Diese Der-Zweck-heiligt-die-Mittel-Legitimation war ihr, auch wenn sie die Folterungen am Filmanfang quasi dokumentarisch zeigt, sehr wichtig. Immerhin ist „Zero Dark Thirty“ mit gut drei Stunden Laufzeit überlang geraten und man hätte durchaus über Kürzungen nachdenken können.
Ungefähr die erste Stunde der Filmgeschichte, die unmittelbar nach dem 11. September 2011 beginnt, vergeht mit episch gezeigten Folterungen, einem Bombenattentat auf ein Hotel, in dem Westler speisen, und einem Selbstmordattentat in einer US-Militärbasis, bei dem viele US-Soldaten und auch eine CIA-Agentin sterben. Sie war eine ältere Kollegin von Maya Lambert (Jessica Chastain), einer jungen CIA-Agentin, die sich gerade die ersten Sporen verdient und die so etwas wie die Protagonistin des Films ist.
Im zweiten Teil werden dann die kleinteiligen Recherchen von Maya über viele Jahre und ihr zunehmender, nie erklärter Fanatismus bei der Jagd nach bin Laden, gezeigt. Da wird sie fast zu einer Erin Brokovich, die einen aussichtslosen Kampf aufnimmt. Sie hat recht. Aber all die CIA-Männer glauben ihr nicht.
Im dritten Teil, der mit den direkten Vorbereitungen wieder ungefähr eine Stunde dauert, wird dann der Einsatz des Navy SEALS Team Six auf das Anwesen in Abbottabad in der Nacht vom 1. zum 2. Mai 2011 gezeigt. Ungefähr in Echtzeit. Jedenfalls gibt es so um die fünfundvierzig Minuten dunkle, verwackelte Bilder, teilweise auch grünstichige Aufnahmen durch die Nachtsichtgeräte der Soldaten, keine Musik und nur wenige, kaum verständliche Dialoge, meistens über Funk. Maya bleibt bei diesem Einsatz außen vor – und weil die Soldaten, die Terroristen und die Bewohner des Hauses alle austauschbar bleiben, langweilt diese Szene auch zunehmend. Fast so, als ob man sich ein Fußballspiel ansieht, bei dem die Spieler gesichtslos bleiben und das Ergebnis auch schon bekannt ist.
Bigelow erzählt diese Geschichte chronologisch, aber eher fragmentarisch. Fast so, als habe man ausgewählte Tonbandmitschnitte aneinander geklebt. Das soll das Authentische betonen. Allerdings ist davon, im Gegensatz zu einer Reportage, nur wenig überprüfbar. „Zero Dark Thirty“ ist, weil die Macher in Interviews immer wieder das Dokumentarische, die große Faktentreue, die vielen Interviews, die sie mit Insidern führten, betonen und den Film einen „Reportagefilm“ nennen, der vom New Journalism (also Autoren wie Tom Wolfe, Gay Talese, Hunter S. Thompson, Truman Capote und Norman Mailer) beeinflusst sei, nicht das von ihnen behauptete filmische Äquivalent zu einer Reportage, sondern zu einem Kommentar. Sie erzählen nur eine dramatisierte Version der Wirklichkeit.
Nach dem gelungenen „The Hurt Locker“, der ersten Zusammenarbeit von Mark Boal und Kathryn Bigelow, ist „Zero Dark Thirty“ eine ziemlich herbe Enttäuschung, die unter einem unfokussiertem Drehbuch und der Absicht, den Menschen im Schatten, die Osama bin Laden jagten und töteten ein Denkmal zu setzen, leidet. Für ein solches Heldenporträt muss man nicht gleich den gesamten Film ausschließlich und ohne jegliche Distanz aus der Perspektive der CIA-Agenten und Soldaten erzählen.
Zero Dark Thirty (Zero Dark Thirty, USA 2012)
Regie: Kathryn Bigelow
Drehbuch: Mark Boal
mit Jessica Chastain, Jason Clarke, Jennifer Ehle, Fares Fares, James Gandolfini, Kyle Chandler, Harold Perrineau, Reda Kateb, Mark Strong, Edgar Ramirez, Frank Grillo, Mark Valley
Heute startet die fünfte Staffel von „Castle“, die am Morgen nach dem Ende der vierten Staffel (als NYPD-Detective Kate Beckett, die gerade ihren Job quittiert hatte, verzweifelt an die Tür des Thrillerautors Richard Castle anklopfte) beginnt. Kate will immer noch herausfinden, wer ihre Mutter vor Jahren ermordete. Ihre Kollegen und Richard helfen ihr bei der Suche nach den mächtigen Hintermännern des Mordes.
Die Auftaktfolge der neuen Staffel der Crime-Comedy ist, weil ein persönlicher Fall im Mittelpunkt steht, eher enttäuschend. Aber immerhin gibt es ein gewisses Ende von Kates Jagd nach dem Mörder ihrer Mutter und ab nächster Woche wird wieder Dienst nach Vorschrift geleistet.
mit Nathan Fillion, Stana Katic, Susan Sullivan, Jon Huertas , Seamus Dever, Molly Quinn, Penny Johnson Jerald, Jack Coleman, Geoff Pierson, Tahmoh Penikett
„Heat Rises – Kaltgestellt“, der dritte Nikki-Heat-Roman von Richard Castle ist bei Cross Cult erschienen. Kate Beckett ist das Vorbild für Nikki Heat.