Die US-Kritiker waren mit dem Film so unzufrieden, dass Hauptdarsteller Johnny Depp, Regisseur Gore Verbinski und Produzent Jerry Bruckheimer in einem Interview die schlechten Kritiken und die negativen Meldungen, die es teilweise schon während der sich ewig hinziehenden Vorproduktion und der Dreharbeiten gab, für den finanziellen Misserfolg des Films verantwortlich machten. Das schmeichelte sicher dem Ego der US-Kritiker, aber wenn ich einen Blick auf andere, von der Kritik negativ besprochenen Filme und die Einspielergebnisse werfe, sehe ich keinen so einfachen Zusammenhang. Immerhin wurden Verbinskis zweiter und dritter „Piraten der Karibik“-Film auch nicht überwältigend besprochen und die kommerziell überaus erfolgreichen Blockbuster von Michael Bay werden regelmäßig verrissen.
Es kann daher auch sein, dass niemand den Film sehen will, weil er schlecht ist.
Die erstaunlich lieblose DVD-Veröffentlichung (Es sind nur zwei zusätzliche, weitgehend animierte Szenen und einige Pannen beim Dreh vorhanden. Sogar auf den Trailer wurde verzichtet.) bietet die Möglichkeit, das mit etwas Abstand zu überprüfen. Denn, immerhin meinte Bruckheimer, dass „Lone Ranger“ wie „Der Zauberer von Oz“ „Ist das Leben nicht schön?“, „2001: Odyssee im Weltraum“ und „Blade Runner“ mit der Zeit gewinnen und als Meisterwerk anerkannt werde.
Nun, das glaube ich nicht. Dafür ist „Lone Ranger“ einfach zu schlecht, aber es könnte einer dieser Feiertagsfilme werden, die man sich immer wieder, wenn auch nur bis zur nächsten Werbepause, ansieht, weil die gesamte Filmgeschichte zwar keinen Sinn macht, es aber einige eher müde Witze und, am Ende, eine ziemlich spektakuläre, slaptstickhafte Actionszene gibt, die deutlich von Stummfilmen, wie Buster Keatons „Der General“, inspiriert ist. Nur dass Verbinski die Action auf zwei Züge und mehr oder weniger nebeneinander verlaufenden Gleisen verlegte. Das ist dann so beeindruckend wie sinnfrei.
Davor gibt es eine chaotische Geschichte über einen Eisenbahnbauer, der im Indianergebiet illegal Gold abbauen will und der dafür, illegal und unbemerkt, gleich Gleise ins Indianergebiet verlegte. Seine skrupellosen Handlanger bringen in einem Hinterhalt John Reids Bruder und weitere Gesetzeshüter um. Nur John Reid (Armie Hammer), der sich jetzt „The Lone Ranger“ nennt, überlebt den Hinterhalt und gemeinsam mit dem Indianer Tonto (Johnny Depp) beginnen sie die Bösewichter zu jagen.
Dieses Chaos wird, in einer 1933 in San Francisco spielenden Rahmenhandlung, von Tonto erzählt und jede Unlogik kann natürlich damit erklärt werden, dass Tonto ein chronisch unzuverlässiger Erzähler ist, der sich immer wieder in den Mittelpunkt rückt. Denn in den ursprünglichen „Lone Ranger“-Geschichten ist Tonto nur der Gehilfe des edlen Lone Rangers.
Der Lone Ranger ist ein legendärer, von Fran Striker erfundener Charakter, der zuerst in den Dreißigern im Radio Bösewichter jagte. Bis September 1954 entstanden dreitausend „Lone Ranger“-Radioepisoden. Später trat der „Lone Ranger“ auch, ebenfalls äußerst erfolgreich, im Kino, im Fernsehen, in Romanen und in Comics auf. Die Geschichten waren für ein jugendliches Publikum geschrieben. Deshalb musste der „Lone Ranger“ sich auch immer gut benehmen, wie man aus den von Fran Striker und Radioproduzent George Trendle formulierten Statuten erfährt: „Der Ranger ist ein Mann, der allen Widrigkeiten trotzt und niemals aufhört zu kämpfen, sich aber auch die Zeit nimmt, einem Vogel mit einem verletzten Flügel zu helfen. (…) Der Ranger spricht immer klar und deutlich, ohne Dialekt- oder Slangbegriffe. (…) Der Ranger schießt nie, um zu töten. (…) Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit gegenüber Kindern ist wichtig. Das Einhalten von Gesetzen und der Respekt gegenüber der Polizei ebenso.“
Tja, ein ziemlich naiver Held für ein sehr junges Publikum.
Mit dem originalen Lone Ranger hat diese viel zu teuer geratene Verfilmung, außer einigen Accessoires – die Maske des Lone Rangers, die Verkleidung des Lone Rangers, die Augenbinde des Lone Rangers – und einer extremen Schwarz-Weiß-Zeichnung der Charaktere, nichts mehr zu tun. Auch der naive Charme der alten, für ein Taschengeld produzierten Serials fehlt.
Als Spielfilm setzt Verbinskis Werk sich, weil nie eine erzählerische Haltung erkennbar ist, als „Piraten der Karibik“-im-Wilden-Westen-Übung zwischen die Stühle. Einerseits soll die Klamauk-Ebene bedient werden, andererseits soll die Pracht des Wilden Westens wie in einem klassischen Western auf der Leinwand erstrahlen. Dabei durchkreuzt der eine erzählerische Ansatz immer wieder den anderen, nichts funktioniert und am Ende hat der „Lone Ranger“ höchstens die Faszination eines missglückten Experiments: die Zutaten stimmen, das Ergebnis nicht.
Dabei hat es nicht am Geld gelegen. Immerhin kostete der „Lone Ranger“ ungefähr 215 Millionen Dollar. „Django Unchained“ kostete 100 Millionen, „True Grit“ 38 Millionen, „Appaloosa“ 20 Millionen, „Todeszug nach Yuma“ 55 Millionen, „Open Range“ 22 Millionen und „Erbarmungslos“ 14,4 Millionen. Alle diese Western sind deutlich gelungener und sie fanden ihr Publikum, weil sie das hatten, was dem „Lone Ranger“ fehlt: eine Geschichte.
Lone Ranger (The Lone Ranger, USA 2013)
Regie: Gore Verbinski
Drehbuch: Ted Elliott, Terry Rossio, Justin Haythe
mit Johnny Depp, Armie Hammer, Tom Wilkinson, Ruth Wilson, William Fichtner, Barry Pepper, James Badge Dale, Helena Bonham Carter
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DVD
Disney
Bild: 2,40:1 (16:9)
Ton: Deutsch, Englisch, Türkisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch, Englisch für Hörgeschädigte, Türkisch
Bonusmaterial: Zusätzliche Szenen, Pannen beim Dreh
Länge: 143 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Rotten Tomatoes über „Lone Ranger“
Wikipedia über „Lone Ranger“ (deutsch, englisch)