Okay, Mark Millers Comic „Wanted“ hat schon einige Jahre auf dem Buckel und Timur Bekmanbetovs Verfilmung ist von 2008.
Aber die jetzt erschienene, schöne Sammler-Edition (mit Figurendossiers, Cover-Galerie, Figurenentwürfen und entfallenen Szenen) ist ein guter Anlass, sich den Mark Millar geschriebenen und J. G. Jones gezeichneten Comic wieder (?) durchzulesen.
Wesley Gibson ist ein Jedermann, „ein ganz normaler Kerl in einer miesen Lage“ (Gibson über Gibson). Mit 24 Jahren geht er in einem Großraumbüro einem beschissenen Job nach, für den er überqualifiziert ist (sogar mit abgebrochener Hauptschule wäre er überqualifiziert) und der von seiner Freundin betrogen wird.
Da erfährt er, dass sein Vater, den er nicht kannte, gestorben ist.
Mit dieser Nachricht wird sein Leben auf den Kopf gestellt. Denn sein Vater war stinkreich und Mitglied einer Loge. Einer ultrageheimen Bruderschaft von – und ungefähr hier beginnen Buch und Film sich radikal zu unterscheiden – Superschurken, die vor einigen Jahren die Superhelden, die sie immer bei ihren Verbrechen behinderten, vernichteten. 1986 teilten sie, in schönster Mafia-Tradition, die Welt untereinander in fünf Gebiete auf. Seitdem regieren sie unangefochten und ungestört. Gibson soll jetzt ebenfalls ein Mitglied dieser Gemeinschaft werden.
Außerdem will er herausfinden, wer seinen Vater mit einem Schuss aus einer Entfernung von zwei Städten ermordete. Sein Tod scheint im Zusammenhang mit einem gerade tobendem Machtkampf der Superschurken untereinander zu stehen.
Mit „Wanted“ hatte Mark Millar, nachdem er bereits seit längerem als Autor für verschiedene Comicserien arbeitete, vor zwölf Jahren seinen Durchbruch als Autor und Schöpfer eigener Comicwelten, die er seitdem in seinem für „Wanted“ gegründetem Label „Millarworld“ veröffentlicht.
Im Original erschienen die sechs „Wanted“-Hefte zwischen Dezember 2003 und Februar 2005, in denen er die Geschichte von Gibson sehr sprunghaft erzählt. Es gibt weniger eine Entwicklung oder eine sich stetig entwickelnde Geschichte, sondern Episoden. Oder, musikalisch ausgedrückt: „Wanted“ ist keine Symphonie, sondern eine Abfolge von Punksongs.
Davon abgesehen hat die Geschichte von Wesley Gibson schon alle Markenzeichen einer Millar-Geschichte, indem er vertraute Topoi neu, respektlos und damit überraschend zusammenmischt. Immer mit viel schwarzem Humor. Es ist auch gleichzeitig und stärker als in seinen späteren Werken, die Allmachtsphantasie eines Nerds. Denn Gibson kann als Killer plötzlich alles das machen, was er im realen Leben nie konnte. Dies thematisiert Millar am Ende von „Wanted“ auch ganz direkt, indem Gibson die Leser darauf anspricht.
Die Verfilmung – nun, Ähnlichkeiten mit der Vorlage sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
RTL II zeigt sie am Freitag, den 9. Dezember, um 22.35 Uhr und 04.00 Uhr.
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Mark Millar/J. G. Jones: Wanted (Mark Millar Collection 1)
(übersetzt von Bernd Kronsbein)
Panini Comics, 2016
192 Seiten
19,99 Euro
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Originalausgabe
Wanted # 1 – 6
Millarworld/Top Cow Productions, Dezember 2003 – Februar 2005
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Verfilmung
Wanted (Wanted, USA 2008)
Regie: Timur Bekmambetov
Drehbuch: Michael Brandt, Derek Haas, Chris Morgan (nach einer Geschichte von Michael Brandt und Derek Haas)
LV: Mark Millar/J. G. Jones: Wanted, 2003/2005 (Wanted)
mit James McAvoy, Morgan Freeman, Angelina Jolie, Terence Stamp, Thomas Kretschmann, Common, Chris Pratt
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Hinweise
Meine Besprechung von Mark Millar/Steve McNivens „Nemesis“ (Nemesis, 2010/2011)
Meine Besprechung von Mark Millar/Grant Morrisons “Vampirella: Heiliger Krieg (Master Series 1)”
Meine Besprechung von Jeff Wadlows Mark-Millar-Verfilmung „Kick-Ass 2“ (Kick-Ass 2, USA 2013)