Zoë Beck schreibt keine banalen, humoristisch geprägten Regiokrimis, keine Serienkillerthriller und bei ihr ermittelt auch kein Kommissar, der in jedem neuen Roman der Serie mehr persönliche Probleme und in blutige Verbrechen involvierte Freunde und Familienmitglieder hat. Becks Romane sind Einzelwerke, Standalones, bei denen schon der Klappentext das Interesse und die Hoffnung auf ein ungewöhnliches Leseerlebnis weckt. Ihre Romane erhalten hymnische Kritiken, stehen regelmäßig auf der Krimibestenliste und erhalten Preise, wie den Friedrich-Glauser-Preis, den Deutschen Krimi Preis und den Radio-Bremen-Krimipreis.
Auch ihr neuester Roman „Paradise City“ steht auf der Krimibestenliste. Aktuell auf dem ersten Platz. Und es gibt euphorische Kritiken. Unter anderem weil der Thriller in einer Zukunft spielt, in der Deutschland nach mehreren Pandemien anders aussieht als wir es kennen.
In diesem Deutschland ist Deutschland eine Überwachungsgesellschaft, in der die Regierung alles kontrolliert und die Gesundheitsdaten der Bevölkerung pausenlos überwacht werden. Frankfurt am Main ist die Hauptstadt. Sie liegt mitten in einer Rhein-Main-Megacity. Das Hinterland ist in der Entwicklung zurückgeblieben.
Liina arbeitet für eines der wenigen noch bestehenden unabhängigen Nachrichtenportale, die nicht die Regierungspropaganda, sondern die Wahrheit verbreiten. Als sie in der Uckermark die Hintergründe über eine wahrscheinlich erfundene Wolfsattacke recherchiert, wird ihr Chef Yassin Schiller in Frankfurt vor eine U-Bahn gestoßen. Schwer verletzt und nicht ansprechbar liegt er im Krankenhaus. Liina und ihre Kollegen vermuten, dass auf ihren Chef ein gezielter Mordanschlag verübt wurde und dass dieser Anschlag mit einer aktuellen Recherche zusammenhängt. Nur mit welcher?
In die eher lustlos und entsprechend träge erzählte Geschichte dieser Mörderjagd streut Beck Rückblenden in Liinas Vergangenheit ein, die auf den ersten, zweiten und dritten Blick nichts mit der Haupthandlung zu tun haben. Dass diese Kindheits- und Jugenderinnerungen doch irgendwie wichtig sind, ahnt man bereits beim Lesen. Das gleiche gilt für die Rückblenden, in denen erzählt wird, wie Liina ihr neues Herz erhielt, das aus ihren Stammzellen gewonnen wurde. Schließlich ist „Paradise City“ ein Thriller und keine episodische Coming-of-Age-Geschichte oder ein hochliterarischer, ein ganzes Leben erzählender Roman. Diese Zusammenhänge zwischen den Rückblenden, den Anschlag auf Yassin in Frankfurt und den Wolfsattacken in der Uckermarck werden erst auf den letzten Seiten klar. Bis dahin stochert Liina im Nebel herum. Auch wir Leser sind nicht schlauer.
Das ist dann in all seiner Rätselhaftigkeit nicht sonderlich spannend. Bei mir hat eine so konstruierte Thrillergeschichte sogar einen Not-Pageturner-Effekt.
„Paradise City“ ist ein enttäuschender Thriller, der selbstverständlich mit der aktuellen Coronavirus-Pandemie nichts zu tun hat. Es wurde schon lange vor der Pandemie geschrieben.
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Zoë Beck: Paradise City
Suhrkamp, 2020
288 Seiten
16 Euro
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Hinweise
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