Mitten in einer Oktobernacht erschießt Billy Flynn auf einer einsamen Landstraße im ländlichen Florida den jungen Afroamerikaner Derek Willis. Auf den ersten Blick ist Billys Schusswaffeneinsatz während der Routine-Verkehrskontrolle gerechtfertigt gewesen. Immerhin wollte Willis fliegen, neben der Leiche liegt ein Revolver und im Kofferraum des Autos finden sich in einer Nylontasche weitere Schusswaffen. Außerdem gehört das Auto nicht Willis.
Aber Sara Cross, die frühere Freundin von Billy und, nach Billys Meldung in die Zentrale, erste Beamtin am Tatort, fragt sich trotzdem, ob es wirklich so war, wie Billy erzählt. Immerhin ist der zweiundzwanzigjährige Willis bislang ein unbescholtener Bürger, der brav in Newark, New Jersey, an der Universität studiert und eine Familie gründen will. Cross fragt sich, was Willis auf der einsamen Landstraße so weit weg von seiner Heimat gesucht hat.
Währenddessen beauftragt in Newark der Drogenboss Mikey-Mike den Killer Morgan, ihm sein Geld wieder zu besorgen. Denn in Willis‘ Auto sind neben den Waffen 350.000 Dollar versteckt. Mit dem Geld sollten Drogen bezahlt werden. Morgan soll, wenn er schon in Florida ist, auch gleich Billy und Sara töten. Immerhin sind sie die Polizisten, die als erste am Tatort waren, und damit für den Tod seines Kuriers verantwortlich sind.
Auf dem Cover von „Zum Greifen nah“ steht „Sara-Cross-Krimi“. Das erweckt den Eindruck, dass es sich um den Auftakt einer Serie handelt. Dabei ist „Zum Greifen nah“ ein Einzelroman. Die alleinerziehende Cross ist nur die Protagonistin von diesem Krimi, den Wallace Stroby genauso schnörkellos wie seine vier Romane um die Profieinbrecherin Crissa Stone erzählt. Nur dass dieses Mal, wie man es aus den Romanen von George Pelecanos kennt, Musik und damit verbundene popkulturelle Referenzen eine wichtige Rolle spielen. Besonders Morgan achtet immer auf den richtigen Soundtrack. Die Story selbst läuft, mit kleinen Überraschungen geradlinig auf das finale Duell zwischen Morgan und Sara Cross hinaus.
Bis es dazu kommt, steigt in Hopedale die Mordrate kräftig.
Für die Hardboiled-Fans ist „Zum Greifen nah“ ein echter Pageturner, der für seine Story nicht allzu viele Seiten und Worte benötigt.
Hoffentlich entschließt der Pendragon-Verlag sich noch, die anderen Romane von Wallace Stroby zu übersetzen. Im Moment sind nämlich keine weiteren Übersetzungen geplant. Bis dahin kann man die schon übersetzten Crissa-Stone-Gangsterromane lesen. Die Reihenfolge ist egal. Sie sind als zeitgemäßes, menschliches Update von Richard Starks Parker eine ausgezeichnete, spannende und sehr kurzweilige Lektüre.
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Wallace Stroby: Zum Greifen nah
(übersetzt von Bernd Gockel)
Pendragon, 2020
360 Seiten
18 Euro
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Originalausgabe
Gone ‚til November
Minotaur Books/St. Martin’s Press, 2010
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Die bisherigen Verbrechen des Herrn Stroby
Harry Rane
1. The Barbed-Wire Kiss (2003)
2. The Heartbreak Lounge (2005)
Crissa Stone
1. Kalter Schuss ins Herz (Cold Shot to the Heart, 2011)
2. Geld ist nicht genug (Kings of Midnight, 2012)
3. Fast ein guter Plan (Shoot the Woman First, 2013)
4. Der Teufel will mehr (The Devil’s Share, 2015)
Einzelwerke
Zum Greifen nah (Gone ‚Til November, 2010)
Some Die Nameless (2018)
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Hinweise
Meine Besprechung von Wallace Strobys „Kalter Schuss ins Herz“ (Cold Shot to the Heart, 2011)
Meine Besprechung von Wallace Strobys „Geld ist nicht genug“ (Kings of Midnight, 2012)
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