Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Heißt es. Und seitdem Statistikprogramme auch kostenlos verfügbar sind, kann jeder sie mit Zahlen füttern, mit ihnen spielen und sich an den so entstehenden Grafiken erfreuen. Er kann sie in einen Vortrag einbauen. Auch in Zeitungen gibt es immer mehr Grafiken und Statistiken. Sie sind beliebt, weil sie schnell Zusammenhänge und Dimensionen verdeutlichen. Sie sind auch einfacher zu verstehen als Tabellen mit vielen Zahlen. In der Wochenzeitung „Die Zeit“ gibt es seit Jahren im Wissensteil eine einseitige Infografik, die mal mehr, mal weniger wichtige Themen behandelt, aber immer Daten aus verschiedenen Quellen zu bunten Bildern zusammenfügt.
Einer der Autoren dieser Seite ist der Datenjournalist Tin Fischer. In seinem Buch „Linke Daten – rechte Daten: Warum wir nur das sehen, was wir sehen wollen“ schreibt er darüber. Die auch von ihm erstellten Infografiken sehen objektiv aus. Aber sie sind es nicht. Schließlich können, um im Duktus des Buchtitels zu bleiben, linke und rechte Politiker fast immer die Statistik und Grafik zücken, die ihre Argumente untermauert. Je nach Thema geht bei den einen gerade das Abendland unter, während bei den anderen alles immer besser wird.
In seinem Buch beschäftigt Fischer sich mit verschiedenen kontroversen Diskussionen in den Bereichen Gesundheit, Gewalt, Geld und Ökologie. Es geht unter anderem um die gestiegene Lebenserwartung, die Gefahren des Rauchens und die abnehmende Zahl von Rauchern, Cannabis, Morde, Ausländerkriminalität, Krieg und Frieden (und die Rolle der Europäischen Union dabei), die globale Einkommensverteilung (und die Frage, welche Armut zugenommen hat), den Intelligenztest, den Klimawandel und die Energiewende.
Er zeigt in seinem populärwissenschaftlichem Sachbuch immer wieder, dass die Realität komplizierter als der erste Anschein (oder die erste Grafik) ist. Er zeigt auch, wie in der Auswertung bestimmte Kriterien bei der Auswertung zu ganz anderen Ergebnissen führen können. Es ist ein Unterschied, ob absolutes oder relatives Wachstum verglichen wird. Es ist ein Unterschied, ob ein Zeitraum von zehn, zwanzig oder hundert Jahren verglichen wird. Es ist ein Unterschied, welche Gruppen zusammengefasst werden.
Er weist darauf hin, dass manchmal bestimmte Annahmen zu anderen Ergebnissen führen können. Wobei selbst diese Annahmen manchmal strittig sind. Denn es handelt sich um Annahmen darüber, ob bestimmte Dinge miteinander zusammenhängen. Außerdem kann natürlich nur mit den Daten gearbeitet werden, die vorhanden sind.
Das und die damit verbundenen Probleme zeigt Fischer gut auf.
Weniger geht er auf die direkte Arbeit von Statistikern bei der Erhebung und Verarbeitung von Daten ein. Dabei, und das wissen alle Statistiker, können schon bei der Erhebung schwere Fehler gemacht werden. Deshalb fragen sie auch immer nach der Herkunft der Daten, der Qualität der Daten und, bei Umfragen, den gestellten Fragen.
„Linke Daten – rechte Daten“ ist ein populärwissenschaftliches Sachbuch, das vor allem zeigt, dass vieles komplizierter ist als es auf den ersten Blick scheint.
Insofern ist das flott zu lesende und bei den Fallbeispielen informative Buch eine gute Aufforderung, einfachen Antworten zu misstrauen und bei Statistiken und Grafiken auch zu fragen, ob es wirklich den behaupteten Zusammenhang gibt oder es sich nur um eine Korrelation handelt oder ob, was auch passieren kann, die richtige Ursache übersehen wurde. Oder ob die Statistik so manipuliert wurde, dass die beabsichtigte Aussage präsentiert werden kann.
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Tin Fischer: Linke Daten – rechte Daten
Hoffmann und Campe, 2022
240 Seiten
25 Euro
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Hinweise