Pietro und Bruno lernen sich 1984 kennen. Damals war Pietro ein elfjähriger Stadtjunge, der mit seinen Eltern den Sommer in den italienischen Alpen im Aostatal in einem kleinen Dorf verbrachte. Das war damals eine von der Welt vergessenene Gegend, in der noch weitgehend wie vor Jahrhunderten gelebt und gearbeitet wurde. In den vergangenen Jahren verließen die meisten Dorfbewohner das Dorf. Bruno ist ein wenige Monate älterer einheimischer Junge, der sich über den neuen Spielkameraden freut. Denn sie sind in der Gegend die beiden einzigen Kinder.
„The Broken Circle“-Regisseur Felix van Groeningen und seine Lebensgefährtin Charlotte Vandermeersch, die mit ihm das Drehbuch schrieb und erstmals Regie führte, inszenierten ihr im unüblichen 4:3-Format gedrehtes Alpendrama „Acht Berge“ nach dem Roman von Paolo Cognetti. Van Groeningen und Vandermeersch veränderten die Struktur des Romans – Cognetti springt zwischen den Zeiten, van Groeningen und Vandermeersch erzählen chronologisch – und schildern die sich über Jahrzehnte bis fast in die Gegenwart erstreckende Freundschaft zwischen Pietro und Bruno. Aus Kindern werden junge Männer und dann Erwachsene. Sie treffen sich immer wieder und sehen sich auch immer wieder über mehrere Jahre nicht. Bruno bleibt in den Bergen. Pietro erkundet die Welt und arbeitet auch im Himalaya.
Das folgt keiner klassischen Drehbuchdramaturgie, sondern dem langen, ruhigen Fluss des Lebens. Van Groeningen und Vandermeersch erzählen die Geschichte der Freundschaft zwischen den beiden Jungs strikt chronologisch. Sie erzählen episodisch und elliptisch. Auf Erklärungen und dramatische Zuspitzungen verzichten sie. Daher wird der immerhin gut zweieinhalbstündige Film mit zunehmender Laufzeit auch etwas länglich. Das Ende düfte, angesichts von Felix van Groeningens bisherigem Werk niemand überraschen.
So ist „Acht Berge“ durchaus gelungen in der Zeichnung seiner Figuren, der Schilderung verschiedener Lebensentwürfe und einer Freundschaft, die anscheinend durch nichts, jedenfalls nichts profan-weltliches, zerstört werden kann. Aber, wie viele andere aktuelle Filme, die einfach nur chronologisch und mit Zeitsprüngen ihre Geschichte erzählen, will sich letztendlich keine überbordende Beigesterung einstellen. Die Zutaten sind vorhanden, aber die Anordnung ist zu beliebig.
Acht Berge (Le otto montagne, Italien/Belgien/Frankreich 2022)
Regie: Felix van Groeningen, Charlotte Vandermeersch
Drehbuch: Felix van Groeningen, Charlotte Vandermeersch
LV: Paolo Cognetti: Le otto montagne, 2016 (Acht Berge)
mit Luca Marinelli, Alessandro Borghi, Filippo Timi, Elena Lietti, Cristiano Sassella, Lupo Barbiero, Andrea Palma, Francesco Palombelli, Elisabetta Mazzullo
Länge: 148 Minuten
FSK: ab 6 Jahre
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Hinweise
Rotten Tomatoes über „Acht Berge“
Wikipedia über „Acht Berge“ (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von Felix van Groeningens „Beautiful Boy“ (Beautiful Boy, USA 2018)