Horst Eckert erkundet „Die Macht der Wölfe“

Hauptkommissar Vincent Veih verbringt mit seiner Kollegin und inzwischen auch Freundin Melia Adan in Berlin ein gemeinsames Wochenende. Das Programm für verliebte Paare wird von Melias Vater, ein sich ‚im Ruhestand‘ befindender einflussreicher Politiker, gestört. Er bittet sie zu einem Gespräch mit der Bundeskanzlerin Ute Frings-Fassbinder. Sie wird von Tristan Bovert erpresst. Er ist Staatssekretär im Kanzleramt und Geheimdienstbeauftragter der Bundesregierung. Die Kanzlerin möchte, dass Adan ihr beim Beschaffen der Beweise gegen ihren Erpresser hilft.

Zur gleichen Zeit werden in Düsseldorf auf dem Gelände des ehemaligen Kaufhof am Wehrhahn, das von Immobilientycoon Hartmut Osterkamp gewinnbringend umgebaut wird, Teile einer zerstückelten Leiche entdeckt. Veih beginnt in dem Fall zu ermitteln. Er entdeckt dabei Jahre zurückreichende Verbindungen zwischen dem Toten, dem TV-Moderator Christoph Urban und rechten Netzwerken zwischen Politik und Großkapital.

Urban arbeitete früher als Sportreporter im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen. Nach seiner Entlassung betrieb er einen rechtspopulistischen YouTube-Kanal. Inzwischen ist er mit seiner Talkshow „Urban direkt“ auf dem TV-Sender Deutschland-TV der Quotenbringer. Finanziert wird der Sender und damit auch seine Sendung von dem Milliardär Hartmut Osterkamp. Dieser bietet Urban die Führung einer sich in Gründung befindenden rechtskonservativ-nationalistischen Partei an. Die Partei soll bei der nächsten Bundestagswahl antreten und diese Wahl wird bald kommen. Denn, so versichert er Urban, die Kanzlerin werde innerhalb der nächsten Tage zurücktreten. Das wisse er aus einer sehr zuverlässigen Quelle.

In ihrem vierten gemeinsamen Fall stehen die beiden Mordermittler Melia Adan und Vincent Veih eher an der Seitenlinie. Für den Mordfall interessiert Horst Eckert sich in „Die Macht der Wölfe“ kaum. Beim Erpressungsplot hat Adan nur eine kleine Rolle als Beschafferin von Überwachungstechnik und Begleiterin zu einer Familie. Im Zentrum seines neuesten Polit-Thrillers steht der Versuch Russlands, Deutschland zu destabilisieren, das Vertrauen in die Demokratie zu untergraben und eine Russland-hörige Regierung einzusetzen. Dafür bedient sich der Geheimdienst eines breiten Geflechts unterschiedlicher über Geld, Macht und Einfluss verfügender Männer.

Protagonist der Geschichte ist letztendlich Christoph Urban. Der TV-Journalist ohne politische Erfahrung soll zuerst vom rechten Polit-Journalisten zum Parteivorsitzenden einer auf ihn zentrierten Partei und dann zum Bundeskanzler gemacht werden. Er genießt bei Parteiveranstaltungen den Zuspruch aus dem Volk. Er stellt allerdings auch schnell fest, dass Osterkamp und seine Vertrauten ihm sagen, was er über Russland und andere Themen sagen kann. Er muss sich entscheiden, ob er das will und ob er den Preis dafür zahlen möchte.

Eckert erzählt, gewohnt nah an den aktuellen Schlagzeilen entlang, wie ein solcher Regime Change stattfinden könnte. Dabei gelingt es ihm, dass die Faschisten, Nazis und Rechtsextremisten bei ihm vernünftiger klingen als in anderen deutschen Krimis, in denen sie zu grenzdebilen, Floskeln absondernden Dumpfbacken werden.

Die Gruppe Konservativer, die den Umsturz plant, erinnert beim Lesen an die Gruppe Reichsbürger um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die Anfang Dezember 2022 verhaftet wurden. Eckert hat das Manuskript für „Die Macht der Wölfe“ bereits im November abgegeben.

Die Spannung entsteht dieses Mal gerade aus dem Wissen, was geplant ist und der Frage, ob Veih und Adan das Schlimmste verhindern können. Denn natürlich sind die beiten Mordermittler nicht nur unbeteiligte Zuschauer.

In seinem Rundbrief hat Horst Eckert bereits seinen nächsten Roman angekündigt. Er erscheint nächstes Jahr und er hat eine neue Hauptfigur. Mehr will Eckert noch nicht verraten.

Nach vier Adan/Veih-Romanen in Folge und davor bereits drei aufeinander folgenden Vincent-Veih-Romanen ist das eine willkommene Rückkehr zu seinen Anfängen. Denn vor den sieben Romane mit Vincent Veih als Hauptfigur, die nur von „Der Preis des Todes“ (2018) unterbrochen wurde, hatte jeder seiner Romane eine andere Hauptfigur. Die Kontinuität zwischen den Romanen wurde hergestellt durch den Handlungsort Düsseldorf, dass KK11 (Kommissariat für Todesermittlungen) und immer wiederkehrenden Figuren, wie den in „Die Macht der Wölfe“ kurz vor der Pension stehenden Kriminaldirektor Ben Engel. Am Anfang des Romans ist noch unklar, wer sein Nachfolger wird, aber Veih wird von Engel schon einmal darauf hingewiesen, dass Liebesbeziehungen zwischen Vorgesetzten und direkten Untergebenen heute nicht mehr geduldet werden.

Horst Eckert: Die Macht der Wölfe

Heyne, 2023

480 Seiten

15 Euro

Hinweise

Homepage von Horst Eckert

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Königsallee“ (2007)

Meine Besprechung von Horst Eckerts “Sprengkraft” (2009)

Kriminalakte: Interview mit Horst Eckert über „Sprengkraft“

Meine Besprechung von „Niederrhein-Blues und andere Geschichten“ (2010)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Schwarzer Schwan“ (2011)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Schwarzlicht“ (2013)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Schattenboxer“ (2015)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Wolfsspinne“ (2016)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Im Namen der Lüge“ (2020)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Die Stunde der Wut“ (2021)

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