Horst Eckert erzählt von der „Nacht der Verräter“

Liegt es am neuen Verlag, an den Auswirkungen von Corona mit viel freier Zeit zum Schreiben oder dass die Kinder aus dem Haus sind (Hat er welche?) und seine Frau ihn in sein Schreibzimmer schickt, damit sie ihre Ruhe hat? Keine Ahnung, aber seitdem Horst Eckert zu Heyne gegangen ist, veröffentlicht er jedes Jahr einen neuen Polizeithriller. Dieses Jahr heißt das Werk „Nacht der Verräter“ und es ist endlich wieder ein Einzelroman.

Im Gegensatz zu seinen Serienromanen, zuletzt den vier bei Heyne erschienenen Melia-Adan-Vincent-Veih-Romanen, kann Horst Eckert in seinen Einzelromanen mit seinen Figuren skrupelloser umgehen. In seinem nächsten Roman müssen sie nicht wieder mitspielen. Das eröffnet erzählerische Freiräume, die ein Autor bei einer Serienfigur nicht hat. Eine Serienfigur muss am Ende des Romans in einem Zustand sein, der es ihr ermöglicht, weitere Abenteuer zu erleben. Eine Serienfigur kann nur eine begrenzte Menge Leid ertragen, ehe es absurd unglaubwürdig wird. Bei einem Einzelroman muss Eckert sich darüber keine Gedanken machen. Alles ist möglich.

Gleichzeitig schuf Eckert von Anfang an eine Kontinuität zwischen seinen düsteren Polizeiromanen, indem er aus vorherigen Romanen bekannte Figuren als Nebenfiguren immer wieder auftreten ließ. Sie wurden älter und arbeiteten in verschiedenen Positionen in und außerhalb der Düsseldorfer Polizei. In „Nacht der Verräter“ verzichtet Eckert fast vollständig auf solche Kurzauftritte. Das ist für Eckert-Gesamtleser etwas enttäuschend, weil das vertraute Gefühl, bekannte Figuren wieder zu treffen, fehlt, aber angesichts der Geschichte mehr als verschmerzbar.

Im Mittelpunkt von „Nacht der Verräter“ steht Max Bauer. Bei einem Routineeinsatz wurde er schwer verletzt. Seine Kollegin starb. Seitdem arbeitet er im Stab des Polizeipräsidenten am Schreibtisch.

Während eines Urlaubs vor einem Jahr lernte Max seine jetzige Frau Julia und ihre jetzt fast dreijährige Tochter Emilia kennen und lieben. Über Julias Vergangenheit weiß er nichts, aber er weiß, dass er sie liebt und sie ihn. Das Gleiche gilt für Emilia. Sie ist seine Tochter.

Als Julia nach einer Familienfeier spurlos verschwindet, beginnt er sie zu suchen. Aber er hat keine Ahnung, wo er mit seiner Suche beginnen soll.

Zur gleichen Zeit wird Frodo, begnadeter Gitarrist und Aushilfsverkäufer im „Music Point“, ermordet. Amateurgitarrist Max ist oft in dem Geschäft seines Onkels Albert. Vor kurzem hat er für ihn auch zwei Gitarreverstärker in den Niederlande abgeholt.

In dem Musikgeschäft hängen auch seine Brüder ab. Sie sind, wie er, Polizisten und möglicherweise in illegale Geschäfte verwickelt. Das vermuten jedenfalls die internen Ermittler, die Max eines dieser vergifteten Angebote unterbreiten, das er nicht ablehnen kann: entweder er bespitzelt seine Brüder und seinen Onkel oder er wird wegen des Transports von Drogen angeklagt. Denn er beförderte, ohne es zu wissen, vor kurzem keine Gitarrenverstärker, sondern Drogen.

Max versucht also gleichzeitig Julia zu finden (und er erfährt bei dieser Suche einige unschöne Dinge über sie), die Wünsche der internen Ermittler zu befriedigen und seine Familie und Freunde vor einer Bestrafung zu retten. Beides ist zur gleichen Zeit nicht möglich.

Nachdem Eckerts vorherigen Polizeikrimis schon seit Jahren locker auch und teilweise vor allem Polit-Thriller waren, ist „Nacht der Verräter“ wieder ein waschechter Polizeikrimi mit korrupten Polizisten, die in kriminelle Geschäfte verwickelt sind und die in einen Krieg mit Drogenbanden geraten.

Eckert erzählt das gewohnt faktengesättigt und nah an der Wirklichkeit und den aktuellen Schlagzeilen. So muss Max Bauer sich mit der polizeilichen Begleitung von Demonstrationen zum aktuellen Israel-Palästina Konflikt herumschlagen. Die aus den Niederlande kommende Mocro-Mafia ist in die Drogengschäfte von Max Familie verwickelt.

Die Geschichte, die Eckert erzählt, ist ebenfalls gewohnt dicht geplottet. Auch wenn Menschen, die ihren Harlan Coben gelesen haben, schon kurz nach Julias Verschwinden einige gar nicht so falsche Vermutungen über Julias Vergangenheit anstellen werden. Das Ende und der Weg dorthin gestalten sich dann allerdings überraschend und ziemlich verwickelt. Schließlich jongliert Max Bauer, während er sich fragt, wem seine Loyalität gehören soll, gleichzeitig mit mehreren Bedrohungen für sich und seine Familie.

Nacht der Verräter“ ist eine spannende Lektüre für ein verlängertes Wochenende. Oder eine schlaflose Nacht.

Horst Eckert: Nacht der Verräter

Heyne, 2024

400 Seiten

17 Euro

Hinweise

Homepage von Horst Eckert

Wikipedia über Horst Eckert

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Königsallee“ (2007)

Meine Besprechung von Horst Eckerts “Sprengkraft” (2009)

Kriminalakte: Interview mit Horst Eckert über „Sprengkraft“

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Niederrhein-Blues und andere Geschichten“ (2010)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Schwarzer Schwan“ (2011)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Schwarzlicht“ (2013)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Schattenboxer“ (2015)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Wolfsspinne“ (2016)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Im Namen der Lüge“ (2020)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Die Stunde der Wut“ (2021)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Das Jahr der Gier“ (2022)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Die Macht der Wölfe“ (2023)

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