
Ehrliche Polizisten gibt es vielleicht im Fernsehen. Bei Ken Bruen gibt es in seinem siebten und letzten Brant-Roman, der jetzt auf Deutsch erschien, nur ehrlich korrupte und verbrecherische Polizisten, die Dienstvorschriften höchstens als lässliche Empfehlungen behandeln.
Inspektor Brant ist ein in seinem Revier Südost-London von Kollegen und Verbrechern gleichermaßen gefürchteter Cop. Bislang überlebte er jeden Versuch, ihn aus dem Polizeidienst zu entfernen. Das könnte sich jetzt ändern. Auf den ersten Seiten von „Scharfe Munition“ wird er im King’s Arms angeschossen und schwer verwundet. Während er im Krankenhaus behandelt wird, jagen seine Kollegen den Täter.
Gleichzeitig müssen sich Brants Kollegen, wie wir es aus den Polizeiromanen des von Brant abgöttisch verehrten von Ed McBain kennen, mit zahlreichen anderen Fällen herumschlagen. Aber im Gegensatz zu McBains ehrlichen Cops aus dem 87. Polizeirevier einer erfundenen US-amerikanischen Großstadt (die verdächtig an New York City erinnert), die Verbrechen aufklären wollen, sind Bruens Cops eher das Gegenteil.
So wird Police Constable McDonald, nachdem er eine Jugendliche verprügelte, von einem davon begeisterten Rentner zur Mitarbeit in einer Bürgerwehr erpresst. Schon deren erster Einsatz gegen das lokale Verbrechen läuft spektakulär aus dem Ruder. Am Ende ist ein Mitglied der Bürgerwehr, ein 75-jähriger Rentner, tot.
Sergeant Falls jagt eine Bande Happy Slappers. Das sind Jugendliche, die andere Menschen schlagen, ihre Attacken auf ihrem Handy aufnehmen und die Bilder verschicken. Weil Falls nicht vorankommt, bedient sie sich der bewährten Methode Brant: „Besorg dir ein Handy mit Kamera, dann schnapp dir den erstbesten Idioten, der dir über den Weg läuft. Verhafte ihn.“ Dummerweise wählt sie den falschen Mann als Schläger aus.
Und, als ob das alles nicht schon genug Stoff für einen knapp zweihundertseitigen Noir wäre, wurde die mehrfache Mörderin Angie aus der Haft entlassen. Im Gefängnis hatte sie sich zur Rechtsexpertin weitergebildet und Fehler in ihrem Strafverfahren entdeckt. Jetzt will sie sich an ihrer Anwältin rächen.
Shamus-, Macavity- und Barry-Gewinner Ken Bruen erzählt das alles gewohnt knapp und äußerst schwarzhumorig.
Mit „Scharfe Munition“ liegen Ken Bruens sieben Noirs mit Inspektor Brant (von denen der erste 2011 von Elliott Lester mit Jason Statham in der Hauptrolle verfilmt wurde) auf Deutsch vor und sie können, wie ich es getan habe und allen empfehlen würde, chronologisch gelesen werden. So entfalten die Verstrickungen der einzelnen Polizisten ihre volle Wucht.
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Ken Bruen: Scharfe Munition
(übersetzt von Karen Witthuhn, mit einem Nachwort von Anthony J. Quinn)
Polar Verlag, 2024
208 Seiten
17 Euro
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Originalausgabe
Ammunition
St. Martin’s Minotaur, 2007
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Hinweise
Wikipedia über Ken Bruen (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von Ken Bruens „Aliens Bändigung“ (Taming the Alien, 1999)
Meine Besprechung von Ken Bruens „McDead“ (The McDead, 2000)
Mein Besprechung von Ken Bruens „Brant“ (Blitz – or… Brant hits the Blues, 2002)
Meine Besprechung von Ken Bruens „Füchsin“ (Vixen, 2003)
Meine Besprechung von Ken Bruens „Kaliber“ (Calibre, 2006)
Meine Besprechung von Ken Bruens „Jack Taylor fliegt raus“ (The Guards, 2001)
Meine Besprechung von Ken Bruens “Jack Taylor liegt falsch” (The Killing of the Tinkers, 2002)
Meine Besprechung von Ken Bruen/Jason Starrs „Flop“ (Bust, 2006)
Meine Besprechung von Ken Bruen/Jason Starrs „Crack“ (Slide, 2007)
Meine Besprechung von Ken Bruen/Jason Starrs „Attica“ (The MAX, 2008)
Meine Besprechung von Ken Bruens „Sanctuary“ (2008)
Meine Besprechung von Ken Bruens „Once were Cops“ (2008)
Meine Besprechung von Ken Bruen/Reed Farrel Colemans “Tower” (Tower, 2009)
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