Was für ein Anfang! 1988 verfolgt die Kamera im Westjordanland zwei Teenager, die ihren Spaß beim Toben durch die engen Gassen haben. Schüsse fallen – und eine ältere Frau blickt in die Kamera und sagt, um Noors Geschichte zu verstehen, müsse sie die Geschichte von Noors Großvater Sharif erzählen.
Diese Geschichte führt zurück in das Jahr 1948 und zur der Vertreibung der Palästinenser aus ihrem Land, der Nakba (deutsch: Katastrophe),. Es ist die Geburtsstunde des heute immer noch andauernden Leidens des palästinensichen Volkes und ein wichtiger Teil der komplizierten Situation im Nahen Osten.
Sharif und seine Familie leben in Jaffa in einer Villa. Sie sind offensichtlich gebildet, vermögend und besitzen einen Orangenhain. Er ist ein liebevoller Vater. Ihre Existenz ist duch die ständigen Angriffe Israels bedroht, die die Einheimischen mit brutaler militärischer Gewalt vertreiben. Sharif gehört zu den Bewohnern, die das ihnen gehörende Land nicht verlassen wollen. Sie trauen den Versprechungen der Israelis nicht.
Im folgenden entfaltet Cherien Dabis (auch Drehbuch und Hanan im Film) ein ruhiges, weitgehend chronologisch und entsprechend konventionell erzähltes Epos, das die Geschichte einer gewöhnlichen Familie über drei Generationen von 1948 bis 2022 verfolgt. „Im Schatten des Orangenbaums“ ist gleichzeitig eine Geschichte Palästinas und Israels aus der Sicht der vertriebenen und unterdrückten Palästinenser.
Dabis erzählt diesen Konflikt mit einer klaren Zeichnung der Konfliktparteien. In ihrer Erzählung steht sie eindeutig auf der Seite der Palästinenser und der von ihr porträtierten Familie. Die Lücken und blinden Stellen sind, auch ohne vertiefte Ahnung über die Ereignisse seit 1945 im Nahen Osten, offenkundig. Die daraus folgende Schuldzuschreibung ist durchgehend und auf jeder Ebene verstörend einseitig.
Der Anfang und die unmittelbaren Nachkriegsjahre sind packend erzähltes episches Kino. Hier verdichtet Dabis klug die Geschichte zu einem mitreißendem Drama und aufwühlenden Geschichtsstunde. Später erlahmt das Erzähltempo zum Schneckentempo. Es gibt für die gesamte Geschichte zunehmend über Gebühr aufgeblähte Szenen und Plots, die bestenfalls einer Chronistenpflicht genügen, die unbedingt eine Jahrzehnte umspannende, fast in der Gegenwart endende Geschichte erzählen will. Das wird besonders deutlich bei den nach 1988 spielenden Ereignissen.

Im Schatten des Orangenbaums (All That‘s Left Of You, Deutschland/Zypern/Palästina/Jordanien/Griechenland/Katar/Saudi Arabien 2025)
Regie: Cherien Dabis
Drehbuch: Cherien Dabis
mit Saleh Bakri, Cherien Dabis, Adam Bakri, Maria Zreik, Mohammad Bakri, Muhammad Abed Elrahman
Länge: 146 Minuten
FSK: ab 12 Jahre
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Hinweise
Filmportal über „Im Schatten des Orangenbaums“
Moviepilot über „Im Schatten des Orangenbaums“
Metacritic über „Im Schatten des Orangenbaums“
Rotten Tomatoes über „Im Schatten des Orangenbaums“
Wikipedia über „Im Schatten des Orangenbaums“ (deutsch, englisch)
Veröffentlicht von AxelB 