Neu im Kino/Filmkritik: Die Horrorfilme „Baghead“ und „The Queen Mary“

Dezember 28, 2023

Gehen wir zuerst in den Pub und dann aufs Schiff.

In „Baghead“ erbt die Anfangszwanzigerin Iris einen heruntergekommenen Pub, in dem ihr Vater als Torwächter lebte. Im Keller lebt ein Wesen, dem ein Sack über den Kopf gestülpt wurde (daher der Namen Baghead). Mit der Hilfe dieser Kreatur kann man für zwei Minuten Kontakt zu einer toten Person aufnehmen. Falls man die zwei Minuten überschreitet, geschehen unsagbar furchtbare Dinge.

Diese Prämisse erinnert an Danny und Michael Philippous gelungeneren Horrorfilm „Talk to me“ (Talk to me, Australien 2022). Während bei ihnen die Regeln, wie die Zeitbegrenzung für den Kontakt zum dem Totenreich, eingehalten wurden, ist in Alberto Corredors „Baghead“ die Zeitbegrenzung nur ein unverbindlicher Hinweis. Der Keller, in dem das Wesen lebt, gehört zu einem riesigen, anscheinend halbwegs zentral in Berlin stehendem Backsteinhaus, das mehr nach einer alten Fabrik (die inzwischen zu einer teuren Yuppie- und Touristen-Location renoviert worden wäre) als nach einem lauschigen britischen Pub aussieht, Für Nicht-Berliner mag das nicht weiter störend sein, aber Berliner stört das schon. Außerdem ist dieses heruntergekommene Haus ist für einen Pub einfach viel zu groß. Dazu kommen sich idiotisch verhaltende Figuren. So sehen sich Iris und ihre Freundin das Video, das Iris‘ Vater vor seinem Tod aufgenommen hat und in dem er ihr alles über das Wesen im Keller erklärt, erst an, nachdem sie mit der allseits beliebten Versuch-und-Irrtum-Methode einen Mann, der ihnen dafür viel Geld angeboten hat, seine verstorbene Frau kontaktieren ließen. Die sich daraus entwickelnde Geschichte basiert auf Corredors gleichnamigem Kurzfilm von 2017, ist arg vorhersehbar und minimalistisch. Letztendlich handelt es sich um eine Vier-Personen-Stück.

Baghead“ ist ein okayer Grusler für den sehr hungrigen Genrefan. Mehr nicht.

 

Wirklich ärgerlich ist „The Queen Mary“. Gary Shores neuer Horrorfilm spielt auf dem titelgebenden Luxus-Ozeandampfer, der 1936 in Betrieb ging und seit seiner Ausmusterung 1967 als Hotelschiff und Attraktion für Horrorfans im Hafen von Long Beach liegt. Denn auf dem Schiff starben fast fünfzig Menschen auf unnatürliche Art. Schnell hieß es, das Schiff sei verflucht. Seemannsgarn und die blühende Fantasie von Horrorfans erledigten den Rest.

Jetzt will eine Autorin den Eigentümern der „Queen Mary“ einen neuen Weg vorstellen, um das Schiff und seine Geschichte für ein jüngeres Publikum interessant zu gestalten. Während sie ihr Projekt pitcht, sehen sich ihr Mann und ihr Sohn auf dem riesigen Schiff um. Ab diesem Moment springt die Filmgeschichte zwischen unheimlichen Ereignissen in der Gegenwart und unheimlichen Ereignissen in der Vergangenheit, vor allem der blutigen Halloweennacht von 1938, hin und her. Die unheimlichen Ereignisse haben möglicherweise etwas miteinander zu tun. Oder auch nicht. Und es gibt immer wieder, mal mehr, mal weniger präzise Andeutungen auf künftige schreckliche, meist tödliche Ereignisse.

Weil es Gary Shore („Dracula untold“) nie gelingt, daraus eine kohärente Geschichte zu erzählen, ist „The Queen Mary“ das filmische Äquivalent zu einer Geisterbahnfahrt. Es gibt einige Schocks und Überraschungen, aber keine Geschichte. Es gibt auch keine Hauptfigur oder ein Thema, das die einzelnen furchtbaren Ereignisse auf dem Schiff, miteinander verbindet. Es sind nur Bilder, Motive, Szenen und Stimmungen, die teils an andere Filme erinnern. So kam für mich teilweise ein „Twin Peaks“- und „Shining“-Feeling auf. Daraus ergibt sich aber nie eine die Teile auch nur halbwegs sinnvoll miteinander verbindende Vision oder Geschichte, die mehr sein könnte als der mit einer Meta-Ebene angereicherte, illustrierte Verkauspitch der Autorin; – wobei das auch eine Interpretation ist, die nicht unbedingt stimmen muss.

Unbestritten hat Shore das gut inszeniert – und genau das macht „The Queen Mary“ zu einem ärgerlichen Film. Denn es hätte mit einem guten Drehbuch ein guter Horrorfilm werden können. So ist es nur eine beliebige Ansammlung von Horror-Topoi. Eine Geisterbahnfahrt für anspruchslose Gemüter.

Baghead (Baghead, Großbritannien/Deutschland 2023)

Regie: Alberto Corredor

Drehbuch: Christina Pamies, Bryce McGuire

mit Freya Allan, Jeremy Irvine, Ruby Barker, Peter Mullan, Anne Müller, Svenja Jung, Ned Dennehy, Felix Römer

Länge: 95 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Filmportal über „Baghead“

Moviepilot über „Baghead“

Metacritic über „Baghead“

Rotten Tomatoes über „Baghead“

Wikipedia über „Baghead“

The Queen Mary (Haunting of the Queen Mary, USA/Großbritannien 2023)

Regie: Gary Shore

Drehbuch: Gary Shore, Tom Vaughan, Stephen Oliver

mit Alice Eve, Joel Fry, Wil Coban, Nell Hudson, Lenny Rush, Florrie May Wilkinson, Dorian Lough, Wesley Alfvin

Länge: 125 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „The Queen Mary“

Rotten Tomatoes über „The Queen Mary“

Wikipedia über „The Queen Mary“

Meine Besprechung von Gary Shores „Dracula Untold“ (Dracula Untold, USA 2014)


Neu im Kino/Filmkritik: Über Pierre Morels „Freelance“

Oktober 5, 2023

Mason Pettits (John Cena) ist ein ehemaliger Special-Forces-Soldat, der heute verheiratet, Vater und Anwalt ist. Vor allem diesem Job und seinen Kunden hadert er. Da wird er von seinem alten Army-Freund Sebastian Earle (Christian Slater, endlich mal wieder im Kino) gebeten, die Journalistin Claire Wellington (Alison Brie) nach Paldonien zu begleiten. Sie will den Regierungschef interviewen. Juan Arturo Venegas (Juan Pablo Raba) ist einer dieser südamerikanischen Diktatoren, wie sie im Buch, also diesen schundigen Abenteuerbüchern aus längst vergangenen Zeiten, stehen und aus vielen, vielen, sehr vielen in tropischen Fantasieländern spielenden Geschichten bekannt sind.

Kaum sind sie im Land angekommen, geraten sie in einen Putsch. Gemeinsam mit Venegas kämpfen sie sich durch den Wald und mordgierige Feinde. Venegas chargiert, improvisiert und scheint dabei nie den Überblick zwischen den Fronten und den vielen Männern, die ihn umbringen wollen, zu verlieren. Wellington wittert dabei die Story ihres Lebens. Und Pettits versucht beide zu retten.

Die Story von „Freelance“ ist erschreckend sinnfrei. Da stimmt, wenn man darüber nachdenkt, nichts. Aber mit der richtigen Portion Humor und Action könnte da einiges rausgerissen werden. Könnte.

John Cena spielt mal wieder in seiner in den vergangenen Jahren etablierten Wohlfühlzone die Rolle des netten Daddys, der um sich herum alles zerstört. Alison Brie darf weitgehend unauffällig durch den Dschungeln staksen. Nur Juan Pablo Raba als Diktator hatten seinen Spaß. Mit großer Geste und durchgehend gutgelauntem Overaction sorgt er für die wenigen Lacher des Films. Die anderen Witze sind marginal dem Zeitgeist angepasste Witzeleien, abgestandene Geschlechterklischees und bemühte Screwball-Comedy. Action gibt es auch kaum.

Freelance“ ist ein lahmer Actionfilm ohne Humor. Solche Filme hat Luc Besson mit seiner Firma EuropaCorp in den letzten Jahren dutzendweise produziert. Für das halbe Budget, mit mehr und besserer Action und mehr Humor. Und, wenn ich darüber nachdenke, auch einer besseren Story.

Für Besson inszenierte „Freelance“-Regisseur Pierre Morel „Ghettogangz – Die Hölle vor Paris“ (Banlieue 13), „96 Hours“ (Taken) und „From Paris with Love“.

Freelance (Freelance, USA 2023)

Regie: Pierre Morel

Drehbuch: Jacob Lentz

mit John Cena, Alison Brie, Juan Pablo Raba, Alice Eve, Marton Csokas, Christian Slater

Länge: 109 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Moviepilot über „Freelance“

Metacritic über „Freelance“

Rotten Tomatoes über „Freelance“

Wikipedia über „Freelance“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Pierre Morels Jean-Patrick-Manchette-Verfilmung „The Gunman“ (The Gunman, Großbritannien/Frankreich/Spanien 2015)

Meine Besprechng von Pierre Morels „Peppermint – Angel of Vengeance“ (Peppermint, USA 2018)


Neu im Kino/Filmkritik: „Star Trek into Darkness“ bei der Terroristenjagd

Mai 8, 2013

 

Ich habe mich wirklich auf „Star Trek into Darkness“ gefreut (Nicht gut.). Immerhin war der vorherige „Star Trek“-Film von J. J. Abrams und den Drehbuchautoren Roberto Orci und Alex Kurtzman eine rundum überzeugende und gelungene Neuinterpretation der Geschichte des Raumschiffes Enterprise und seiner Besatzung in einer alternativen Zeitlinie, aber mit einer ordentlichen Portion Sense of Wonder. Es war – ich gebe es zu – der erste „Star Trek“-Film, den ich mir im Kino ansah, und auch der „Roman zum Film“ von Alan Dean Foster gefiel mir.

Entsprechend hoch waren meine Erwartungen für die Fortsetzung (Nicht gut.). Immerhin stand das gleiche kreative Team hinter der Kamera, die Schauspieler übernahmen wieder die gleichen Rollen und natürlich würde die Geschichte von Captain Kirk und seinem Raumschiff Enterprise weiter erzählt werden.

Ich lümmelte mich also in meinen Kinosessel, setzte die 3D-Brille (für mich „die Brille auf der Brille“) auf und bevor ich mit der Besprechung beginne gibt es noch eine Vorbemerkung, über zwei Dinge, die nicht unbedingt etwas mit dem Film zu tun haben, aber mich bis zum Abspann störten:

Der 3D-Effekt war dieses Mal wieder nur störend, nervig und schlecht gemacht und die Bilder waren für meinen Geschmack immer einen Tick zu dunkel.

Der Film selbst beginnt fetzig und, wie wir es aus unzähligen TV-Episoden kennen, mitten in der Action: auf dem Planeten Nibiru werden Kirk und seine Männer aus nie geklärten Gründen von den aufgebrachten Einwohnern verfolgt. Spock springt in einen Vulkan, der kurz vor einer planetenvernichtenden Explosion steht, und platziert dort eine Bombe, die diese Explosion stoppen soll. Weil er dabei auch sterben wird, verstößt Kirk gegen die Regeln der Sternenflotte, lässt die Steinzeitmenschen das Raumschiff Enterprise sehen und rettet Spock, den Planeten und dessen Bewohner.

Als Quittung für diesen Kuddelmuddel verliert Kirk die Enterprise. Aber noch bevor er so richtig Trübsal blasen kann in einer dieser schicken Yuppie-Retro-Bars, in denen zu schummeriger Beleuchtung auch in drei Jahrhunderten noch Fünfziger-Jahre-Blues läuft (ach ja: Plattenspieler gibt es auch noch.), verübt John Harrison (Benedict Cumberbatch, der nicht einmal „Sherlock Holmes“ sagt und seine Rolle als Khan in dieser Zeitlinie, die sich von der Zeitlinie der Original-“Raumschiff Enterprise“-Serie mal mehr, mal weniger unterscheidet, stoisch übersteht und so ein herrlich undurchschaubarer Schurke ist) einen Anschlag auf die Sternenflotte, der dazu führt, dass alle wichtigen Männer der Sternenflotte sich in einem schlecht gesicherten Besprechungszimmer versammeln. Harrison könnte jetzt in einem zweiten Anschlag die gesamte Kommandoebene vernichten, wenn nicht Captain Kirk die böse Absicht erkennen würde und – schon rummst es kräftig. Harrison erreicht sein Ziel nur teilweise und flüchtet nach Kronos, den verwüsteten Heimatplaneten der Klingonen, der wie ein verlassenes „Blade Runner“-Set aussieht.

James T. Kirk erhält – vollkommen entgegen den sonstigen Gewohnheiten und Regeln der Sternenflotte – den Auftrag, den Bösewicht zu töten. Voller jugendlicher Begeisterung über die Chance, den Tod von seinem väterlichen Mentor, Captain Pike, zu rächen, warpt er mit seinem Raumschiff und der schon aus dem ersten „Star Trek“-Film bekannten Besatzung in Richtung Kronos.

Und ich saß ungläubig über dieses erzählerische Chaos, im Kino. Denn der gesamte Film „Star Trek into Darkness“ fühlt sich nie wie eine „Raumschiff Enterprise“-Geschichte mit James T. Kirk, Spock, Uhura, Sulu und Scotty an. Es geht hier nicht mehr darum, neue Welten kennen zu lernen und Konflikte möglichst friedlich zu lesen. Stattdessen gibt es Action bis zum Abwinken. Es wird zerstört, geschossen, sich geprügelt und getötet, als gäbe es kein Morgen und als könne man mit Action, hastigen Schnitten und Schauplatzwechseln, garniert mit einen kleinen „Raumschiff Enterprise“-Zitaten für das Fan-Herz, von der fehlenden Geschichte ablenken.

Es gibt keinen optimistischen Blick in die Zukunft, kein Sense of Wonder, sondern nur einen chaotischen Racheplot, mit mehr Plotlöchern und Unwahrscheinlichkeiten als ein Schweizer Käse, in dem einerseits mit Warp-Antrieb und sich noch im Anfang befindender Beam-Technik riesige Entfernungen innerhalb von Sekundenbruchteilen überwunden werden können, aber andererseits dann wieder furchtbar komplizierte Manöver im All, nur in Raumanzügen, durchgeführt werden können und der Nuklear-Antrieb des Raumschiffs mit einem kräftigen Fausthieb wieder in Betrieb gesetzt werden kann. Sowieso scheinen die Maschinenräume und leeren Lagerräume der Raumschiffe größer als die Raumschiffe zu sein, aber ein richtiges, fertiges Drehbuch scheint dort niemand gefunden zu haben.

Star Trek - Into Darkness - Teaser

Star Trek into Darkness (Star Trek into Darkness, USA 2013)

Regie: J. J. Abrams

Drehbuch: Roberto Orci, Alex Kurtzman, Damon Lindelof

mit Chris Pine, Zachary Quinto, John Cho, Simon Pegg, Zoë Saldana, Karl Urban, Anton Yelchin, Benedict Cumberbatch, Alice Eve, Bruce Greenwood, Peter Weller

Länge: 132 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Amerikanische Homepage zum Film

Deutsche Homepage zum Film

Film-Zeit über „Star Trek into Darkness“

Metacritic über „Star Trek into Darkness“

Rotten Tomatoes über „Star Trek into Darkness“

Wikipedia über „Star Trek into Darkness“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Alan Dean Fosters „Star Trek“ (Star Trek, 2009)

Meine Besprechung von J. J. Abrams‘ „Super 8“ (Super 8, USA 2011)

Bonushinweis

Alan Dean Foster, der ja schon viele gute Filmromane geschrieben hat, hat den Filmroman zu „Star Trek into Darkness“ geschrieben und vielleicht gelingt es ihm ja einige der Plotlöcher in dieser Post-9/11-Terroristenhatz-Geschichte, die – immerhin erzählen Science-Fiction-Geschichten ja immer etwas über die Gegenwart – wie ein zehn Jahre altes Fundstück wirkt, zu stopfen. Jedenfalls erscheint die deutsche Übersetzung pünktlich zum Filmstart.

Foster - Star Trek into Darkness

Alan Dean Foster: Star Trek into Darkness – Roman zum Film

Cross Cult, 2013

320 Seiten

12,80 Euro