Neu im Kino/Filmkritik: Der Horror: „Night Swim“ im eigenen Swimminpool

Februar 8, 2024

Neue Stadt, neues Glück: die Wallers ziehen in ein Haus mit einem Swimmingpool. Eve hat eine Arbeit als Leiterin einer Sonderschule. Ihre Kinder, die 15-jährige Izzy und der zwölfjährige Elliott, freuen sich auf ihre neuen Klassenkameraden. Und Ehemann Ray kann sich erholen. Der ehemalige Baseballprofi musste sich vom Profisport zurückziehen. Er hat Multiple Sklerose im Anfangsstadium. Sein Arzt meint, schwimmen könne helfen.

Aber in dem Pool lauert etwas Böses, das eine nächtliche Runde im Pool zu einer furchteinflößenden, manchmal sogar tödlichen Angelegenheit macht.

Anstatt jetzt einen großen Bogen um das Schwimmbecken zu machen, gehen die Wallers tags und nachts in das Becken, planschen, schwimmen und ängstigen sich.

Die Wallers veranstalten auch eine zünftige Einstandsparty, bei der ihre Gäste selbstverständlich auch in das Becken steigen dürfen und gar schreckliches passiert.

Das passiert wohl, wenn man aus einem vierminütigem Kurzfilm (inclusiv einer Minute für den Abspann) einen Spielfilm macht. Bei dem gelungenem Kurzfilm genügt eine Situation: eine Frau schwimmt in der Nacht in einem beleuchteten Pool. Sie glaubt, jemand am Beckenrand zu sehen. Als sie das Gesicht des Fremden sieht, verschwindet sie spurlos im Wasser. Der Film beschränkt sich auf Suspense und Horror. Ohne auch nur den Ansatz einer Erklärung. Bei einem Spielfilm muss es dann eine Erklärung für das Monster im Pool geben. Diese erfolgt ziemlich spät im Film holterdipolter und wird anschließend noch nicht einmal schlüssig umgesetzt.

Night Swim“ ist ein lahmer Horrorfilm ohne besondere Überraschungen. Immerhin sieht der in der Nacht beleuchtete Swimmingpool fast wie ein Edward-Hopper-Gemälde aus und die Suspense-Momente funktionieren. Solange man sie nur als isolierte Suspense-Momente betrachtet.

Am Ende fragte ich mich, warum Blumhouse nicht einfach einige gute Horror-Kurzfilme zusammenstellt und als Compilation ins Kino bringt. Sicher, das würde an der Kinokasse wahrscheinlich weniger Geld einspielen als der jetzt aus dem Kurzfilm entstandene Spielfilm. In den USA hat „Night Swim“ bis jetzt fast 30 Millionen und global fast 44 Millionen US-Dollar eingespielt. Bei einem Budget von 15 Millionen Dollar ist das ein gutes Geschäft. Allerdings würde die Kurzfilm-Compilation auch weniger kosten und die einzelnen Kurzfilme wären spannender als die Spielfilmversionen.

Night Swim (Night Swim, USA 2024)

Regie: Bryce McGuire

Drehbuch: Bryce McGuire (basierend auf dem gleichnamigem Kurzfilm von Rod Blackhurst und Bryce McGuire)

mit Wyatt Russell, Kerry Condon, Amélie Hoeferle, Gavin Warren, Nancy Lenehan, Jodi Long, Elijah R. Roberts

Länge: 99 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Night Swim“

Metacritic über „Night Swim“

Rotten Tomatoes über „Night Swim“ 

Wikipedia über „Night Swim“ (deutsch, englisch)

Der Kurzfilm


Neu im Kino/Filmkritik: Die Horrorfilme „Baghead“ und „The Queen Mary“

Dezember 28, 2023

Gehen wir zuerst in den Pub und dann aufs Schiff.

In „Baghead“ erbt die Anfangszwanzigerin Iris einen heruntergekommenen Pub, in dem ihr Vater als Torwächter lebte. Im Keller lebt ein Wesen, dem ein Sack über den Kopf gestülpt wurde (daher der Namen Baghead). Mit der Hilfe dieser Kreatur kann man für zwei Minuten Kontakt zu einer toten Person aufnehmen. Falls man die zwei Minuten überschreitet, geschehen unsagbar furchtbare Dinge.

Diese Prämisse erinnert an Danny und Michael Philippous gelungeneren Horrorfilm „Talk to me“ (Talk to me, Australien 2022). Während bei ihnen die Regeln, wie die Zeitbegrenzung für den Kontakt zum dem Totenreich, eingehalten wurden, ist in Alberto Corredors „Baghead“ die Zeitbegrenzung nur ein unverbindlicher Hinweis. Der Keller, in dem das Wesen lebt, gehört zu einem riesigen, anscheinend halbwegs zentral in Berlin stehendem Backsteinhaus, das mehr nach einer alten Fabrik (die inzwischen zu einer teuren Yuppie- und Touristen-Location renoviert worden wäre) als nach einem lauschigen britischen Pub aussieht, Für Nicht-Berliner mag das nicht weiter störend sein, aber Berliner stört das schon. Außerdem ist dieses heruntergekommene Haus ist für einen Pub einfach viel zu groß. Dazu kommen sich idiotisch verhaltende Figuren. So sehen sich Iris und ihre Freundin das Video, das Iris‘ Vater vor seinem Tod aufgenommen hat und in dem er ihr alles über das Wesen im Keller erklärt, erst an, nachdem sie mit der allseits beliebten Versuch-und-Irrtum-Methode einen Mann, der ihnen dafür viel Geld angeboten hat, seine verstorbene Frau kontaktieren ließen. Die sich daraus entwickelnde Geschichte basiert auf Corredors gleichnamigem Kurzfilm von 2017, ist arg vorhersehbar und minimalistisch. Letztendlich handelt es sich um eine Vier-Personen-Stück.

Baghead“ ist ein okayer Grusler für den sehr hungrigen Genrefan. Mehr nicht.

 

Wirklich ärgerlich ist „The Queen Mary“. Gary Shores neuer Horrorfilm spielt auf dem titelgebenden Luxus-Ozeandampfer, der 1936 in Betrieb ging und seit seiner Ausmusterung 1967 als Hotelschiff und Attraktion für Horrorfans im Hafen von Long Beach liegt. Denn auf dem Schiff starben fast fünfzig Menschen auf unnatürliche Art. Schnell hieß es, das Schiff sei verflucht. Seemannsgarn und die blühende Fantasie von Horrorfans erledigten den Rest.

Jetzt will eine Autorin den Eigentümern der „Queen Mary“ einen neuen Weg vorstellen, um das Schiff und seine Geschichte für ein jüngeres Publikum interessant zu gestalten. Während sie ihr Projekt pitcht, sehen sich ihr Mann und ihr Sohn auf dem riesigen Schiff um. Ab diesem Moment springt die Filmgeschichte zwischen unheimlichen Ereignissen in der Gegenwart und unheimlichen Ereignissen in der Vergangenheit, vor allem der blutigen Halloweennacht von 1938, hin und her. Die unheimlichen Ereignisse haben möglicherweise etwas miteinander zu tun. Oder auch nicht. Und es gibt immer wieder, mal mehr, mal weniger präzise Andeutungen auf künftige schreckliche, meist tödliche Ereignisse.

Weil es Gary Shore („Dracula untold“) nie gelingt, daraus eine kohärente Geschichte zu erzählen, ist „The Queen Mary“ das filmische Äquivalent zu einer Geisterbahnfahrt. Es gibt einige Schocks und Überraschungen, aber keine Geschichte. Es gibt auch keine Hauptfigur oder ein Thema, das die einzelnen furchtbaren Ereignisse auf dem Schiff, miteinander verbindet. Es sind nur Bilder, Motive, Szenen und Stimmungen, die teils an andere Filme erinnern. So kam für mich teilweise ein „Twin Peaks“- und „Shining“-Feeling auf. Daraus ergibt sich aber nie eine die Teile auch nur halbwegs sinnvoll miteinander verbindende Vision oder Geschichte, die mehr sein könnte als der mit einer Meta-Ebene angereicherte, illustrierte Verkauspitch der Autorin; – wobei das auch eine Interpretation ist, die nicht unbedingt stimmen muss.

Unbestritten hat Shore das gut inszeniert – und genau das macht „The Queen Mary“ zu einem ärgerlichen Film. Denn es hätte mit einem guten Drehbuch ein guter Horrorfilm werden können. So ist es nur eine beliebige Ansammlung von Horror-Topoi. Eine Geisterbahnfahrt für anspruchslose Gemüter.

Baghead (Baghead, Großbritannien/Deutschland 2023)

Regie: Alberto Corredor

Drehbuch: Christina Pamies, Bryce McGuire

mit Freya Allan, Jeremy Irvine, Ruby Barker, Peter Mullan, Anne Müller, Svenja Jung, Ned Dennehy, Felix Römer

Länge: 95 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Filmportal über „Baghead“

Moviepilot über „Baghead“

Metacritic über „Baghead“

Rotten Tomatoes über „Baghead“

Wikipedia über „Baghead“

The Queen Mary (Haunting of the Queen Mary, USA/Großbritannien 2023)

Regie: Gary Shore

Drehbuch: Gary Shore, Tom Vaughan, Stephen Oliver

mit Alice Eve, Joel Fry, Wil Coban, Nell Hudson, Lenny Rush, Florrie May Wilkinson, Dorian Lough, Wesley Alfvin

Länge: 125 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „The Queen Mary“

Rotten Tomatoes über „The Queen Mary“

Wikipedia über „The Queen Mary“

Meine Besprechung von Gary Shores „Dracula Untold“ (Dracula Untold, USA 2014)