Unsortierte Gedanken zur neuesten Ausgabe von Alan Moore/David Lloyds „V wie Vendetta“

Dezember 10, 2025

Alan Moore gefällt die Verfilmung von 2005 nicht. Allerdings gefallen ihm auch die anderen Verfilmungen seiner Werke, teils trotz anderer Ansichten von Kritikern und Fans, nicht. Wahrscheinlich wird ihm auch die sich aktuell bei HBO in Planung befindende Serienadaption von „V wie Vendetta“ nicht gefallen.

Aber gefällt uns sein ab 1982 zusammen mit Zeichner David Lloyd geschriebener Comic „V wie Vendetta“ immer noch und was hat die von Alan Moore in den Achtzigern erfundene Geschichte uns heute zu sagen?

1997, einige Jahre nach einem Atomkrieg, wird England von einem totalitärem Regime regiert. Gegen diese Regierung protestiert ein Mann mit einer Guy-Fawkes-Maske. Fawkes und seine Mitverschwörer wollten am 5. November 1605 das englische Parlament im Palast von Westminster in die Luft sprengen. Der Anschlag schlug fehl. Fawkes wurde am 31. Januar 1606 gehängt. Bis heute wird in der Bonfire Night, auch bekannt als Guy Fawkes Day, an ihn erinnert. Nach der Verfilmung wurde die Guy-Fawkes-Maske bei vielen Demonstrationen getragen, die gegen die überbordende Überwachung durch den Staat protestierten.

Doch zurück zu dem Comic.

Der maskierte Mann, nur V genannt, kämpft gegen einen Überwachungsstaat, der die Bevölkerung in George-Orwell-“1984“-Manier ständig beobachtet, manipuliert und unterdrückt. Menschen mit abweicher Meinung oder der falschen Hautfarbe werden in Konzentrationslagern getötet. Auch V war in einem dieser Lager. Die dortigen Ärzte führten an ihm Experimente durch.

Während der ihn jagende Polizeidetektiv Finch einiges über ihn und seine Vergangenheit herausfindet und sich fragt, was davon der Wahrheit entspricht und was falsche Fährten sind, rettet V die Prostitutierte Evey. Sie wird, mehr oder weniger, zur Verbündeten bei seinem Feldzug gegen ein System, das der Anarchist vollkommen zerstören will.

Dabei hat V einen aus heutiger Sicht, zwischen Social-Media-Overkill, Fake News und einem ständig lügendem US-Präsidenten, naiven Glauben an die Aufklärung. V will mit den richtigen Informationen und der Wahrheit die Bevölkerung überzeugen und zum Kampf gegen die Regierung animieren.

V wie Vendetta“ hat eine etwas komplizierte Publikationsgeschichte. Von 1982 bis 1985 veröffentlichten Moore und Lloyd die Geschichte als Schwarz-Weiß-Fortsetzungsgeschichte in dem britischen Comic-Magazin „Warrior“. Als das Magazin sein Erscheinen einstellte, war die Geschichte von V noch nicht zu Ende erzählt. Erst 1988 geschah das bei DC Comics. Die ursprünglich in SW erschienenen Teile wurden koloriert. Die zehn „V wie Vendetta“-Hefte wurden anschließend in einem Sammelband veröffentlicht. Die erste deutsche Ausgabe erschien 1991.

Die Geschichte ist, wie Alan Moores ebenfalls legendärer Comic „Watchmen“, deutlich von dem damaligen No-Future-Zeitgefühl beeinflusst. Alan Moore und David Lloyds London sieht wie eine satirisch überspitzte dystopische Version der Thatcher-Politik aus.

Auch David Lloyds Zeichenstil, die Farben und die Textlastigkeit gehören eindeutig in achtziger Jahre; wobei Alan Moore immer viel Text schreibt. Und manchmal in dem Begleitmaterial zu den Comics ausführlich auf seine Recherche und verarbeitete Einflüsse eingeht. In der aktuellen Ausgabe ist ein längerer Text von Alan Moore aus dem Jahr 1983 über die Geschichte enthalten.

Das macht „V wie Vendetta“ eindeutig zu einem Kind seiner Zeit. Aber, wie alle großen Science-Fiction-Geschichten, sprechen Alan Moore und David Lloyd zeitlose Fragen an. Auch wenn heute einiges anders geschrieben würde.

Alan Moore/David Lloyd: V wie Vendetta

(übersetzt von Uwe Anton)

Panini, 2025

288 Seiten

29 Euro

Originalausgabe

V for Vendetta #1 – 10

DCComics 1988/1989

Mehrere frühere deutsche Ausgaben.

Hinweise

Wikipedia über „V wie Vendetta“ (deutsch, englisch) und Alan Moore (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Alan Moore/Dave Gibbons’ „Watchmen” (Watchmen, 1986/1987)

Meine Besprechung von Alan Moore/Eddie Campbells “From Hell” (From Hell, 1999)

Meine Besprechung von Alan Moore (Manuskript, Original-Drehbuch)/Malcolm McLaren (Original-Drehbuch)/Antony Johnston (Comic-Skript)/Facundo Percios (Zeichnungen) „Fashion Beast: Gefeuert (Band 1)“ (Fashion Beast # 1 – 5, 2012/2013)

Meine Besprechung von Alan Moore/Kevin O’Neills „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen: 2009“ (The League of Extraordinary Gentlemen #3: 2009, 2011)

Meine Besprechung von Alan Moore/Kevin O’Neills „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen: Das schwarze Dossier“ (The League of Extraordinary Gentlemen: Black Dossier, 2007)

Meine Besprechung von Alan Moore/Jacen Burrows‘ „Neonomicon“ (The Courtyard, 2003; Neonomicon, 2010/2011)

Meine Besprechung von Alan Moore/Gabriel Andrades „Crossed + Einhundert (Band 1)“ (Crossed plus one hundred # 1 – 6, 2015)

Meine Besprechung von Alan Moore/Kevin O’Neills „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen – Band 3: Century“ (The League of extraordinary Gentlemen, Volume III: Century # 1: 1910, #2: 1969, #3: 2009; 2009/2011/2012)

Meine Besprechung von Alan Moore/Tony S. Daniel/Kevin Conrads „Spawn: Bloodfeud – Blutfehde“ (Spawn: Blood Feud, 1995)

Meine Besprechung von Alan Moore/Kevin O’Neills „Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen: Nemo – Fluss der Geister“ (Nemo: River of Ghosts, 2015)

Meine Besprechung von Alan Moore/Jacen Burrows‘ „Providence – Band 1“ (Providence, #1 – 4, 2015)

Meine Besprechung von Alan Moore/Ian Gibson/Barbara Nosenzos „Die Ballade von Halo Jones – Band 1“ (The Ballad of Halo Jones, 1984)

Meine Besprechung von Alan Moore/Ian Gibson/Barbara Nosenzos „Die Ballade von Halo Jones – Band 2“ (The Ballad of Halo Jones, 1984)

Meine Besprechung von Alan Moore/Ian Gibson/Barbara Nosenzos „Die Ballade von Halo Jones – Band 3“ (The Ballad of Halo Jones, 1986)

Meine Besprechung von Alan Moore/Brian Bollands „Batman Noir: Killling Joke – Ein tödlicher Witz“ (Batman: The Killing Joke, 1988)

Meine Besprechung von Alan Moore/Curt Swans „Superman: Was wurde aus dem Mann von Morgen?“ (Whatever happened to the Man of Tomorrow, 1986)