Neu im Kino/Filmkritik: Über Edgar Wrights Stephen-King-Verfilmung „The Running Man“

November 14, 2025

Vorbemerkung: Wenn die US-Amerikaner einen ausgebauten Sozialstaat und eine Krankenversicherung nach europäischem Vorbild hätten, könnte die Filmgeschichte nicht passieren. Und, ja, auch ein unterschiedlich gerupfter Sozialstaat ist besser als ein überhaupt nicht vorhandener Sozialstaat.

Und damit kämen wir zu „The Running Man“, einem Thriller über eine TV-Show über eine Menschenjagd in den USA. 1982 veröffentlichte Stephen King als Richard Bachman die Dystopie „The Running Man“ (Menschenjagd). 1987 verfilmte Paul Michael Glaser, sich Freiheiten nehmend, den Science-Fiction-Roman als knalligen Actionkracher mit Arnold Schwarzenegger. 96 Minuten dauert sein Film. Jetzt verfilmte Edgar Wright mit Richard Powell als titelgebenden Running Man Kings Roman. 134 Minuten dauert die neue, sich stärker an den Roman haltende Verfilmung.

Ben Richards (Glen Powell) ist ein Arbeiter, der aus mehreren Jobs flog, weil er sich für seine Kollegen einsetzte. Jetzt steht er auf der Schwarzen Liste. Entsprechend schlecht sind seine Aussichten auf einen neuen Job. Seine Frau übernimmt Doppelschichten in einer Bar. Trotzdem haben sie kein Geld für die dringend benötigten Grippemedikamente für ihre zweijährige Tochter.

Um an Geld zu kommen, will Ben sich im Fernsehen bei einem Gewinnspiel beteiligen. Der TV-Sender, der sich nur das Network nennt und mit seinem Programm das Publikum konsequent verdummt, sieht sich seinen Lebenslauf an, testet seine Fitness, interviewt ihn und schlägt ihm vor, bei der Hit-Show „The Running Man“ mitzumachen. Oder das Gebäude zu verlassen.

The Running Man“ ist eine TV-Show, in der ein Mann von für den Sender arbeitenden Killern dreißig Tage quer durch die USA gejagt wird. Wer ihm hilft, ist ebenfalls Freiwild. Wer dem Sender den Aufenthaltsort oder Informationen zum Aufenthaltsort des Running Man verrät, erhält eine fürstliche Belohnung. Wenn der Gejagte die dreißig Tage übersteht, erhält er ein utopisch hohes Preisgeld. Bis jetzt hat noch nie ein Läufer das Spiel überlebt. Normalerweise wurde er lange vor dem Erreichen der magischen dreißig Tage von den Killern oder normalen US-Bürgern, die dafür eine Belohnung erhalten, getötet.

Soweit die Prämisse, die Science-Fiction-Fans und Cineasten auch aus älteren, in den wesentlichen Punkten gleichen Filmen kennen. Die bekanntesten und gelungensten Varianten dieser Geschichte sind Robert Sheckleys Kurzgeschichte „The Prize of Peril“ (der Ursprungstext), Tom Toelles Verfilmung „Das Millionenspiel“ (Deutschland 1970, mit Dieter Hallervorden als Killer; dieser spannende TV-Film war wegen Rechtsstreitigkeiten lange in den Giftschrank verbannt), Yves Boissets kaum bekannte Verfilmung „Kopfgeld – Preis der Angst“ (Frankreich 1982) und Elio Petris pop-bunte Satire „Das zehnte Opfer“ (Italien 1965), die auf Sheckleys Kurzgeschichte „The Seventh Victim“ basiert. Sheckley schrieb auch den Roman zum Film. Immer geht es um eine im Fernsehen vor einem Millionenpublikum übertragene Menschenjagd, die der Gejagte nicht überleben soll. Immer manipuliert der Sender schamlos die Regeln zu seinen Gunsten. Immer geht es um Kritik am Kapitalismus.

Seit der 1987er Verfilmung von „The Running Man“ gab es selbstverständlich weitere Variationen der Geschichte. „Die Tribute von Panem“ (The Hunger Games) ist heute sicher die bekannteste und erfolgreichste Variante. Weitere Young-Adult-Dystopien und Kinofilme mit einer ähnlichen Prämisse, wie „Gamer“ und „Nerve“, waren weniger erfolgreich.

Jetzt hat Edgar Wright sich den Stoff wieder vorgenommen, ihn mild aktualisiert und nah an der von Stephen King erfundenen Geschichte entlang erzählt.

Das Ergebnis ist ein durchaus gelungener, aber nie wirklich überzeugender Thriller. Das liegt auch am finalen dritten Akt, der durchgehend wirkt, als ob Wright nicht wusste, wie die Geschichte enden soll. Trotz deftiger Actioneinlagen ist der Thriller bei weitem nicht das im Trailer versprochene brutale, grob-satirische Actionfeuerwerk. Wrights „The Running Man“ ist von seiner Atmosphäre näher an düsteren 70er-Jahre-Thrillern als an brachialen 80er-Jahre-Gewaltorgien.

Die Menschenjagd entwickelt sich als reines Episodendrama. Neben Ben werden in diesem Spiel noch zwei weitere Menschen gejagt. Während den Prüfungen für eine Teilnahme bei dem Spiel arbeiten sie etwas zusammen und lernen sich kennen. Befreunden wäre zu viel gesagt. Nach dem Spielstart gehen sie vollkommen getrennte Wege. Ben erfährt von ihnen nur noch, via TV, wie sie sterben. Er selbst reist quer durch die USA, trifft einige Menschen, denen er später nicht wieder begegnet. Einige Male kann er dabei seinen Jägern entkommen. Wie sie ihn gefunden haben, bleibt rätselhaft. Sie tauchen irgendwann auf und verwandeln, vor laufender Kamera, auch innerstädtische Gebiete in Kriegsgebiete.

Die Medien- und Kapitalismuskritik bewegt sich in den seit Jahrzehnten vertrauten Bahnen. Während die vorher erwähnten Verfilmungen aus den sechziger, siebziger und achtziger Jahren Entwicklungen bitterböse in die Zukunft fortschrieben, fällt die Medienkritik in „The Running Man“ (2025) deutlich dahinter zurück. Sie erreicht noch nicht einmal das schon vor Jahrzehnten bei der Diskussion über verschiedene Reality-TV-Formate, wie „Big Brother“ und „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ etablierte Niveau.

Dass der Sender die gesamte Sendung manipuliert, überrascht den Kinozuschauer daher nicht. Eher schon überrascht, wie schnell der Sender die Videos bearbeiten kann und wie perfekt er die Meinung des Publikums lenken kann; jedenfalls wird immer wieder angedeutet, dass alle dem Sender und dem von ihm verbreiteten Bildern glauben. Aus dem Arbeiter Ben wird in der Sendung ein Unruhestifter und Hallodri. Wenn er auf einem von ihm erstellten Video etwas sagt, das nicht in das Konzept der Sendung passt, wird es umstandslos geändert.

In diesen Momenten zeigt Wright, wie der TV-Sender die öffentliche Meinung manipuliert.

Gleichzeitig wird durch Graffitis, amateurhafte YouTube-Videos (eines in der Filmmitte, eines am Filmende) mit unklarer Verbreitung und, gegen Ende, plakatschwenkenden Menschen, nahe gelegt, dass Ben viele Fans hat und die Manipulationsversuche des Senders erfolglos sind. Warum die Menschen das tun oder wie sie erfahren haben, wo Ben ist, wird nicht gesagt. Denn wenn Ben sich nicht gerade im Nahkampf mit den Killern befindet, ist er untergetaucht. Er muss nur jeden Tag ein zehnminütiges Video auf einer Mini-Videocassette aufnehmen und in einen Briefkasten werden. Diese Postsendung kann nicht zurück verfolgt werden. Das Video ist der Beweis, dass er noch lebt. Moderne Überwachungstechnik, mit der Menschen in Echtzeit gefunden werden können und die, als King den Roman vor über vierzig Jahren schrieb absolut utopisch war, gibt es in Wrights retro-futuristischem Film nicht. Der Einsatz dieser Technik würde die Jagd auch ziemlich schnell beenden.

Die ‚Botschaft‘ gegen das System bleibt im Diffusen. Es wird aber von einigen Systemgegnern, die ihm helfen, gesagt, dass Ben der Mensch sein könnte, der eine Revolte gegen das System auslöst. Auch dieser Punkt bleibt eine reine Behauptung.

Das heißt: immer dann, wenn es politisch werden könnte, wenn die Satire treffend werden könnte, wenn gesellschaftliche Missstände angesprochen werden könnten, wenn Ross und Reiter genannt werden sollten, wird es erstaunlich schwammig. So wird in der einen Minute die Manipulation der Bilder durch den Sender angesprochen und damit das Vertrauen in die Echtheit von Bildern untergraben. In der nächsten Minute ist es dann wichtig, dass Ben, der in dem Moment (wir befinden uns im dritten Akt) weiß, dass der Sender die Bilder nach seinen Interessen manipuliert, dem Sender glaubt, dass die Bilder, die ihm der Sender in dieser Minute zeigt, nicht manipuliert sind. Diese Schizophrenie zieht sich durch den gesamten Film. Das Problem von „The Running Man“ (2025) ist daher nicht, dass Politik angesprochen wird, sondern wie sie angesprochen wird. Hier sind die „The Purge“-Filme viel expliziter, eindeutiger und überzeugender.

The Running Man“ ist dagegen ein sich manchmal politisch, system- und medienkritisch gebendes eskapistisches Spektakel voller verschenkter und nicht genutzter Möglichkeiten. Deshalb sollte man auch nicht allzu intensiv über die Story und die Welt, in der die Geschichte spielt, nachdenken.

The Running Man (The Running Man, USA 2025)

Regie: Edgar Wright

Drehbuch: Michael Bacall, Edgar Wright

LV: Stephen King (ursprünglich als Richard Bachman): The Running Man, 1982 (Menschenjagd)

mit Glen Powell, William H. Macy, Lee Pace, Michael Cera, Emilia Jones, Daniel Ezra, Jayme Lawson, Sean Hayes, Katy O’Brian, Karl Glusman, Colman Domingo, Josh Brolin

Länge: 134 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Moviepilot über „The Running Man“

Metacritic über „The Running Man“

Rotten Tomatoes über „The Running Man“

Wikipedia über „The Running Man“ (deutsch, englisch)

zu Edgar Wright

Meine Besprechung von Edgar Wrights „The World’s End“ (The World’s End, Großbritannien 2013)

Meine Besprechung von Edgar Wrights „Baby Driver“ (Baby Driver, USA 2017)

Meine Besprechung von Edgar Wrights „The Sparks Brothers“ (The Sparks Brothers, USA 2021)

Meine Besprechung von Edgar Wrights „Last Night in Soho“ (Last Night in Soho, Großbritannien 2021)

zu Stephen King

Homepage von Stephen King

Mein Porträt zu Stephen Kings Geburtstag

Stephen King in der Kriminalakte, in seinem Trailer-Park und auf Europa-Tour

den Romanen von Stephen King

Meine Besprechung von Stephen Kings/Richard Bachmans „Qual“ (Blaze, 2007)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Nachgelassene Dinge“ (The things they left behind) in Ed McBains „Die hohe Kunst des Mordens“ (Transgressions, 2005)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Colorado Kid“ (The Colorado Kid, 2005)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Doctor Sleep“ (Doctor Sleep, 2013)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Später“ (Later, 2021)

Meine Besprechung von Joe Hill/Stephen King/Richard Mathesons „Road Rage“ (Road Rage, 2012)

den Verfilmungen, teils mit Besprechungen der Romane

Meine Besprechung der auf Stephen Kings Novelle “The Colorado Kid” basierenden TV-Serie “Haven”

Meine Besprechung von Kimberly Peirces Stephen-King-Verfilmung “Carrie” (Carrie, USA 2013)

Meine Besprechung von Tod Williams‘ Stephen-King-Verfilmung „Puls“ (Cell, USA 2016)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Der dunkle Turm: Schwarz“ (The Dark Tower: The Gunslinger, 1982) und von Nikolaj Arcels Romanverfilmung „Der dunkle Turm“ (The dark Tower, USA 2017)

Meine Besprechung von Andy Muschiettis „Es“ (It, USA 2017)

Meine Besprechung von Stephen Kings „Friedhof der Kuscheltiere“ (Pet Sematary, 1983) und Kevin Kölsch/Dennis Widmyers Romanverfilmung „Friedhof der Kuscheltiere“ (Pet Sematary, USA 2019)

Meine Besprechung von Andy Muschietti Stephen-King-Verfilmung „Es Kapitel 2″ (It Chapter 2, USA 2019)

Meine Besprechung von Mike Flanagans „Stephen Kings Doctor Sleeps Erwachen“ (Doctor Sleep, USA 2019) (wahrscheinlich einer der Filmtitel, die kein Mensch an der Kinokasse vollständig ausgesprochen hat)

Meine Besprechung von Rob Savages Stephen-King-Verfilmung „The Boogeyman“ (The Boogeyman, USA 2023)

Meine Besprechung von Kurt Wimmers „Kinder des Zorns“ (Children of the Corn, USA 2020)

Meine Besprechung von Osgood Perkins‘ Stephen-King-Verfilmung „The Monkey“ (The Monkey, USA/Großbritannien 2025)

Meine Besprechung von Mike Flanagans Stephen-King-Verfilmung „The Life of Chuck“ (The Life of Chuck, USA 2024)

Meine Besprechung von Franics Lawrences Stephen-King-Verfilmung „The long Walk – Todesmarsch“ (The long Walk, USA 2025)


TV-Tipp für den 21. Januar: Winner

Januar 20, 2025

ZDF, 00.15

Winner (Winner, Kanada/USA 2024)

Regie: Susanna Fogel

Drehbuch: Kerry Howley, Susanna Fogel

LV: Kerry Howley: Who Is Reality Winner? (New York Magazine, 25. Dezember 2017, Reportage)

TV-Premiere zu nachmitternächtlicher Stunde: In dem schwarzhomorigen Biopic wird die Geschichte der Whistleblowerin Reality Winner erzählt. Sie war von 2010 bis 2016 in der United States Air Force. Danach arbietete sie für ein NSA-Subunternehmen (National Security Agency). Dort entdeckte sie einen NSA-Report über einen Versuch russicher Hacker, die US-Präsidentenwahl von 2016 zu beeinflussen. Sie gab den Bericht zur Veröffentlichung an „The Intercept“ weiter. Anschließend wurde sie verhaftet und zur bislang längsten Strafe für die nicht autorisierte Weitergabe von staatlichen Informationen an die Medien verurteilt.

Kurz nach der Premiere von „Winner“ auf dem Sundance Film Festival kam bei uns „Reality“ (Reality, USA 2023) in die Kinos. Tina Satter konzentriert sich in ihrem grandiosen Film auf das erste Gespräch zwischen Reality Winner (Sydney Sweeney [grandios!]) und den FBI-Beamten, die sie wegen Geheimnisverrats verhaften wollen.

mit Emilia Jones, Connie Britton, Zach Galifianakis, Kathryn Newton, Danny Ramirez, Kristian Jordan

Hinweise

ZDF über „Winner“ (anschließend in der Mediathek)

Rotten Tomatoes über „Winner“

Wikipedia über „Winner“ (deutsch, englisch) und und Reality Winner (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Susanna Fogels „Bad Spies“ (The Spy who dumped me, USA 2018)

Meine Besprechung von Susanna Fogels „Cat Person“ (Cat Person, USA 2023)


Neu im Kino/Filmkritik: „Cat Person“, Beziehungsstatus schwierig

November 20, 2023

Die zwanzigjährige Studentin Margot arbeitet in einem Arthouse-Kino (Einschub: für sie ist das irgendein Job. Für Filme interessiert sie sich nicht.). Dort lernt sie den Mitt-Dreißiger Robert kennen. Nach einigen Gesprächen treffen sie sich zu einem Date, aus dem mehr wird. Gleichzeitig ist sie immer wieder von seinem Verhalten irritiert. So eloquent seine Textnachrichten sind, so unbeholfen ist er, wenn sie sich treffen.

Cat Person“, der dritte Spielfilm von Susanna Fogel, ist ein kleines schwarzhumoriges Drama über Missverständnisse und den aktuellen Stand im Kampf der Geschlechter in den USA. Mit einigen Szenen, die sich in Margots blühender Fantasie abspielen. Sie fragt sich nämlich, ob der schüchterne ältere Junge nicht vielleicht ein Serienkiller ist. Roberts fundamental andere Sicht der Ereignisse und seiner Motive wird uns auch gezeigt. Und so kann nach dem Film, wie schon vor sechs Jahren über Kristen Roupenians gleichnamige Kurzgeschichte, vorzüglich über Paarbeziehungen diskutiert werden.

Cat Person (Cat Person, USA 2023)

Regie: Susanna Fogel

Drehbuch: Michelle Ashford

LV: Kristen Roupenian: Cat Person, 2017 (Kurzgeschichte, erschienen in The New Yorker)

mit Emilia Jones, Nicholas Braun, Geraldine Viswanathan, Hope Davis, Isabella Rosselini

Länge: 119 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Moviepilot über „Cat Person“

Metacritic über „Cat Person“

Rotten Tomatoes über „Cat Person“

Wikipedia über „Cat Person“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Susanna Fogels „Bad Spies“ (The Spy who dumped me, USA 2018)


TV-Tipp für den 11. Februar: Brimstone – Erlöse uns von dem Bösen

Februar 10, 2022

3sat, 22.25

Brimstone (Brimstone, Niederlande/Großbritannien/Deutschland/Belgien/Schweden 2016)

Regie: Martin Koolhoven

Drehbuch: Martin Koolhoven

Die stumme Liz arbeitet im Wilden Westen in einer frommen Gemeinde als Hebamme. Als sie den neuen Prediger sieht, ist sie entsetzt. Sie reagiert, als habe sie den Leibhaftigen gesehen.

TV-Premiere. Umständlich in Rückblenden erzählter Noir-Western, der wegen seiner Struktur sein Potential nie voll ausschöpft. Für Fans des Spät- und Italowestern oder von Tom Franklins „Smonk“ ist „Brimstone“ allerdings allemal einen Blick wert.

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Dakota Fanning, Guy Pearce, Kit Harington, Carice van Houten, Carla Juri, Emilia Jones

Hinweise

Filmportal über „Brimstone“

Moviepilot über „Brimstone“

Metacritic über „Brimstone“

Rotten Tomatoes über „Brimstone“

Wikipedia über „Brimstone“ (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Martin Koolhovens „Brimstone“ (Brimstone, Niederlande/Großbritannien/Deutschland/Belgien/Schweden 2016)


Neu im Kino/Filmkritik: Über den Western „Brimstone“

Dezember 2, 2017

Martin Koolhovens letzter Film „Mein Kriegswinter“ lief schon vor einigen Jahren im Kino. Danach wollte er einen Western drehen. Die Produktion seines englischsprachigen Debüts zog sich dann länger hin als erwartet, was unter anderem an Problemen beim Drehbuch und dem langen, alle Jahreszeiten umfassenden Dreh lag. Letztes Jahr hatte „Brimstone“ beim Filmfestival Venedig seine Premiere und der Film ist keine leichte Kost. Weniger wegen seiner Länge, sondern wegen der gezeigten Gewalttätigkeiten, die vor allem von Männern gegen Frauen ausgeübt werden, und seiner unnötig komplizierten Struktur.

Der Western beginnt mit einem Prolog, der am Filmende wieder aufgenommen wird. Dazwischen erzählt er in vier Kapiteln, die sich chronologisch immer weiter in die Vergangenheit von Liz (Dakota Fanning) zurückbewegen. Das ist formal nicht uninteressant, verhindert aber auch eine emotionale Bindung an die Protagonistin, deren Handlungen lange rätselhaft bleiben.

Sie hat, als wir sie das erste Mal sehen, keine Zunge, aber ihr liebevoller Mann sieht darüber hinweg und sie ist die geachtete Hebamme des Dorfes. Als sie sich bei einer Notgeburt in der Kirche zwischen dem Leben des Kindes und der Mutter entscheiden muss, leidet ihr Ruf. Sie habe zu Unrecht Gott gespielt. Das wirft ihr der neue Priester (Guy Pearce, mit spürbarer Lust an seiner diabolischen Rolle) vor. Als Liz den Gottesmann zum ersten Mal in der Kirche sieht, reagiert sie, als habe sie den Leibhaftigen gesehen.

In den folgenden drei Kapiteln des gut hundertfünfzigminütigen Western erfahren wir dann, wie Liz ihre Zunge verlor (keine angenehme Geschichte) und woher sie den Prediger kennt. Ebenfalls keine angenehme Geschichte, die einen tiefen Einblick in religiöse Wahngebilde und archaische Geschlechterverhältnisse gibt.

Die von Koolhoven gewählte Struktur führt dazu, dass „Brimstone“ sich mehr wie eine Detektivgeschichte entfaltet, bei der man wissen will, was die Verbindung zwischen Liz und dem teuflischen Priester ist. Das mag intellektuell befriedigen. Gleichzeitig wird „Brimstone“ zu einem verkünstelten Arthaus-Film, bei man sich fragt, warum Koolhoven seine Geschichte nicht einfach chronologisch erzählt. Dann wäre die brutale Geschichte wesentlich kraftvoller, die Identifikation mit Liz größer und das Thema des Films über den gesamten Film präsent.

Für Westernfans, vor allem Fans des Spät- und Italowestern oder von Tom Franklins „Smonk“, ist „Brimstone“ dagegen eine Offenbarung, die auch zeigt, welche religiösen Spinner damals aus Europa in die USA auswanderten.

Brimstone (Brimstone, Niederlande/Großbritannien/Deutschland/Belgien/Schweden 2016)

Regie: Martin Koolhoven

Drehbuch: Martin Koolhoven

mit Dakota Fanning, Guy Pearce, Kit Harington, Carice van Houten, Carla Juri, Emilia Jones

Länge: 149 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Filmportal über „Brimstone“

Moviepilot über „Brimstone“

Metacritic über „Brimstone“

Rotten Tomatoes über „Brimstone“

Wikipedia über „Brimstone“ (deutsch, englisch)

Gespräch mit Martin Koolhoven über „Brimstone“ (in seiner Muttersprache)

Q&A bei der TIFF-Premiere (Ton okay, Kamera…)

https://www.youtube.com/watch?v=iU4UnkgWOUs