„Die Insel des Dr. Moreau“ – dieses Mal als Comic

Dezember 16, 2020

Dr. Moreau – das dürfte allgemein bekannt sein – forscht im Pazifik auf einer einsamen Insel. Er will aus Tieren Menschen machen. Mit durchwachsenem Ergebnis.

H. G. Wells erfand diesen Dr. Moreau und erzählte in dem 1896 erschienenem Roman „Die Insel des Dr. Moreau“ die Geschichte dieses Wissenschaftler. Heute ist „Die Insel des Dr. Moreau“ ein Klassiker der Science-Fiction-Literatur und, wie meine wiederholte (?; ich weiß nicht, ob ich den Roman nicht schon einmal als Jugendlicher gelesen habe. In jedem Fall habe ich jetzt zum ersten Mal die englische Ausgabe gelesen.) Lektüre zeigt, ein immer noch gut lesbarer Roman. Wells treibt die Handlung unerbittlich voran, viele Dialoge und knappe Beschreibungen bestimmen die extrem schnörkellos geschriebene und kurze Geschichte.

Während andere SF-Klassiker inzwischen viel Patina angesetzt haben und damit auch eindeutig Kinder ihrer Entstehungszeit sind, ist „Die Insel des Dr. Moreau“ erstaunlich zeitlos und aktuell. Einerseits weil sich das Leben eines einsam auf einer Insel vor sich hin experimentierenden Forschers vor hundertzwanzig Jahren von dem eines heute oder in naher Zukunft einsam vor sich hin experimentierenden Forschers wenig unterscheidet: die Temperaturen sind tropisch, eine ständige Verbindung zur Außenwelt gibt es nicht und die in dem Labor benutzten Geräte sind für einen wissenschaftlichen Laien einfach Geräte in einem Labor. Nur die Computer sind neu.

Andererseits, und das ist der wichtigere Punkt, sind die Fragen, die H. G. Wells in seiner Geschichte stellt, heute immer noch relevant. Eigentlich sind sie heute sogar relevanter. Dank der Entwicklungen in der Gentechnik erscheint heute eine Verwirklichung von Dr. Moreaus Vision möglich und kurz vor ihrer Verwirklichung zu stehen. Damit ist die Frage, ob mit dem Erbgut experimentiert werden soll und welche Veränderungen an Lebewesen akzeptabel sind, heute aktueller denn je.

So sagt Ted Adams in einer in dem Comic enthaltenen Unterhaltung mit seinem Co-Autor Gabriel Rodriguez: „Die Frage, ob die Wissenschaft, nur weil sie etwas tun kann, das auch tun sollte – die ist jetzt sogar noch aktueller als zu der Zeit, als Wells das Buch geschriben hat.“

Rodríguez pflichtet ihm bei: „Genau das sollten sich Wissenschaftler fragen: Wie übernimmt man die Verantwortung für das, was man erreicht hat? Auf gewisse Weise spricht Wells in Moreau darüber, was geschieht, wenn wir ein fühlendes Wesen schaffen. Man nimmt ein Tier und macht es zum Menschen, und dann übernimmt man keine Verantwortung dafür. Wir werden uns in der allernächsten Zukunft mit diesen Fragen auseinandersetzen müssen.“

Diese im Roman zentrale Frage rechtfertigt dann auch Comicversion der altbekannten Geschichte. Bis auf eine große Änderung (aus dem schiffbrüchigem Romanerzähler Edward Prendick wird Ellie Prendick) erzählen Ted Adams und Gabriel Rodrìguez die Geschichte getreu nach, verdichten sie sinnvoll und übertragen sie gelungen in ein anderes Medium. Für das Auge sind die meist doppelseitigen, detailreichen Panels mit den vielen von Dr. Moreau geschaffenen Kreaturen ein Fest.

Außerdem lädt die Adaption auch zur erstmaligen oder wiederholten Lektüre des Romans ein.

Auf die Verfilmungen kann man dagegen getrost verzichten. Bis jetzt wurde der Roman von Wells offiziell dreimal verfilmt. Und keine Verfilmung ist gelungen. Weder als Verfilmung noch als eigenständiger Film.

Neben der schon erwähnten Unterhaltung zwischen Adams und Rodríguez enthält „Die Insel des Dr. Moreau“ erstmals die blauen Bleistiftzeichnungen von Rodríguez (letztendlich handelt es sich um den Comic ohne Text und Farben) und die Covers der Einzelhefte.

Ted Adams/Gabriel Rodríguez: Die Insel des Dr. Moreau

(übersetzt von Josef Rother)

Panini, 2020

108 Seiten

25 Euro

Originalausgabe

The Island of Dr. Moreau

IDW Publishing, 2020

Vorlage

H. G. Wells: The Island of Doctor Moreau

Heinemann, 1896

Deutsche Übersetzungen als „Dr. Moreaus Insel“ und „Die Insel des Dr. Moreau“.

Hinweise

Wikipedia über H. G. Wells‘ „Die Insel des Dr. Moreau“ (deutsch, englisch)


Horrorautor Joe Hill erzählt „Tales from the Darkside – Geschichten aus der Schattenwelt“

August 30, 2017

Die TV-Anthologieserie „Tales from the Darkside“ lief von 1983 (Pilotfilm, regulär ab 1984) bis 1988 im US-TV und ab 1989 auch bei uns, bei Pro7. Sie war, wie alle Anthologiserien, die das weite Feld zwischen Horror, Unheimlichem, Übernatürlichem, Science-Fiction (selten) und Krimi (noch seltener) bespielen, von „The Twilight Zone“ (Unglaubliche Geschichten/Unwahrscheinliche Geschichten/Geschichten, die nicht zu erklären sind) beeinflusst. In einer halben Stunde (mit Werbung) wird eine kurze Geschichten mit einem überraschendem Ende erzählt.

Vor ein paar Jahren gab es Pläne, das Konzept unter dem altbekannten Titel wieder zu beleben. Horrorautor Joe Hill erarbeitete 2014/2015 Vorschläge, die drei Staffeln und eine Darkside-Mythologie beinhalteten. Das Projekt zerschlug sich und jetzt hat er seine damaligen Ideen als Comic veröffentlicht. Michael Benedetto ist für die Adaption, Gabriel Rodriguez für die Zeichnungen verantwortlich. In dem Sammelband „Tales from the Darkside“ sind drei Geschichten (zwei kurze, eine lange), die damals verfilmt werden sollten, enthalten.

In „Schlafwandler“ döst der junge Bademeister Ziggy, nach einer weiteren durchfeierten Nacht, bei der Arbeit ein und eine Frau ertrinkt. Geplagt von Schuldgefühlen kann Ziggy nicht mehr einschlafen. Die Menschen in seiner Umgebung schon.

In „Black Box“ (der langen Geschichte) steht Brian Newman, der auch in den beiden anderen Geschichten Kurzauftritte hat, im Mittelpunkt. Er hat einen boshaften Schattenzwilling, den er Großer Gewinner nennt, und er kann die Realität verändern. Zum Beispiel indem ein Pelz lebendig wird und seine Trägerin attackiert.

Jetzt bietet ihm der Konzern Briterside die Implantation eines Chips an, der ihn heilen kann. Durch die Operation soll sein Schattenzwilling verschwinden. Aber was ist, wenn der sich gegen die Folgen der Operation wehrt?

In „Ein offenes Fenster“ weicht die junge Joss einem plötzlich auf der Straße auftauchendem Mann (es ist Brian Newman) aus und fährt auf einem Grundstück einen Briefkasten um. Sie will sich bei den Hausbesitzern entschuldigen und wird von ihnen gleich als Babysitter engagiert. Die beiden Kinder starren nur auf ihr Tablet und wollen es unter keinen Umständen aus der Hand geben. Und das ist noch der harmlose Teil des Jobs.

Das sind drei hübsche kleine Horrorgeschichten. Auch wenn, für meinen Geschmack, vor allem bei der zweiten Geschichte schon zu sehr auf einen größeren zusammenhängenden Kosmos spekuliert wird, anstatt die Geschichten einfach für sich stehen zu lassen. Denn ob es eine Fortsetzung der ursprünglich auf vier Hefte, die in „Tales from the Darkside“ zusammengefasst sind, angelegten Mini-Serie gibt, ist ungewiss.

Joe Hill/Gabriel Rodriguez: Tales from the Darkside – Geschichten aus der Schattenwelt

(übersetzt von Gerlinde Althoff)

Panini, 2017

108 Seiten

16,99 Euro

Originalausgabe

Tales from the Darkside # 1 – 4

IDW, 2016

Buchtipp

Eigentlich ist Joe Hill ein Romanautor und bei Heyne ist kürzlich sein neuer Roman „Fireman“ erschienen. Mit gut tausend Seiten Seiten, eng bedruckt und ohne Bilder, dürfte das genug Lesestoff für einige lange Tage sein.

Der titelgebende Fireman ist, so sagen die Gerüchte, ein Mann, der eine Seuche, die schon unzählige Menschen in Flammen aufgehen ließ, kontrollieren kann. Als die schwangere Harper Grayson infiziert wird, beschließt sie den Fireman in einer postapokalyptischen Welt zu suchen. Er soll ihr helfen. Aber gibt es ihn überhaupt?

Joe Hill: Fireman

(übersetzt von Ronald Gutberlet)

Heyne, 2017

960 Seiten

17,99 Euro

Originalausgabe

The Fireman

William Morrow, 2016

Hinweise

Homepage von Joe Hill

Joe Hill in der Kriminalakte

Meine Besprechung von Joe Hill/Stephen King/Richard Mathesons „Road Rage“ (Road Rage, 2012)