
Auch wer kein einziges Abenteuer von Arsène Lupin gelesen hat oder keinen der Filme mit ihm als Helden, wie aktuell die Netflix-Serie “Lupin” mit Omar Sy als Lupin, gesehen hat, kennt Arsène Lupin und weiß, was er tut. Er ist ein Einbrecher, ein Dieb, der mit seinen Helfern spektakuläre Coups durchführt. Oft kündigt er seine Raubzüge vorher an – und führt sie, trotz Überwachung, zum angekündigten Zeitpunkt durch. Er genießt das Leben. Er taucht unter verschiedenen Namen, Masken und Verkleidungen auf. Das war zu seinen Lebzeiten – die erste Lupin-Geschichte „L’Arrestation d’Arsène Lupin“ erschien am 15. Juli 1905 im Magazin „Je sais tout“ – deutlich einfacher als heute. Damals konnte mit einfachen Verkleidungen, wie einem falschen Bart, einer anderen Frisur oder anderer Kleidung, die eigene Identität gut verschleiert werden. Schließlich gab es vor hundertzwanzig Jahren vor allem höchst unzuverlässige Beschreibungen und Zeichnungen von Personen. Die Fotografie steckte noch in ihren Kinderschuhen.
Die ersten neun Lupin-Geschichten erschienen ursprünglich zwischen Juli 1905 und Mai 1907 in „Je sais tout“. Schon im Juni 1907 wurden sie in dem Sammelband „Arsène Lupin, der Gentleman-Gauner“ veröffentlicht. Die erste deutsche Übersetzung des Buches erschien 1913. Weil die Lupin-Geschichten beim Lesepublikum gut ankommen, schreibt Maurice Leblanc bis zu seinem Tod 1941 vor allem Lupin-Geschichten. Diese sind – erstaunlicherweise – immer noch nicht vollständig ins Deutsche übersetzt.
Neben den etwas früher erschienenen, bei uns unbekannteren Geschichten von E. W. Hornung über den Einbrecher A. J. Raffles ist Arsène Lupin der erste Profieinbrecher als Held mehrerer Geschichten. Er war nicht der letzte beim Publikum beliegte Gentleman-Gauner.
Die in „Arsène Lupin, der Gentleman-Gauner“ versammelten Kurzgeschichten hängen sehr locker miteinander zusammen und können als eigenständige Episoden einer TV-Serie gesehen werden. In der ersten Geschichte wird Lupin, nach einer aufregenden Überfahrt in einem Transatlantikdampfer, im Hafen von New York durch Oberinspektor Ganimard verhaftet.
In den folgenden Geschichten erzählt Leblanc, wie Lupin aus dem Gefängnis ausbricht (wobe er schon während seiner Haft der Öffentlichkeit und den Wärtern den Eindruck vermittelt, dass er das Gefängnis jederzeit verlassen kann), wie er verschiedene, gerne auch vorher angekündigten Einbrüche in die Häuser vermögender Menschen durchführt und Herlock Sholmes begegnet. Leblanc wählte diesen Namen, weil Sir Arthur Conan Doyle nicht einverstanden mit einer Verwendung von Sherlock Holmes war. Weil in den Lupin-Geschichten der Meisterdetektiv von der Insel unmöglich gegen den charmanten Gentleman-Gauner gewinnen, ist das durchaus verständlich.
Wie Lupin seine Coups durchführt, ist aus heutiger Sicht und weil es sich immer um Kurzgeschichten handelt. meistens sehr offensichtlich. Aber der Franzose macht es mit Stil, Charme, gewaltfrei, einem Bewusstsein für die schönen Dinge des Lebens und immer mit dem Blick auf das Publikum, das unterhalten werden möchte, wenn er die Reichen ausraubt.
„Arsène Lupin, der Gentleman-Gauner“ besteht aus neun flott und vergnüglich zu lesenden Kurzgeschichten, die Erinnerungen an eine vergangene Zeit wecken.
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Maurice Leblanc: Arsène Lupin, der Gentleman-Gauner
(übersetzt von Felix Meyer)
Anaconda, 2025
256 Seiten
7,95 Euro
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Originalausgabe
Arsène Lupin – gentleman-cambrioleur
Verlag Pierre Lafitte et Cie, Paris 1907
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Bereits erschienen in anderen Übersetzungen bei anderen Verlagen.
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Hinweise
Wikipedia über Maurice Leblanc (deutsch, englisch, französisch) und Arsène Lupin (deutsch, englisch, französisch)
Veröffentlicht von AxelB 
