DVD-Kritik (+ Lesehinweise): „No second Chance“ für Harlan Coben?

Mai 3, 2019

Als Dr. Alice Lambert im Krankenhaus auf der Intensivstation erwacht, ist ihr Leben zerstört. Sie wurde von einem Unbekannten in ihrem Vorstadthaus angeschossen. Ihr Mann ist tot und ihre kleine Tochter Tara verschwunden. Kurz darauf erhält sie eine Lösegeldforderung mit den üblichen Bedingungen. Ihre Schwiegereltern, die ein nobles Landhotel betreiben, können das Lösegeld beschaffen. Aber die Übergabe – bei der dann doch die Polizei dabei ist – geht schief.

Zwei Jahre später erhält Lambert eine Nachricht von den Entführern. Ihre Tochter lebt noch.

Spätestens in diesem Moment weiß der geübte Thrillerfan, dass es sich um keine normale Entführung handelt.

Die französische sechsteilige Miniserie „No second Chance“, die in Frankreich ein Hit war, basiert auf Harlan Cobens Bestseller „Keine zweite Chance“ (No second chance, 2003).

Der Roman war, nach mehreren hochgelobten und ausgezeichneten Myron-Bolitar-Privatdetekivromanen, ein weiterer Einzelroman. Mit ihnen gelang Cobens der Durchbruch beim breiten Publikum. Diese Thriller sind im Kern alle ähnlich aufgebaut. Immer geht es um Verbrechen und Geheimnisse in der Vorstadt. Immer stehen ganz normale (naja, mehr oder weniger normale) Menschen im Mittelpunkt der Geschichte. Und immer erfährt der Protagonist dass er sich einige tiefgreifende Illusionen über sein Leben gemacht hat.

Selbstverständlich interessierte Hollywood sich schnell für diese Bestseller. Jeder von Cobens Romanen hat das Potential für einen spannenden Thriller. Aber bis jetzt gibt es keine Hollywood-Verfilmung eines Coben-Romans. Dafür gibt es mehrere französische Verfilmungen, in denen die Geschichten von den USA nach Frankreich verlegt werden und erstaunlich gut funktionieren. Bei „No second Chance“ wurde auch, mit Cobens Einverständnis, das Geschlecht der Hauptperson geändert. Aus Marc Seidman wurde Alice Lambert. Es gibt noch einige weitere Änderungen, die so gelungen sind, dass sie jederzeit wirken, als stünden sie genau so im Roman.

Die Macher der Miniserie jonglieren über sechs Stunden gelungen zwischen verschiedenen Handlungssträngen. Vor allem aus dem Wechsel zwischen Lamberts Versuchen, ihre Tochter wiederzubekommen, während sie sich fragt, wem sie überhaupt vertrauen kann, und den Ermittlungen der Polizei, entsteht eine beträchtliche Spannung. Die Ermittler versuchen einerseits, die Entführer zu finden, verdächtigen dabei auch Lambert (Warum wurde sie in den Rücken geschossen, wenn die Einbrecher doch die Haustür gewaltsam aufbrachen?) und sie haben Ärger mit anderen Abteilungen und Anweisungen, die ihre Ermittlungen immer wieder behindern. Vor allem die Rolle von Richard Millot ist unklar. Er ist Lamberts Jugendfreund. Jetzt, nachdem er jahrelang keinen Kontakt zu ihr hatte, hilft er ihr anscheinend selbstlos und er ist ein Agent mit unklarer Zuständigkeit und Auftrag.

Alle Figuren sind knapp und präzise gezeichnet. Die Story bewegt sich mit zahlreichen überraschenden Wendungen und Cliffhangern ständig vorwärts.

Die Schauspieler, Ausstattung und Locations überzeugen. Damit ist alles vorhanden für sechs spannende Stunden oder eine schlaflose Nacht. Aber daran sind Coben-Fans von seinen Romanen gewohnt.

Die Miniserie „No second Chance“ ist auch deutlich gelungener als „Just one Look“, die zweite TV-Miniserie, die ebenfalls auf einem Roman von Harlan Coben basiert und ebenfalls von Sydney Gallonde für das Fernsehen bearbeitet wurde.

Für Coben-Fans und Thrillerfans ist „No second Chance“ daher eine klare Empfehlung. Außerdem hat Harlan Coben in der letzten Folge einen längeren Auftritt.

No second Chance (Une chance de trop, Frankreich 2015)

Regie: François Velle

Drehbuch: Delinda Jacobs, Patrick Renault, Emilie Clamart-Marsollat, Frédéric Chansel, Olivier Kohn, Kristel Mudry, Mehdi Ouahab, Sébastien Vitoux

Erfinder: Sydney Gallonde

LV: Harlan Coben: No second Chance, 2003 (Keine zweite Chance)

mit Alexandra Lamy, Pascal Elbé, Lionel Abelanski, Hippolyte Girardot, Charlotte Des Georges, Lionnel Astier, Samira Lachhab, Francis Renaud, Arielle Sémenoff, Geoffroy Thiébaut, Yoli Fuller, Jean-François Vlerick, Dana Delany, Harlan Coben

DVD

Polyband

Bild: 16:9 (1,78:1)

Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Französisch (Dolby Digital 2.0)

Untertitel: –

Bonusmaterial: –

Länge: 336 Minuten (6 Folgen auf 2 DVDs)

FSK: ab 16 Jahre

Die Vorlage

Harlan Coben: Keine zweite Chance

(übersetzt von Gunnar Kwisinski)

Goldmann, 2005

448 Seiten

9,99 Euro

Originalausgabe

No Second Chance

Dutton, 2003

Neu von Harlan Coben

Bei einem Überfall wird Maya Burketts Mann Joe ermordet. Kurz nach seiner Beerdigung sieht sie ihn auf neuen Aufnahmen ihrer Nanny-Cam mit ihrer Tochter spielen. Maya, eine Ex-Soldatin mit Kampferfahrung, fragt sich, ob sie ihren Augen trauen kann. Sie will herausfinden, was hinter den Bildern steckt. Sie muss sich dafür auch mit Joes vermögender Familie anlegen.

In ewiger Schuld“ ist ein weiterer Einzelroman von Harlan Coben und, nun, eine Lösung können wir schon jetzt ausschließen.

Harlan Coben: In ewiger Schuld

(übersetzt von Gunnar Kwisinski)

Goldmann, 2019

416 Seiten

9,99 Euro

Originalausgabe

Fool me once

Dutton, 2016

Hinweise

AlloCiné über „No second Chance“

Wikipedia über „No second Chance“

Homepage von Harlan Coben

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Kein böser Traum“ (Just one look, 2004)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Kein Friede den Toten“ (The Innocent, 2005)

Meine Besprechung von Harlan Coben „Der Insider“ (Fade away, 1996)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Das Grab im Wald“ (The Woods, 2007)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Sie sehen dich“ (Hold tight, 2008)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Von meinem Blut“ (Long Lost, 2009)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „In seinen Händen“ (Caught, 2010)

Meine Besprechung von Harlan Cobens “Sein letzter Wille” (Live Wire, 2011)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Nur zu deinem Schutz“ (Shelter, 2011)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Ich finde dich“ (Six Years, 2013)

Meine Kurzbesprechung der Harlan-Coben-Verfilmung „Kein Sterbenswort“ (Ne le dis à personne, Frankreich 2006)

Meine Besprechung von Ludovic Colbeau-Justin Harlan-Coben-Verfilmung „Just one Look“ (Juste un regard, Frankreich 2017)

Harlan Coben in der Kriminalakte

 


DVD-Kritik (+ Buchtipps): Die Harlan-Coben-Verfilmung „Just one look“

Februar 6, 2019

Eva Beaufils entdeckt unter den Schnappschüssen von ihrem letzten Familienausflug ein ihr vollkommen unbekanntes Foto. Auf dem sind ihr Mann und einige andere Menschen. Sie kennt niemand von ihnen und als sie Bastien danach fragt, reagiert er seltsam auf das gut zwanzig Jahre alte Bild.

Kurz darauf verschwindet er spurlos.

Eva beginnt ihn zu suchen. Denn, das erfahren wir schon in der ersten Folge der sechsteiligen Miniserie „Just one look“, Bastien wurde entführt. Und, das ahnen wir dank der zahlreichen Rückblenden schnell, sein Verschwinden hängt mit einem Rockkonzert, das ebenfalls vor gut zwanzig Jahren in den Katakomben von Paris stattfand, zusammen. Damals brach während des Konzerts eine Panik aus. Menschen starben – und auch Eva war dort. Sie kann sich nur nicht daran erinnern.

In den USA ist Harlan Coben schon seit Ewigkeiten ein Bestsellerautor. In der Krimiszene wurde er mit seinen Myron-Bolitar-Romanen, von denen der erste 1995 erschien, bekannt. Mit seinen Einzelromanen, beginnend mit „Kein Sterbenswort“ (Tell no one, 2001) (die zwei vor seinen Bolitar-Romanen erschienenen Bücher können wir als Frühwerk links liegen lassen), hatte er dann auch beim breiten Publikum seinen Durchbruch. Auch in Deutschland war das so.

Und obwohl Hollywood immer wieder an Cobens Tür klopft und er nichts gegen Verfilmungen seiner Thriller einzuwenden hat, hatte bei den Verfilmungen bis jetzt Frankreich die Nase vorn. Es begann 2006 mit Guillaume Canets gleichnamiger Verfilmung von „Kein Sterbenswort“ (Tell no one, 2001). 2015 folgte die Miniserie „No Second Chance – Keine zweite Chance“ (Une chance de trop), nach seinem Roman „Keine zweite Chance“ (No Second Chance, 2003). Sie ist für den 29. März 2019 angekündigt. Jetzt erschien, ebenfalls bei Polyband, die Miniserie „Just one look“.

Und, wegen der Vollständigkeit, 2017 gab es, als Zweiteiler, eine deutsche Verfilmung von „Keine zweite Chance“.

Doch zurück zu „Just one look“. Als ich den Roman „Kein böser Traum“ (Just one look, 2004) vor über zwölf Jahren las, war ich begeistert. Das war ein richtiger Pageturner, der einen zuverlässig durch die Nacht bringt. Auf den letzten Seiten hat Harlan Coben dann noch einige überraschende und ziemlich atemberaubende Enthüllungen.

Ludovic Colbeau-Justins Verfilmung verlegt die Geschichte aus den Vororten New Yorks nach Paris und dem Umland. Selbstverständlich wurde sie auch etwas aktualisiert. Das bemerkt man hauptsächlich an den benutzten Telefonen.

Dummerweise wurde irgendwo auf dem Weg über den Atlantik die Spannung vergessen. Denn, im Stil skandinavischer Krimiserien, plätschert die Geschichte zwischen verschiedenen Handlungssträngen und Rückblenden zum Konzert. Spannung und das drängende Bedürfnis, erfahren zu wollen, warum Bastien entführt wurde, entsteht so nicht. Dafür passiert in den einzelnen Episoden zu wenig, während die Geschichte auf über dreihundert Minuten gestreckt und immer wieder die Glaubwürdigkeit strapaziert wird. Zum Beispiel wenn Bastiens Entführer ihn ausgerechnet in einem Vorstadthaus versteckt oder Evas Tochter mit einer simplen Internetrecherche viele Fragen beantwortet oder die Kommissarin immer zwei Schritte hinter den Bösewichtern ist.

Insgesamt ist „Just one look“ eine erstaunlich spannungsfreie Coben-Verfilmung.

Just one look (Juste un regard, Frankreich 2017)

Regie: Ludovic Colbeau-Justin

Drehbuch: Patrick Renault, Mehdi Ouahab, Sophie Hiet, Aude Marcle, Kristel Mudry, Sébastien Vitoux

LV: Harlan Coben: Just one look, 2004 (Kein böser Traum)

mit Virginie Ledoyen, Thierry Neuvic, Thierry Frémont, Jimmy Jean-Louis, Joseph Malerba, Stanislas Merhar, Anne Girouard, Mathilde Bisson, Michaël Abiteboul, Carole Richert, Sophie-Charlotte Husson, Arthur Jugnot, Julie Gayet, Joséphine Hélin, Jean-Baptiste Blanc, Harlan Coben (Cameo am Ende der Serie)

DVD

Polyband

Bild: 16:9 (2,00:1)

Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Französisch (Dolby Digital 2.0)

Untertitel: –

Bonusmaterial: –

Länge: 319 Minuten (6 Folgen auf 2 DVDs)

FSK: ab 16 Jahre

Die Vorlage

(die ich damals spannender als jetzt die TV-Serie fand)

Harlan Coben: Kein böser Traum

(übersetzt von Christine Frauendorf-Mössel)

Goldmann, 2006

416 Seiten

9,99 Euro

Originalausgabe

Just one look

Dutton 2004

Zuletzt erschienen:

der elfte Myron-Bolitar-Roman. Dieses Mal will Myron Bolitar herausfinden, was mit zwei Kindern wohlhabender US-Familien geschah. Nach zehn Jahren taucht nämlich einer der beiden entführten Jungs in London auf. Der andere bleibt verschwunden und es ist unklar, was in den zehn Jahren geschah.

Harlan Coben: Der Preis der Lüge

(übersetzt von Gunnar Kwisinski)

Goldmann, 2018

416 Seiten

9,99 Euro

Originalausgabe

Home

Dutton, 2016

Hinweise

AlloCiné über „Just one look“

Wikipedia über „Just one look“

Homepage von Harlan Coben

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Kein böser Traum“ (Just one look, 2004)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Kein Friede den Toten“ (The Innocent, 2005)

Meine Besprechung von Harlan Coben „Der Insider“ (Fade away, 1996)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Das Grab im Wald“ (The Woods, 2007)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Sie sehen dich“ (Hold tight, 2008)

Meine Kurzbesprechung der Harlan-Coben-Verfilmung „Kein Sterbenswort“ (Ne le dis à personne, Frankreich 2006)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Von meinem Blut“ (Long Lost, 2009)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „In seinen Händen“ (Caught, 2010)

Meine Besprechung von Harlan Cobens “Sein letzter Wille” (Live Wire, 2011)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Nur zu deinem Schutz“ (Shelter, 2011)

Meine Besprechung von Harlan Cobens „Ich finde dich“ (Six Years, 2013)

Harlan Coben in der Kriminalakte