Horst Eckert erkundet „Die Macht der Wölfe“

Juli 12, 2023

Hauptkommissar Vincent Veih verbringt mit seiner Kollegin und inzwischen auch Freundin Melia Adan in Berlin ein gemeinsames Wochenende. Das Programm für verliebte Paare wird von Melias Vater, ein sich ‚im Ruhestand‘ befindender einflussreicher Politiker, gestört. Er bittet sie zu einem Gespräch mit der Bundeskanzlerin Ute Frings-Fassbinder. Sie wird von Tristan Bovert erpresst. Er ist Staatssekretär im Kanzleramt und Geheimdienstbeauftragter der Bundesregierung. Die Kanzlerin möchte, dass Adan ihr beim Beschaffen der Beweise gegen ihren Erpresser hilft.

Zur gleichen Zeit werden in Düsseldorf auf dem Gelände des ehemaligen Kaufhof am Wehrhahn, das von Immobilientycoon Hartmut Osterkamp gewinnbringend umgebaut wird, Teile einer zerstückelten Leiche entdeckt. Veih beginnt in dem Fall zu ermitteln. Er entdeckt dabei Jahre zurückreichende Verbindungen zwischen dem Toten, dem TV-Moderator Christoph Urban und rechten Netzwerken zwischen Politik und Großkapital.

Urban arbeitete früher als Sportreporter im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen. Nach seiner Entlassung betrieb er einen rechtspopulistischen YouTube-Kanal. Inzwischen ist er mit seiner Talkshow „Urban direkt“ auf dem TV-Sender Deutschland-TV der Quotenbringer. Finanziert wird der Sender und damit auch seine Sendung von dem Milliardär Hartmut Osterkamp. Dieser bietet Urban die Führung einer sich in Gründung befindenden rechtskonservativ-nationalistischen Partei an. Die Partei soll bei der nächsten Bundestagswahl antreten und diese Wahl wird bald kommen. Denn, so versichert er Urban, die Kanzlerin werde innerhalb der nächsten Tage zurücktreten. Das wisse er aus einer sehr zuverlässigen Quelle.

In ihrem vierten gemeinsamen Fall stehen die beiden Mordermittler Melia Adan und Vincent Veih eher an der Seitenlinie. Für den Mordfall interessiert Horst Eckert sich in „Die Macht der Wölfe“ kaum. Beim Erpressungsplot hat Adan nur eine kleine Rolle als Beschafferin von Überwachungstechnik und Begleiterin zu einer Familie. Im Zentrum seines neuesten Polit-Thrillers steht der Versuch Russlands, Deutschland zu destabilisieren, das Vertrauen in die Demokratie zu untergraben und eine Russland-hörige Regierung einzusetzen. Dafür bedient sich der Geheimdienst eines breiten Geflechts unterschiedlicher über Geld, Macht und Einfluss verfügender Männer.

Protagonist der Geschichte ist letztendlich Christoph Urban. Der TV-Journalist ohne politische Erfahrung soll zuerst vom rechten Polit-Journalisten zum Parteivorsitzenden einer auf ihn zentrierten Partei und dann zum Bundeskanzler gemacht werden. Er genießt bei Parteiveranstaltungen den Zuspruch aus dem Volk. Er stellt allerdings auch schnell fest, dass Osterkamp und seine Vertrauten ihm sagen, was er über Russland und andere Themen sagen kann. Er muss sich entscheiden, ob er das will und ob er den Preis dafür zahlen möchte.

Eckert erzählt, gewohnt nah an den aktuellen Schlagzeilen entlang, wie ein solcher Regime Change stattfinden könnte. Dabei gelingt es ihm, dass die Faschisten, Nazis und Rechtsextremisten bei ihm vernünftiger klingen als in anderen deutschen Krimis, in denen sie zu grenzdebilen, Floskeln absondernden Dumpfbacken werden.

Die Gruppe Konservativer, die den Umsturz plant, erinnert beim Lesen an die Gruppe Reichsbürger um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die Anfang Dezember 2022 verhaftet wurden. Eckert hat das Manuskript für „Die Macht der Wölfe“ bereits im November abgegeben.

Die Spannung entsteht dieses Mal gerade aus dem Wissen, was geplant ist und der Frage, ob Veih und Adan das Schlimmste verhindern können. Denn natürlich sind die beiten Mordermittler nicht nur unbeteiligte Zuschauer.

In seinem Rundbrief hat Horst Eckert bereits seinen nächsten Roman angekündigt. Er erscheint nächstes Jahr und er hat eine neue Hauptfigur. Mehr will Eckert noch nicht verraten.

Nach vier Adan/Veih-Romanen in Folge und davor bereits drei aufeinander folgenden Vincent-Veih-Romanen ist das eine willkommene Rückkehr zu seinen Anfängen. Denn vor den sieben Romane mit Vincent Veih als Hauptfigur, die nur von „Der Preis des Todes“ (2018) unterbrochen wurde, hatte jeder seiner Romane eine andere Hauptfigur. Die Kontinuität zwischen den Romanen wurde hergestellt durch den Handlungsort Düsseldorf, dass KK11 (Kommissariat für Todesermittlungen) und immer wiederkehrenden Figuren, wie den in „Die Macht der Wölfe“ kurz vor der Pension stehenden Kriminaldirektor Ben Engel. Am Anfang des Romans ist noch unklar, wer sein Nachfolger wird, aber Veih wird von Engel schon einmal darauf hingewiesen, dass Liebesbeziehungen zwischen Vorgesetzten und direkten Untergebenen heute nicht mehr geduldet werden.

Horst Eckert: Die Macht der Wölfe

Heyne, 2023

480 Seiten

15 Euro

Hinweise

Homepage von Horst Eckert

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Königsallee“ (2007)

Meine Besprechung von Horst Eckerts “Sprengkraft” (2009)

Kriminalakte: Interview mit Horst Eckert über „Sprengkraft“

Meine Besprechung von „Niederrhein-Blues und andere Geschichten“ (2010)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Schwarzer Schwan“ (2011)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Schwarzlicht“ (2013)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Schattenboxer“ (2015)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Wolfsspinne“ (2016)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Im Namen der Lüge“ (2020)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Die Stunde der Wut“ (2021)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Das Jahr der Gier“ (2022)


Horst Eckert erzählt über „Das Jahr der Gier“

Juni 20, 2022

So eine Pandemie hat auch ihre Vorteile.

Horst Eckert hat nämlich die Zeit zwischen seinen Romen verkürzt. Ein Jahr nach „Die Stunde der Wut“ liegt mit „Das Jahr der Gier“ jetzt der dritte Kriminalroman mit Kriminalrätin Melia Adan, Leiterin der Kriminalinspektion 1: Gewaltverbrechen, und KHK Vincent Veih, Leiter des Kriminalkommissariats 11: Tötungsdelikte, vor.

Dieses Mal beginnt für die in Düsseldorf ermittelnden Veih und Adan der Fall mit dem Überfall auf einen britischen Journalisten. Adan bittet den ihr unterstellten Veih, sich die Aussagen über den Überfall auf Oscar Ravani noch einmal anzusehen. Bevor Veih die Unstimmigkeiten geklärt hat, hat der Journalist sich aus dem Krankenhaus entlassen und ist nach London verschwunden. Er recherchierte für die Financial Times über das Finanzunternehmen Worldcard AG (nicht Wirecard) und vermutete unsaubere Geschäfte.

Weil wir uns in einem Roman von Horst Eckert befinden, hängt Ravanis Recherche mit dem Überfall auf ihn zusammen und diese hängt mit zwei Morden zusammen. Der eine, der an Naomi Meyer-Krell, Trainee bei einer international tätigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, fand in der gleichen Nacht statt. Der zweite Mord war vor neun Monaten. Damals wurde in Moosbrück bei München ein Wirtschaftsprüfer verbrannt in seinem Auto gefunden.

Ebenfalls mit diesen Verbrechen verknüpft sind der neue Job eines Ex-Zielfahnders bei Worldcard als Security-Mitarbeiter und die Entdeckung des Hausjuristen von Worldcard Singapur über finanzielle Unregelmäßigkeiten und gefälschte Bilanzen.

In diesem Moment spannt Eckert geduldig, über viele Seiten ein weites Netz unterschiedlicher Handlungsstränge, Figuren und Orte auf. Lange laufen sie parallel nebeneinander her und vermitteln dem Leser gekonnt Informationen, die die anderen Figuren in dem Moment nicht haben.

Das Jahr der Gier“ ist über viele Seiten, wenn es um Veihs Ermittlungen geht, außerdem eine Rückkehr zu Horst Eckerts Anfängen, als die normale Ermittlungsarbeit der Polizei im Mittelpunkt stand und die Fälle noch keine irgendwie geartete politische Dimension hatten. Das änderte sich schnell und auch „Das Jahr der Gier“ hat diese politische Dimension. Dieses Mal geht es um Finanzkriminalität und ihre weltumspannende Dimension.

Für Veih, der hier der Hauptermittler ist, ist es über länge Zeit allerdings eine ganz normale Ermittlungen, bei der Zeugen vernommen und Beweise gesucht werden. Das ist, nachdem Veih und Adan sich in ihren bisherigen gemeinsamen Fällen – „Im Namen der Lüge“ und „Die Stunde der Wut“ – mit dem Verfassungsschutz und seinen demokratiegefährdendem Verhalten auseinandersetzen mussten, eine willkommene andere Akzentsetzung.

Sehr erfreuchlich ist in diesem Rahmen auch, dass das Privat- und Familienleben der beiden Ermittler dieses Mal eigentlich keine Rolle spielt. Auch wenn Veihs Mutter Brigitte Veih, eine ehemalige RAF-Terroristen, die inzwischen als Fotokünstlerin (mit politischer Agenda) arbeitet, ihren Auftritt hat.

Am Ende ist „Das Jahr der Gier“ ein spannender Polit-Thriller, der gekonnt Teile der aktuellen deutschen Wirklichkeit verabeitet, einen Einblick in die Polizeiarbeit gibt und bis zu letzten Seiten spannend unterhält. Wie wir es von Horst Eckert gewohnt sind.

Und jetzt sind wir gespannt, ob Horst Eckert in diesem Tempo weiterarbeitet.

Horst Eckert: Das Jahr der Gier

Heyne, 2022

432 Seiten

13 Euro

Hinweise

Homepage von Horst Eckert

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Königsallee“ (2007)

Meine Besprechung von Horst Eckerts “Sprengkraft” (2009)

Kriminalakte: Interview mit Horst Eckert über „Sprengkraft“

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Meine Besprechung von Horst Eckerts „Schattenboxer“ (2015)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Wolfsspinne“ (2016)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Im Namen der Lüge“ (2020)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Die Stunde der Wut“ (2021)


Horst Eckert empfindet „Die Stunde der Wut“

März 17, 2021

Horst Eckert schrieb seinen neuen Roman zwar während der Coronavirus-Pandemie, aber in seinem Roman spielt sie keine Rolle. Und das ist kein Problem. Denn vieles in unserem Alltag läuft ungestört weiter, es wäre dumm ständig darauf hinzuweisen, dass die Ermittler dauernd ihre Masken auf- und absetzen (es wird ja auch nicht verraten, was sie anziehen und, wenn sie einen Tatort betreten, wird vorher auch nicht detailliert beschrieben, welche Schutzkleidung sie wie anziehen. Oft wird noch nicht einmal erwähnt, dass sie vorher die Schutzkleidung anzogen haben.) und, das ist der wichtigste Punkt, in „Die Stunde der Wut“ geht es um andere Dinge. Vor allem um Mietwucher, Entmietungen, Drogenhandel, Korruption, rechtsextreme Umtriebe und einen darin involvierten Verfassungsschutz.

Alles beginnt mit einem Notruf. In einer Wohnung wurde eine junge Frau lebensgefährlich verletzt. Kurz darauf ist Klara Dorau tot. Ihr Freund Miran Alver ist spurlos verschwunden. Der aus Eckerts vorherigen Romanen bekannte Kriminalhauptkommissar Vincent Veih, Leiter des Kommissariat 11 der Polizei Düsseldorf, nimmt die Ermittlungen auf.

Zur gleichen Zeit sucht Melia Adan (aka Melia Khalid), Ex-Verfassungsschutz und jetzt Vorgesetzte von Vincent Veih, immer noch nach Solveig Fischer. Fischer arbeitete ebenfalls beim Verfassungsschutz. Sie wurde in Horst Eckerts vorherigem Roman „Im Namen der Lüge“ erschossen. Bis jetzt wurde ihre Leiche nicht gefunden. Die Suche auf dem Gelände eines ehemaligen Nazi-Schulungszentrums, das in „Im Namen der Lüge“ ein wichtiger Handlungsort war, verlief ergebnislos. Trotzdem muss man zum Verständnis von „Die Stunde der Wut“ „Im Namen der Lüge“ nicht gelesen haben.

Während ihrer Ermittlungen entdecken Veih und Adan, wie man es von Eckert kennt, Verbindungen zwischen den Fällen. Die Ermittlungen im Fall Dorau nehmen schnell ungeahnte Ausmaße an. Es gibt einige korrupte Polizisten und mehr soll nicht verraten werden.

Selbstverständlich gibt es viele kurze Auftritte von Figuren, die aus Eckerts vorherigen Romanen bekannt sind. Nur das Boulevardblatt „Blitz“ und der inzwischen zum Herausgeber aufgestiegene Lokalreporter Alex Vogel sind dieses Mal nicht dabei.

Die Geschichte selbst ist ein wahrer Pageturner. In kurzen Szenen und souverän zwischen über einem halben Dutzend Handlungssträngen wechselnd wird die Geschichte vorangetrieben. Dabei bleibt sie immer nah an der Wirklichkeit, den aktuellen Problemen und den aktuellen Schlagzeilen.

Die Stunde der Wurt“ ist ein weiterer grandioser Hardboiled-Polizeithriller von Horst Eckert. Eine unbedingte Leseempfehlung; – gegeben von einem Horst-Eckert-Gesamtleser.

Aktuell schreibt Eckert an einem weiteren Roman mit Melia Adan und Vincent Veih. Bei seinem aktuellen Schreibtempo könnte er nächstes Frühjahr erscheinen.

Horst Eckert: Die Stunde der Wut

Heyne, 2021

448 Seiten

12,99 Euro

Hinweise

Homepage von Horst Eckert

Meine Besprechung von Horst Eckerts „617 Grad Celsius“ (2005)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Königsallee“ (2007)

Meine Besprechung von Horst Eckerts “Sprengkraft” (2009)

Kriminalakte: Interview mit Horst Eckert über „Sprengkraft“

Meine Besprechung von „Niederrhein-Blues und andere Geschichten“ (2010)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Schwarzer Schwan“ (2011)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Schwarzlicht“ (2013)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Schattenboxer“ (2015)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Wolfsspinne“ (2016)

Meine Besprechung von Horst Eckerts „Im Namen der Lüge“ (2020)