In einer Zukunft, die sich kaum von der Gegenwart unterscheidet, werden Menschen ab einem bestimmten Alter in eine einsam gelegene Seniorenkolonie, die wir niemals sehen, abgeschoben. Mit dem Bild von alten Menschen, die in Käfigen sitzen, in denen früher wahrscheinlich Hunde und ähnlich große Tiere transportiert wurden und die auf Ladeflächen von Jeeps befestigt sind, und die geduldig auf ihren Transport in die Seniorenkolonie warten und einer digitalen Bibel schafft Gabriel Mascaro das sparsam gezeichnete, aber dennoch überzeugende Bild einer Dystopie. Die anderen Bilder unterscheiden sich kaum von älteren Filmen mit ausdehnten Bootsfahrten, wie „The African Queen“ und „Apocalypse Now“, die beide nicht in Südamerika spielen.
In dieser Welt lebt die 77-jährige Tereza (Denise Weinberg) in einer kleinen Industriestadt im Amazonasgebiet allein und selbstbestimmt in ihrer Hütte. Sie ist zufrieden mit ihrem Leben. Sie arbeitet und möchte auch weiter arbeiten.
Aber jetzt ist sie in dem Alter, in dem sie ein Anrecht auf einen Platz in der Seniorenkolonie hat.
Bevor sie demnächst dorthin abgeschoben wird, möchte Tereza die Welt kennen lernen und fliegen. Für einen Flug in einem regulären Flugzeug braucht sie wegen ihres Alters eine Einverständniserklärung ihrer Tochter. Die Tochter ist dagegen. Da erfährt Tereza, dass sie in Itacoatiara in einem nicht-kommerziellen Flugzeug mitfliegen kann. Der einzige Weg dorthin ist in einem Boot, das den Amazonas befährt. Zusammen mit Cadu, einem verschuldetem Glücksritter und Besitzers eines kleinen Kutters, macht sie sich auf den verschlungenen und mit Hindernissen gesäumten Weg.
Auf der diesjährigen Berlinale erhielt Gabriel Mascaros „Das tiefste Blau“ den Großen Preis der Jury, auch bekannt als Silberner Bär, den Preis der Ökomenischen Jury und den Preis der Leserjury der Berliner Morgenpost. Entsprechend hoch sind die Erwartungen und es gibt vieles, was für den etwas anderen Science-Fiction-Film spricht.
Wegen seiner Struktur gehört „Das fiefste Blau“ allerdings zu den Filmen, die irgendwann in der Filmmitte von einem spannenden Film zu einem tödlichen Langweiler werden. In dem Moment ist die Geschichte des Films erzählt. Die zweite Hälfte wiederholt dann entweder noch einmal die Geschichte und Aussage des ersten Teils oder es wird eine vollkommen neue, deutlich uninteressantere Geschichte begonnen. In diesem Fall wird Tereza am Ende ihrer Reise und Rückkehr aus Itacoatiara inhaftiert. Jetzt soll die fluchtgeneigte Alte wirklich in die Seniorenkolonie gebracht. Sie flüchtet wieder und in dem Moment könnte „Das tiefste Blau“ enden. Jascaros erzählt ab diesem Moment von einer zweiten Bootsfahrt von Tereza. Dieses Mal fährt sie mit einer Nonne, die digitale Bibeln verkauft. In dieser Hälfte des Films erfahren wir nichts wesentlich Neues über die gewitzte Tereza und ihren unbändigen Freiheitsdrang.
Gegen die so entstehende Langeweile verblassen die gelungenen Punkte das Films, wozu unbedingt die mit sparsamsten Mitteln wunderschön skizzierte Utopie, die atmosphärischen Bildern aus dem Dschungel und die guten Schauspieler gehören.
Das macht „Das tiefste Blau“ zu einem weiteren Film, den man mitten während der Vorführung verlassen sollte. Jedenfalls wenn man einen guten Film sehen will.

Das tiefste Blau (O Último Azul, Brasilien/Mexiko/Niederlande/Chile 2025)
Regie: Gabriel Mascaro
Drehbuch: Gabriel Mascaro, Tibério Azul (in Zusammenarbeit mit Murilo Hauser und Heitor Lorega)
mit Denise Weinberg, Rodrigo Santoro, Miriam Socarras, Adanilo
Länge: 86 Minuten
FSK: ab 6 Jahre
internationaler Titel: The Blue Trail
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Hinweise
Moviepilot über „Das tiefste Blau“
Metacritic über „Das tiefste Blau“
Rotten Tomatoes über „Das tiefste Blau“
Veröffentlicht von AxelB 
