TV-Tipp für den 9. Oktober: Mein fabelhaftes Verbrechen

Oktober 8, 2025

RBB, 20.15

Mein fabelhaftes Verbrechen (Mon Crime, Frankreich 2023)

Regie: François Ozon

Drehbuch: François Ozon, (in Zusammenarbeit mit) Philippe Piazzo

LV: Georges Berr, Louis Verneuil: Mon Crime, 1934 (Theaterstück)

TV-Premiere. Paris, 30er Jahre: zwei junge, in einer Absteige zusammen lebende Frauen – eine Schauspielerin und eine Anwältin – wollen den Tod eines einflussreichen Theaterproduzenten als Karrierebooster benutzen. Die Schauspielerin gesteht den Mord, die Anwältin verteidigt sie und alles läuft nach Plan, bis die echte Mörderin auftaucht und ihren Anteil will.

Ein fabelhaftes Vergnügen, diese Screwball-Comedy

Mehr in meiner ausführlichen Besprechung.

mit Nadia Tereszkiewicz, Rebecca Marder, Isabelle Huppert, Dany Boon, Fabrice Luchini, André Dussollier, Édouard Sulpice, Régis Laspalès, Olivier Broche

Wiederholung: Freitag, 10. Oktober, 23.30 Uhr

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Mein fabelhaftes Verbrechen“

AlloCiné über „Mein fabelhaftes Verbrechen“

Rotten Tomatoes über „Mein fabelhaftes Verbrechen“

Wikipedia über „Mein fabelhaftes Verbrechen“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Francois Ozons “In ihrem Haus” (Dans la Maison, Frankreich 2012)

Meine Besprechung von Francois Ozons ”Jung & Schön” (Jeune & jolie, Frankreich 2013)

Meine Besprechung von Francois Ozons „Eine neue Freundin“ (Une nouvelle amie, Frankreich 2014)

Meine Besprechung von François Ozons „Frantz“ (Frantz, Deutschland/Frankreich 2016)

Meine Besprechung von François Ozons „Der andere Liebhaber“ (L’Amant Double, Frankreich/Belgien 2017)

Meine Besprechung von François Ozons „Gelobt sei Gott“ (Grâce à Dieu, Frankreich 2019)

Meine Besprechung von François Ozons „Alles ist gutgegangen“ (Tout s’est bien passé, Frankreich 2021)

Meine Besprechung von François Ozons „Peter von Kant“ (Peter von Kant, Frankreich 2022)

Meine Besprechung von François Ozons „Mein fabelhaftes Verbrechen“ (Mon Crime, Frankreich 2023)


Neu im Kino/Filmkritik: Fabelhaft, „Mein fabelhaftes Verbrechen“

Juli 5, 2023

Madeleine Verdier und Pauline Mauléon leben zusammen in einer Ein-Zimmer-Absteige, die nur in Spielfilmen eine gewissen Wohnlichkeit verkörpert. Madeleine ist eine unbekannte Schauspielerin auf der Suche nach irgendeiner, auch noch so kleinen Rolle. Pauline ist eine Anwältin auf der Suche nach ihrem ersten Mandanten. Beide sind jung, wollen im Paris der dreißiger Jahre das Leben genießen und sie brauchen jeden Pfennig. Zum Beispiel um die seit Monaten überfällige Miete bei ihrem Vermieter zu zahlen. Denn so langsam können sie ihn mit ihrem Aussehen und Charme nicht mehr zu einer weiteren Stundung überreden.

Deshalb kommt ihnen der Tod des einflussreichen Theaterproduzenten zupass. Madeleine war für einen Vorsprechtermin in der Villa des Produzenten, der jedes Klischee des fetten, schleimigen und sexgierigen Kapitalisten verkörpert. Das Vorsprechen lief schnell aus dem Ruder – und jetzt hält die Polizei sie für die Mörderin des Theatermannes.

Nach polizeilichen Verhören und einem Gespräch mit ihrer Mitbewohnerin gesteht Madeleine die Tat. Sie hat ihn zwar nicht getötet, aber gemeinsam wollen sie den Mord als Booster für ihre Karriere als Schauspielerin und Anwältin benutzen. Sie machen die Gerichtsverhandlung zum Medienzirkus. Sie stellen die Tat als Notwehr gegen einen übergriffigen Mann da. Und nach dem Freispruch könnte es für sie nicht besser aussehen. Die eine steigt als Schauspielerin, die andere als Anwältin auf. Die gut betuchten, heiratswilligen Männer stehen Schlange.

Dummerweise taucht in dem Moment Odette Chaumette (Isabelle Huppert, gewohnt grandios) auf. Der Stummfilmstar beherrscht immer noch den großen Auftritt. Nur die Filmrollen dafür gibt es nicht mehr. Jetzt fordert sie von Madeleine und Pauline ihren Anteil. Denn sie ist die Mörderin. Und sie könnte die Tat gestehen.

Immer noch liegt François Ozons Arbeitstempo irgendwo zwischen Claude Chabrol und Rainer Werner Fassbinder. Ein Film pro Jahr ist normal. Dabei ist er witziger als Fassbinder und er betrachtet seine Figuren liebevoller als Chabrol. Und er verfilmt öfter Theaterstücke, die er so bearbeitet, dass sie am Ende nicht wie Theaterstücke wirken. Auch sein neuester Film basiert auf einem Theaterstück, das er frei interpretiert und zu einer gleichzeitig zeitgenössischen und traditionsbewussten Screwball-Comedy macht.

Nach mehreren ernsten Filmen, – auch sein vorheriger Film, die gelungene Rainer-Werner-Fassbinder-Hommage „Peter von Kant“, war letztendlich ziemlich ernst -, hat François Ozon jetzt wieder eine waschechte Komödie gedreht, die, so Ozon, als Abschluss einer Trilogie über den Status der Frau mithilfe von Humor und Glamour gesehen werden könne. Die beiden vorherigen Filme dieser sehr losen Trilogie waren „8 Frauen“ (ebenfalls mit Isabelle Huppert) und „Das Schmuckstück“.

Mein fabelhaftes Verbrechen“ ist eine in den Dreißigern spielende Screwball-Comedy, in der Tempo alles ist. Die Pointen folgen atemberaubend schnell aufeinander. Die Dialoge sind scharfzüngig und voller Anspielungen. Die Geschichte hat zahlreiche temberaubende und überraschende Wendungen. Sie sind wenig vorhersehbarer, aber letztendlich schlüssig. Schließlich verhalten sich alle Figuren in dem Stück, wenn sie von dem Mord profitieren wollen, überaus eigennützig. Vor allem die Männer sind nicht besonders intelligent, dafür aber eitel. Wobei Madame Chaumette als vollendete Diva mit ausladenden Kleidern und Gehabe auch ziemlich eitel ist.

Als Inspiration benutzte Ozon das 1934 entstandene, zweimal von Hollywood verfilmte Theaterstück „Mon Crime“ von Georges Berr und Louis Verneuil. Ozon modernisierte es so gelungen, dass „Mein fabelhaftes Verbrechen“ trotz Modernisierungen in jeder Sekunde wie ein zu Unrecht vergessenes altes Stück wirkt. Schließlich waren in den klassischen Screwball-Comedies die Frauen für die damalige Zeit sehr emanzipiert. In diesem Kosmos fallen zwei, später drei selbstbewusste Frauen, die sich von den Männern nichts vorschreiben lassen, nicht weiter auf.

Ein fabelhafter Spaß.

Mein fabelhaftes Verbrechen (Mon Crime, Frankreich 2023)

Regie: François Ozon

Drehbuch: François Ozon, (in Zusammenarbeit mit) Philippe Piazzo

LV: Georges Berr, Louis Verneuil: Mon Crime, 1934 (Theaterstück)

mit Nadia Tereszkiewicz, Rebecca Marder, Isabelle Huppert, Dany Boon, Fabrice Luchini, André Dussollier, Édouard Sulpice, Régis Laspalès, Olivier Broche

Länge: 103 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Moviepilot über „Mein fabelhaftes Verbrechen“

AlloCiné über „Mein fabelhaftes Verbrechen“

Rotten Tomatoes über „Mein fabelhaftes Verbrechen“

Wikipedia über „Mein fabelhaftes Verbrechen“ (deutsch, englisch, französisch)

Meine Besprechung von Francois Ozons “In ihrem Haus” (Dans la Maison, Frankreich 2012)

Meine Besprechung von Francois Ozons ”Jung & Schön” (Jeune & jolie, Frankreich 2013)

Meine Besprechung von Francois Ozons „Eine neue Freundin“ (Une nouvelle amie, Frankreich 2014)

Meine Besprechung von François Ozons „Frantz“ (Frantz, Deutschland/Frankreich 2016)

Meine Besprechung von François Ozons „Der andere Liebhaber“ (L’Amant Double, Frankreich/Belgien 2017)

Meine Besprechung von François Ozons „Gelobt sei Gott“ (Grâce à Dieu, Frankreich 2019)

Meine Besprechung von François Ozons „Alles ist gutgegangen“ (Tout s’est bien passé, Frankreich 2021)

Meine Besprechung von François Ozons „Peter von Kant“ (Peter von Kant, Frankreich 2022)


Neu im Kino/Buch- und Filmkritik: Aus Colin Niels „Nur die Tiere“ wird Dominik Molls „Die Verschwundene“

Oktober 8, 2021

https://www.youtube.com/watch?v=45mofqtaMUQ

Am 19. Januar verschwindet Évelyne Ducat, die Frau eines aus der Gegend stammenden vermögenden Geschäftsmanns. Ihr Wagen steht an einer Landstraße im Schnee. Die Suche der Polizei verläuft ergebnislos.

Dagegen erfahren wir in Colin Niels Noir „Nur die Tiere“ und in Dominik Molls kongenialer Verfilmung des Romans, die bei uns unter dem Titel „Die Verschwundene“ in den Kinos läuft, was passierte. Dabei entfaltet die Geschichte sich nicht chronologisch, sondern aus verschiedenen, nacheinander erzählten Perspektiven. Diese Erzählungen überlappen sich zeitlich teilweise. Und sie ergeben ein düsteres Porträt des französischen Landlebens im Zentralmassiv. Die Höfe liegen weit auseinander. Das Einkommen der Landwirte ist kärglich. Jedenfalls bei den Landwirten, die Alice als Sozialarbeiterin besucht. Auch ihr gehört ein Hof. Er wird von ihrem Mann Michel betrieben. Ihre Ehe – beide sind Mttvierziger – ist im Alltag erstarrt.

Einer ihrer Kunden ist der allein lebende Joseph. Er ist auch ihr Geliebter; wobei die Initiative dafür von ihr ausging. Er hat – soviel kann verraten werden – Évelyne nicht ermordet. Allerdings entdeckt er Évelynes auf seinem Hof hingelegte Leiche, versteckt sie spontan in seiner Scheune und baut eine Beziehung zu der langsam verwesenden Leiche auf.

Eine andere Person, die eine Beziehung zur verschwundenen Évelyne hat, ist Marion. Die Mittzwanzigerin verliebt sich in die Endvierzigerin und zieht wegen ihr ins Zentralmassiv. Évelyne ist über das plötzliche Auftauchen ihrer Geliebten nicht begeistert. Sie möchte die Beziehung sofort beenden.

Niel wählte für seinen Noir eine ungewöhnliche Struktur. Er lässt seine Figuren ihre Geschichte erzählen und ordnet sie so an, dass sie auch immer mehr Hintergründe über Évelynes Verschwinden enthüllen. In einem Roman, der sich wie eine Sammlung von lose miteinander verbundenen Kurzgeschichten liest, funktioniert das ganz gut. Immerhin hängen die Erzählungen miteinander zusammen und jede Figur sucht nach Liebe. Es ist allerdings auch eine Struktur, die nur schwer in einen Film übertragen werden kann. So wird Alice, die Erzählerin der ersten Geschichte, zunehmend unwichtiger. Und Marions Geschichte spielt vor Èvelynes Verschwinden. Sie hat nur sehr wenige Berührungspunkte mit den anderen Geschichten. Sie ist allerdings sehr wichtig, um Évelynes Verschwinden zu verstehen.

Die aus den unterschiedlichen Perspektiven entstehende Geschichte von Èvelynes Ermordung ist auch eine Abhandlung über die Macht des Zufalls. Denn die verschiedenen Handlungen haben hier immer wieder Konsequenzen, die die handelnden Personen nicht wollten oder von denen sie nichts wissen. So hat Marion keine Ahnung, was ihr Auftauchen in der Provinz auslöst.

Wie in dem ebenfalls diese Woche im Kino angelaufenem Horrorfilm und Cannes-Gewinner „Titane“, geht es in „Nur die Tiere“/“Die Verschwunden“, wie gesagt, um die Suche nach Liebe und den seltsamen Wegen, die sie geht. Dabei akzeptieren die Macher vorbehaltlos jede Form von Liebe zu anderen ‚Menschen‘. Aber während das in „Titane“ nur eine lose, fast schon bemühte Interpretionsklammer ist, wird dieses Thema in „Nur die Tiere“/“Die Verschwundene“ erzählerisch stringenter, geschlossener und mit stärker in der Realität verhafteten Personen und Ereignissen erzählt. Umso verstörender sind dann die von Joseph und Michel gewählten Objekte der Begierde.

Dominik Moll („Lemming“, „Der Mönch“) übertragt den Roman und seine eigentlich unverfilmbare Struktur und Erzählweise gelungen auf die Leinwand. Dabei verändert er einiges, aber er bleibt bei seiner Interpretation immer nah an der Vorlage.

Am Ende haben wir einen sehenswerten Film und einen lesenswerten Roman.

Die Verschwundene (Seules les bêtes, Frankreich/Deutschland 2019)

Regie: Dominik Moll

Drehbuch: Dominik Moll, Gilles Marchand

LV: Colin Niel: Seules les bêtes, 2017 (Nur die Tiere)

mit Denis Ménochet, Valeria Bruni Tedeschi, Laure Calamy, Damien Bonnard, Nadia Tereszkiewicz, Bastien Bouillon, Guy Roger ‚Bibisse‘ N’drin

Länge: 117 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Die Vorlage

Colin Niel: Nur die Tiere

(übersetzt von Anne Thomas)

Lenos Verlag, 2021

288 Seiten

16 Euro

Originalausgabe

Seules les bêtes

Éditions du Rourgue, 2017

Demnächst

Colin Niel: Unter Raubtieren

(übersetzt von Anne Thomas)

Lenos Verlag, 2021

360 Seiten

24 Euro

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

AlloCiné über „Die Verschwundene“

Filmportal über „Die Verschwundene“

Moviepilot über „Die Verschwundene“

Rotten Tomatoes über „Die Verschwundene“

Wikipedia über „Die Verschwundene“ (deutsch, englisch, französisch) und Colin Niel 

Perlentaucher über „Nur die Tiere“