Neu im Kino/Filmkritik: Da ist sie: die erste schwule US-Mainstream-RomCom: „Bros“

Oktober 29, 2022

Größtenteils misslungen ist, so die Selbstbeschreibung der Macher, die erste RomCom eines großen Hollywood-Studios über eine schwule Beziehung.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Bobby (Billy Eichner, auch Drehbuch und einer der Produzenten). Er ist im Aufsichtsrat eines LGBTQIA+-Museums, das eine große Eröffnung vorbereitet, aber finanzielle Probleme und einen hoffnungslos in Kleinstgruppen zerstrittenen Aufsichtsrat hat. Daneben hat Bobby einen erfolgreichen Podcast, in dem er über seine Sicht der Welt redet. Privat ist der in New York lebende Intellektuelle ein überzeugter Single.

Während eines Disco-Besuchs verliebt er sich in Aaron (Luke Macfarlane). Aber so ein gut aussehender Mann, der mühelos auf dem Cover jedes Body-Building-Magazins posieren könnte, wird sich bestimmt nicht für ihn, den totalen Durchschnittstypen, interessieren. Außerdem ist Aaron anscheinend ziemlich dumm, während Bobby eine richtige Intelligenzbestie in der Woody-Allen-Tradition ist.

Aber im Gegensatz zu Woody Allen, dem Stadtneurotiker, ist Bobby einfach nur egozentrisch, überheblich, rechhaberisch, selbstmitleidig und nervig. Entsprechend unsympathisch ist er. Für eine RomCom, in der sich alles darum dreht, dass die beiden Verliebten sich finden und das normalerweise größtenteils weibliche Publikum einige Taschentücher vollschneuzt, ist das eine schlechte Voraussetzung.

Doch damit enden die Probleme von Nicholas Stollers Film nicht. Denn alle Mitglieder der LGBTQ+-Gemeinschaft, die in dieser Komödie von bekennenden Mitgliedern dieser Gemeinschaft gespielt werden, präsentieren schwule Manierismen, die bei uns spätestens zwischen der „Bullyparade“ und dem „Schuh des Manitu“ beerdigt wurden. Und das ist schon über zwanzig Jahre her.

In „Bros“ agieren die Schwulen genau so, wie rückständige Heteros sie sich vor Jahren vorstellten. Das sollte in den USA, wo die Komödie einen großen Kinostart hatte, vielleicht dazu führen, dass auch in republikanischen Staaten die Kinosäle voll sind. Dem war, wie ein Blick auf die Zuschauerzahlen in den USA zeigt, nicht so. Die Komödie floppte an der Kinokasse, während sich Konservative, Liberale, Progressive, Heteros und LGBTQ+-Mitglieder munter die Qualitäten des Films erklären, den sie teilweise nicht gesehen haben und auch nicht sehen wollen.

Die Geschichte selbst folgt den RomCom-Konventionen. Nur dass dieses Mal halt ein Mann einen Mann und keine Frau liebt. Billy Eichner spricht diese Probleme und wie eine schwule Komödie für ein Mainstream-Publikum inszeniert werden kann, in einem mehr oder weniger fiktivem Gespräch mit einem Hollywood-Produzenten an. Im Rahmen aktueller Meta-Diskurse, in denen die Macher explizit auf die Regeln hinweisen, die sie dann ironisch gebrochen befolgen, können die abgestandenen RomCom-Situationen und RomCom-Dialoge natürlich als bewusst schlechte Dialoge gesehen werden. Ob das so ist oder ob die Macher es nicht besser konnten, ist letztendlich egal. Ein schlechter Dialog bleibt ein schlechter Dialog.

Bros“ ist eine schlechte RomCom, die sich zu sehr in abgestandenen Klischees, Nebenhandlungen und Nebenkriegsschauplätzen verliert, die in einem Comedy-Programm besser aufgehoben wären.

Zu Nicholas Stollers früheren Filmen gehören „Nie wieder Sex mit der Ex“ und „Bad Neighbors“. Judd Apatow ist einer der Produzenten. Zu seinen Filmen gehören „Jungfrau (40), männlich, sucht …“, „Dating Queen“, „The King of Staten Island“ und, als Produzent, „Anchorman – Die Legende von Ron Burgundy“, „Brautalarm“ und „The Big Sick“.

Bros (Bros, USA 2022)

Regie: Nicholas Stoller

Drehbuch: Billy Eichner, Nicholas Stoller

mit Billy Eichner, Luke Macfarlane, Ts Madison, Monica Raymund, Guillermo Diaz, Guy Branum, Amanda Bearse, Dot-Marie Jones, Jim Rash, Debra Messing (als Debra Messing)

Länge: 116 Minuten

FSK: ab 12 Jahre (in den USA gab’s ein R-Rating, d. h. Unter-17-Jährige dürfen sich nur mit einer erwachsenen Begleitperson den Film ansehen; was mehr über die USA als über den Film verrät. In den USA hat auch „The King’s Speech – Die Rede des Königs“ ein R-Rating.)

Hinweise

Deutsche Homepage zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Bros“

Metacritic über „Bros“

Rotten Tomatoes über „Bros“

Wikipedia über „Bros“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Kevin Hart besucht die „Night School“

November 16, 2018

Als Jugendlicher hatte Teddy Walker (Kevin Hart) keinen Bock auf die Schule. Er verließ sie ohne Abschluss. Jahre später ist er ein erfolgreicher Verkäufer bei „BBQ City“. Der Inhaber bietet ihm sogar an, sein Nachfolger zu werden. Er hat eine gut aussehende und gut verdienende Freundin, die ihn so liebt, wie er ist. Für sie müsste er gar nicht den großen Zampano heraushängen lassen. Als er, während eines Heiratsantrags, durch eine Verkettung unglücklicher Umstände die Firma, die er übernehmen könnte, abfackelt und sie nicht versichert war, steht er vor dem Nichts.

Teddy hat Glück im Unglück. Ein alter Schulfreund bietet ihm in seiner Firma eine Stelle als Finanzberater an. Er müsse dafür nur einen Schulabschluss vorweisen.

Teddy will den Abschluss in der Abendschule nachholen. Also eigentlich will der Schlawiner nur die Bestätigung, dass er die Schule bestanden hat. Aber die Abendschullehrerin Carrie (Tiffany Haddish) verlangt von ihm, dass er den gesamten Kurs und die Prüfungen absolviert. Zusammen mit ‚Big Mac‘ Mackenzie (Rob Riggle), Jaylen (Romany Malco), Luis (Al Madrigal), Theresa (Mary Lynn Rajskub), Mila (Anne Winters) und Bobby (‚Fat Joe‘ Joseph Cartagena) (via Skype aus dem Gefängnis zugeschaltet), einer Gruppe archetypischer Verlierergestalten, drückt er die Schulbank.

Und damit sind alle Zutaten für eine weitere US-Komödie vorhanden. „Girls Trip“-Regisseur Malcolm D. Lee übernahm die Aufgabe, die Improvisationen der Komiker zu einem wenigstens halbwegs kohärenten Film zusammenzufügen, bei dem einzelne Gags zu breit ausgewalzt werden. Wahrscheinlich weil es beim Dreh so witzig war. Denn vor einigen Jahren hat sich in Hollywood die irrige Ansicht durchgesetzt, dass bei Komödien ein Drehbuch nur das beliebig formbare Material ist.

Trotzdem ist die Gagdichte für eine Komödie niedrig. Kevin Hart quasselt in gewohnter Manier mehr als nötig, während er einige Lektionen lernt. Seine Partnerin Tiffany Haddish, die mit „Girls Trip“ in den USA ihren Durchbruch hatte, ist bei uns noch fast unbekannt. Und es ist schön, „24“ Mary Lynn Rajskub mal wieder zu sehen. Sie hat als sich von ihren Selbstzweifeln emanzipierende Hausfrau und Mutter einige grandiose Momente.

Zugunsten eines anvisierten Lachers ist die Story oft nicht durchdacht. Oft ist sie sogar einfach idiotisch. Es geht dabei nicht darum, dass Teddy ausgerechnet an seiner alten Schule die Prüfung ablegen will und auch nicht darum, dass der Schuldirektor (Taran Killam) ausgerechnet sein alter Erzfeind ist, der sich jetzt endlich rächen kann. Das wird vom Drehbuch so gesetzt. Es geht um Probleme innerhalb der Story: So soll jemand, der eine panische Angst vor Zahlen hat und ein schwerer Legastheniker ist, über Jahre der beste Verkäufer der Firma sein? So soll während Teddys gesamter Schulzeit keinem Lehrer seine Lernbehinderungen aufgefallen sein? Das fällt erst Carrie auf.

Ihre Methode, Teddys Lernprobleme zu beseitigen, ist immerhin so absurd, dass sie schon wieder auf eine verquere Art witzig ist: sie verprügelt ihn in einem Käfig, bis er die richtige Antwort sagt. Ihre Schläge taugen nur als Metapher dafür, wie Teddy sich fühlt, wenn er im Unterricht sitzt und versucht, den Stoff zu begreifen. Und da haben wir ein weiteres Problem. Der Satz des Pythagoras ist die zu Aufgabe, die sich durch den gesamten Film zieht. Als Teddy ihn lösen kann, kann er die Prüfung bestehen. Wie ihm das gelingt, erfahren wir nicht. Dabei verwenden andere Filme viel Zeit darauf, dem Zuschauer teilweise sehr komplexe Zusammenhänge so zu erklären, dass man die Zusammenhänge nachher verstanden oder wenigstens eine gute Ahnung über die Zusammenhänge hat. Nicht so „Night School“. Wer vorher keine Ahnung hatte, was der Satz des Pythagoras ist, weiß es auch danach nicht. Da wird sträflich Potential verschenkt.

Am Ende hat „Night School“, wie die gelungeneren „Fack ju Göhte“-Schulfilme, eine sympathische und begrüßenswerte Botschaft über zweite Chancen, den Glauben an sich selbst und dem Wert von Gemeinschaft.

Night School (Night School, USA 2018)

Regie: Malcolm D. Lee

Drehbuch: Harry Ratchford, Joey Wells, Matthew Kellard, Nicholas Stoller, John Hamburg

mit Kevin Hart, Tiffany Haddish, Taran Killiam, Mary Lynn Rajskub, Rob Riggle, Romany Malco, Megalyn Echikunwoke, Al Madrigal, Anne Winters, Ben Schwartz, Fat Joe

Länge: 112 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Deutsche Facebook-Seite zum Film

Englische Homepage zum Film

Moviepilot über „Night School“

Metacritic über „Night School“

Rotten Tomatoes über „Night School“

Wikipedia über „Night School“


Neu im Kino/Filmkritik: Cameron Diaz und Jason Segel drehen ein „Sex Tape“ und durch einen dummen Zufall kommt es in alle Kinos

September 11, 2014

Während der ersten Minuten hoffte ich, dass „Sex Tape“ doch eine gute Komödie werden könnte. Annie (Cameron Diaz) verfasst für ihren Blog über ihr Leben als Mutter einen Beitrag, in dem sie sich fragt, warum sie keinen Sex mehr mit ihrem Mann Jay (Jason Segel) hat. Als Frischverliebte trieben sie es vor zehn Jahren überall. Auch in der Universitätsbibliothek. Dann heirateten sie, bekamen zwei Kinder und ihr Sexualleben hörte auf zu existieren. Der letzte Sex liegt schon Ewigkeiten zurück. Sie erinnert sich noch nicht einmal an ihn.
„Bad Teacher“-Regisseur Jake Kasdan illustriert Annies Gedanken mit züchtigen, aber pointierten Bildern vom heißen Sex. Das ist ein kleines Kabinettstück, das als Kurzfilm gut für sich stehen kann.
Nach dem Vorspiel erhält Annie ein Jobangebot von Piper Brothers, einer sehr auf ihr Familien-Image achtenden Spielzeugfirma. Jay bekommt ein neues iPad. Und am Abend haben die beiden eine sturmfreie Bude. Sie wollen SEX (S! E! X!) haben. Als das nicht klappt, kommen sie auf die Idee, alle Positionen von „The Joy of Sex“ (seht doch einfach mal im Bücherschrank eurer Eltern nach) nachzustellen und sich dabei aufzunehmen, mit der Kamera in Jays neuem iPad. Gesagt, getan. Drei Stunden später haben sie alle Stellungen hinter sich.
Kurz darauf stellt Jay fest, dass das Sex-Tape zuerst in die Cloud und dann auf alle seine früheren iPads, die Jay und Annie an Freunde und Bekannte verschenkten, ging.
Weil sie nicht wollen, dass ihre Freunde und Bekannte sie nackt sehen, müssen sie alle Kopien des Videos (also alle verschenkten iPads) einsammeln.
Sie beginnen bei ihren Freunden Robby und Tess, die gerade ihre zwölfte Hochzeitsnacht feiern und einen unsympathischen Sohn, der späte noch wichtig wird, haben. Robby und Tess wollen Annie und Jake helfen. Immerhin scheint das mehr Spaß zu machen als ihr ursprüngliches Programm.
Weiter geht’s zu Hank Rosenbaum, dem sehr familienorientiertem CEO von Piper Brothers, der sich auf Annies altem iPad ihre älteren Blog-Einträge durchlesen will, um zu prüfen, ob Annie glaubwürdig die züchtigen Firmenwerte repräsentieren kann.
Gut, die Idee von dem Sex-Tape, das sich wie ein Virus verbreitet und einer verzweifelten Rückholaktion mittels Geschenke-Rückholaktion, ist nicht besonders überzeugend. Sie ist ziemlich Gaga, aber eine Komödie kann auch mit einer weit hergeholten Prämisse prächtig funktionieren. Was bei „Sex Tape“ nicht der Fall ist. Den besten Witz gibt es in den ersten Minuten. Der Rest ist nur noch eine Abfolge von meist lauen Gags mit teilweise erschreckend schlechten Dialogen, die noch nicht einmal als Parodie auf Pornofilm-Dialoge überzeugen. Garniert mit – für eine US-Komödie – erstaunlich viel nackter Haut. Aber auch Cameron Diaz‘ Rücken und Po können den Film nicht retten.
Die Filmstory ist nämlich eine lieblose Abfolge von Gags, die in ihrer Struktur an drei ungefähr zwanzigminütigen, nicht miteinander zusammenhängenden Folgen einer vergessenswerten Comedy-Serie erinnern.
Das alles ist erschreckend vorhersehbar und unwitzig. Jedenfalls wenn man mehr als eine sehr banale Klamauk-Komödie, bei der die Schauspieler ihren Spaß hatten, erwartet.
Denn alle möglichen Tiefen des Stoffs werden erfolgreich vermieden, wie die US-Sexualmoral, Bigotterie, das Vorstadtleben, der dortige Gruppendruck undsoweiter.
„Sex Tape“ ist in keiner Sekunde subversiv. Ganz im Gegensatz zu John Waters‘ „Serial Mom“.

Sex Tape - Plakat

Sex Tape (Sex Tape, USA 2014)
Regie: Jake Kasdan
Drehbuch: Kate Angelo, Jason Segel, Nicholas Stoller (nach einer Geschichte von Kate Angelo)
mit Cameron Diaz, Jason Segel, Rob Corddry, Ellie Kemper, Rob Lowe, Nat Faxon
Länge: 95 Minuten
FSK: ab 12 Jahre

Hinweise
Amerikanische Homepage zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Sex Tape“
Moviepilot über „Sex Tape“
Metacritic über „Sex Tape“
Rotten Tomatoes über „Sex Tape“
Wikipedia über „Sex Tape“ (deutsch, englisch)