
Schnee (Hey, der Krimi erschien 1964!), eine Entführung und während Privatdetektiv Nigel Strangeways ermittelt, wünsche ich allen einen
Guten Rutsch ins neue Jahr!

Schnee (Hey, der Krimi erschien 1964!), eine Entführung und während Privatdetektiv Nigel Strangeways ermittelt, wünsche ich allen einen
Guten Rutsch ins neue Jahr!

Verschneite Weihnachten gibt es nur noch in diesen kitschigen Weihnachtsfilmen, die sich niemand ansieht. Oder in den typisch englischen Rätselkrimis, in denen sich an Weihnachten die gesamte Familie im Landhaus versammelt und den Abend mit dem Mord an einem allseits verhassten Familienmitglied beendet. Manchmal tut es auch eine Gruppe Menschen, die sich zufällig beispielsweise in einem Zug oder einem Dampfschiff treffen und die zufällig alle einen guten Grund für den Mord hatten. Agatha Christie war eine Meisterin im Erfinden dieser Rätselkrimis. Eine ihrer Nachahmerinnen ist Alexandra Benedict. Doch bevor wir uns ihrem „Mord im Christmas Express“ widmen, werden wir einen Blick in die unlängst erschienene Kurzgeschichtensammlung „Weihnachten mit Agatha Christie – Alle Geschichten zum Fest“. Auf 272 Seiten sind alle von Agatha Christie geschriebenen Kurzgeschichten gesammelt, die irgendetwas mit Weihnachten zu tun haben.
Manchmal ist Weihnachten nur noch daran erkennbar, dass Christie in der Geschichte sagt, es sei Weihnachten. Und nicht jede ihrer Weihnachtsgeschichten ist eine Kriminalgeschichte; – eigentlich sind sogar erstaunlich viele der Geschichten keine Kriminalgeschichten. Sicher. Es gibt Kriminalgeschichten mit Miss Marple und Hercule Poirot (wozu auch beide Versionen der Geschichte mit dem Plumpudding gehören) und einigen Kriminalgeschichten ohne ihre weltbekannten Ermittler. Im ersten Text des Sammelbandes erinnert sich Agatha Christie an ihre zahlreichen „Weihnachten auf Abney Hall“. Außerdem wurden die sechs Geschichten, die in „Es begab sich aber… . Bezaubernde Geschichten von himmlischen und irdischen Wundern, die immer und überall geschehen können“ enthalten sind, wieder abgedruckt. Da gibt es dann „Die Fahrt auf der Themse“, die eine Frau, die Menschen nicht mag, verändert, und eine sich über mehrere Kurzgeschichten erstreckende alternative Erzählung der Geschichte von Jesus Geburt.
Zwei Dinge fallen bei dieser Kurzgeschichtensammlung auf. So schrieb Agatha Christie in ihrem langen Schriftstellerleben erstaunlich wenige Kurzgeschichten, die etwas mit Weihnachten zu tun haben. Vierzehn Geschichten und eine Erinnerung sind in dem Buch abgedruckt. Ohne die Geschichte „Die Ankunft des Mr Quin“, die an Silvester spielt, wäre das Buch sogar gut dreißig Seiten dünner geraten. Und es fällt auf, dass Agatha Christie keine gute Kurzgeschichtenautorin war. Ihre Romane sind besser.
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Agatha Christie: Weihnachten mit Agatha Christie – Alle Geschichten zum Fest
(übersetzt von Günter Eichel, Lia Franken, Hans Erik Hausner, Michael Mundhenk, Renate Orth-Guttmann und Lotte Schwarz)
Atlantik, 2023
272 Seiten
22 Euro
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enthält:
Weihnachten auf Abney Hall (aus Die Autobiographie, 1977)
Die Versuchung (1965)
Die Pralinenschachtel (1923)
Der unfolgsame Esel (1965)
Eine Weihnachtstragödie (1930)
Die Fahrt auf der Themse (1965)
Ein Weihnachtsabenteuer (1923; eine frühe Fassung von „Das Geheimnis des Plumpuddings“)
In der Abendkühle (1965)
Die Pfarrerstochter (1923)
Das Rote Haus (1923)
Die vierzehn Nothelfer (1965)
Das Geheimnis des Plumpuddings (1960)
Der Traum vom Glück (1924)
Die Insel (1965)
Die Ankunft des Mr Quin (1924)
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Hinweise
Wikipedia über Agatha Christie (deutsch, englisch)
Krimi-Couch über Agatha Christie
Meine Besprechung von Agatha Christies „Mord im Orientexpress“ (Murder on the Orient Express, 1934)
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Viel Schnee gibt es in Alexandra Benedicts „Mord im Christmas Express“. Rosalind ‚Roz‘ Parker ist am 23. Dezember auf dem Weg nach Schottland. Bis vor kurzem war sie Detective bei der Londoner Polizei. Künftig will sie sich um ihre Tochter und ihre Enkelin, die früher zur Welt kommt als geplant, kümmern.
Kurz vor dem Ziel bleibt der Nachtzug im Schnee stecken. Und es gibt eine Leiche. Die Influencerin Meg Forth wurde tot in ihrem Abteil aufgefunden. Es ist von innen verschlossen. Es gibt keine Spuren im Schnee. Trotzdem sind Roz und alle anderen Mitreisenden überzeugt, dass Meg ermordet wurde. Wahrscheinlich von ihrem Freund Grant McVey.
Als gewiefter Krimileser schließt man ihren jähzornigen und besitzergreifenden Freund sofort als Täter aus. Das liegt vor allem daran, dass Benedict im Prolog explizit Meg als Opfer und Grant als Täter nennt. Für eine Rätselkrimi wäre dieses Verraten des Täters durch den Autor auf den ersten Seiten kontraproduktiv und ein ultimativer Verrat an den Regeln des Spiels, das von Benedict gespielt wird. „Mord im Christmas Express“ soll nämlich ein in der Gegenwart spielender, nichtsdestotrotz traditioneller Rätselkrimi sein. So erwähnt sie mehrmals Agatha Christe und ihren „Mord im Orientexpress“. Der Mord geschieht, wie wir es aus den Cozies kennen, erst ziemlich spät. In diesem Fall wird Megs Leiche in der Buchmitte entdeckt. Bis dahin stellt Benedict die verschiedenen Zugpassagiere vor und streut Verdachtsmomente gegen sie ge. Danach werden verschiedene Spuren verfolgt und Roz fragt sich, wie der Mörder das von innen verschlossene Abteil verlassen konnte.
Als Rätselkrimi ist Alexandra Benedicts „Mord im Christmas Express“ trotzdem eine ziemliche Enttäuschung. Ein Rätselkrimi lebt von den kunstvoll gelegten falschen Fährten und der überraschenden, im nachhinein überzeugenden Auflösung. Beides ist hier bestenfalls in homöopathischen Dosen vorhanden.
Der Rest ist dann locker vor sich hin erzählt und wir erfahren mehr über Roz‘ Leben, ihre Gefühle und Wünsche als wir jemals über Miss Marple und Hercule Poirot erfahren haben.
In Großbritannien hat Alexander Benedict seit 2005 zwanzig Bücher, teils Cozy-Krimis, teils Science-Fiction, teils Mystery, teils historische Liebesgeschichten, teils Serien, teils Einzelromane, veröffentlicht. „Mord im Christmas Express“ ist der erste von ihr auf Deutsch veröffentlichte Roman und bislang ein Einzelroman.
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Alexandra Benedict: Mord im Christmas Express
(übersetzt von Anke Caroline Burger)
Tropen, 2023
336 Seiten
17 Euro
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Originalausgabe
Murder on the Christmas Express
Simon & Schuster, London, 2022
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Hinweise
Homepage von Alexandra Benedict
Fantastic Fiction über Alexandra Benedict
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„Es ist kein Weihnachtskrimi.“ sagt Richard Osman über seinen neuen Krimi „Der Donnerstagsmordclub oder Ein Teufel stirbt immer zuletzt“. Der Roman beginnt an Weihnachten. Aber der Anlass für den Mord und der Mord geschehen erst am 27. Dezember. An diesem Tag nach Weihnachten gibt bei dem Antiquitätenhändler Kuldesh Shamar ein Drogenkurier ein Terrakottagefäß ab. Es enthält eine Ladung Drogen. Shamar soll als zwangsrekrutierter Zwischenhändler das Gefäß am nächsten Tag weiterverkaufen. Am Abend wird er in einem Waldstück erschossen. Seine Leiche wird erst am 1. Januar von einem Spaziergänger entdeckt.
Weil die Mitglieder des Donnerstagsmordclubs – einem wöchentlichen Treffen von vier Bewohnern der noblen Seniorenresidenz Coppers Chase in der südostenglischen Grafschaft Kent – das Opfer kennen, beginnen Joyce Meadowcroft, Elizabeth Best, Ron Ritchie und Ibrahim Arif mit der Suche nach dem Täter. Liebevoll unterstützt werden sie von aus früheren Mordfällen mit ihnen befreundeten Polizisten. Die lokalen Drogenbanden, die den Handel in der Gegend unter sich aufgeteilt haben, treiben sie mit ihrer bewährten Mischung aus Gebrechlichkeit, Penetranz und Schrulligkei in den Wahnsinn. Und schnell stapeln sich in der Gegend die Leichen.
„Der Donnerstagsmordclub oder Ein Teufel stirbt immer zuletzt“ ist der bereits vierte „Donnerstagsmordclub“-Krimi von Richard Osman, der sich kaum von seinen vorherigen Krimis unterscheidet. Alles ist ziemlich cozy, mild humoristisch und dialoggetrieben. Der Plot ist eher vernachlässigbar. Der Rätselplot sowieso. Die „Donnerstagsmordclub“-Krimis sind, auch wenn sie auf den ersten Blick so wirken, keine klassischen Rätselkrimis. Der Verkaufserfolg immens. Alle „Donnerstagsmordclub“-Krimis wurden Bestseller. Im Moment steht der vierte Band der Serie auf dem dritten Platz der Spiegel-Bestsellerliste.
Richard Osman: Der Donnerstagsmordclub oder Ein Teufel stirbt immer zuletzt
(übersetzt von Sabine Roth)
List, 2023
432 Seiten
17,99 Euro
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Originalausgabe
The last Devil to die
Viking, UK, 2023
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Hinweise
Wikipedia über Richard Osman (deutsch, englisch)
BookMarks über „Der Donnerstagsmordclub oder Ein Teufel stirbt immer zuletzt“
Meine Besprechung von Richard Osmans „Der Donnerstagsmordclub“ (The Thursday Murder Club, 2020)
Meine Besprechung von Richard Osmans „Der Mann, der zweimal starb“ (The Man who died twice, 2021)
Mein Bericht über Richard Osmans Besuch 2022 in Berlin
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In seinem Krimi „Das Geheimnis der Silvesternacht“ schickt Nicholas Blake seinen Ermittler, Privatdetektiv Nigel Strangeways, ins malerisch verschneite Downcombe. Im Auftrag der Abteilung für Innere Sicherheit soll er über die Weihnachtsferien Professor Alfred Wragby beschützen. Wragby ist ein Physiker, der gerade eine Entdeckung gemacht hat, für die sich auch Russland interessiert. Für Strangeways klingt das nach einigen entspannten Tagen in einem eingeschneiten Landsitz im Südwesten Englands.
Weil Wragby ein unbestechlicher Wissenschaftler ist, entführen die russischen Agenten und ihre Handlanger kurz nach Weihnachten Wragbys achtjährige Tochter Lucy. Sie wollen sie freilassen, wenn er ihnen alles über seine Entdeckung verrät. Allerdings haben die Entführer nicht mit Wragbys Sturheit und Lucys Schlauheit gerechnet.
Zwischen 1935 und 1966 schrieb Nicholas Blake sechzehn Strangeways-Kriminalromane. „Das Geheimnis der Silvesternacht“ ist der fünfzehnte Strangeways-Krimi und Strangeways hat nur eine Nebenrolle in dem Entführungsthriller, in dem die Täter von Anfang an bekannt sind (im ersten Kapitel des Krimis besprechen sie ausführlich ihren Plan) und Blake die Geschichte parallel aus mehreren Perspektiven erzählt. Die Formel, die die Entführer von Wragby erpressen wollen ist dabei nur ein austauschbarer MacGuffin. Der Ost/West-Konflikt ist nur die ebenso austauschbare Kulisse für eine Entführungsgeschichte, die 1962/1963 spielen soll, aber wie eine Geschichte aus den Fünfzigern oder einem noch früherem Jahrzehnt wirkt.
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Nicholas Blake: Das Geheimnis der Silvesternacht
(neu übersetzt von Dorothee Merkel)
Klett-Cotta, 2023
336 Seiten
20 Euro
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Originalausgabe
The Sad Variety
Collins Crime Club, Glasgow, 1964
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Deutsche Erstausgabe
Ein Engel soll sterben
Gebrüder Weiss Verlag, 1966
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Hinweise
Wikipedia über Nicholas Blake (deutsch, englisch)
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Zugegeben, das letzte Buch dieser Kolumne mit in diesem Jahr neu oder erstmals veröffentlichten, in England spielenden Weihnachtskrimis ist kein Kriminalroman, noch nicht einmal ein Buch mit Kurzkrimis (auch wenn es die ein oder andere Straftat gibt), aber etliche Geschichten spielen in Großbritannien, meistens in London, der Held der Geschichten ist eine britische Institution und alle zwölf Geschichten sind äußerst kurzweilige Weihnachtsgeschichten. Jacqueline Rayner, Colin Brake, Richard Dungworth, Mike Tucker, Gary Russel und Scott Handcock schrieben Geschichten mit den damals, als das Buch im Original veröffentlicht wurde, bekannten zwölf Doktoren. Inzwischen ist die langlebige BBC-Serie „Doctor Who“ beim fünfzehnten Doktor angelangt.
Der Doktor beziehungsweise Doctor Who ist ein durch Raum und Zeit reisender Timelord vom Planeten Gallifrey. Er kann sich in neuer Gestalt mehr oder weniger vollständig regenerieren; – was eine ebenso geniale wie einfache Idee der TV-Serienmacher war, um Schauspielerwechsel und damit verbundene Veränderungen zu erklären. Das Raumschiff von Doctor Who, die TARDIS, sieht wie eine normale englische Polizei-Notrufzelle aus. Innen ist sie riesig. Meistens reist der Doktor allein. Aber er hat nichts gegen wechselnde menschliche Mitreisende.
Seine Abenteuer führen ihn in dem Sammelband „Die zwölf Doktoren der Weihnacht“ ziemlich oft nach London zu verschiedenen Jahren. Er besucht auch andere Orte auf der Erde. Einmal, am Heiligabend 1968, trifft er sich mit der Besatzung der Apollo 8 auf der erdabgewandten Seite des Mondes. In der Raumkapsel wurde nämlich ein Päckchen für den Doktor deponiert. Er holt es ab, zeigt den Astronauten seine TARDIS und lässt sie anschließend weiterfliegen. Zurück in ihrer Raumkapsel fragen sie sich, ob sie ihren Kollegen von der Begegnung mit dem im Weltraum ohne Atemgerät schwebenden Doktor erzählen sollen.
Und es geht noch weiter in den Weltraum zu unbemannten Frachtschiffen und für uns sehr fremden Planeten, auf denen der Doktor nicht immer willkommen ist.
Alle Geschichten, über die hier nicht mehr verraten werden soll, spielen an Weihnachten, es wird oft sehr weihnachtlich und, was noch wichtiger ist, alle Geschichten sind sehr vergnüglich.
Im Original erschien der Sammelband in der „BBC Children’s Book“-Reihe. Beim Lesen ist mir nicht aufgefallen, dass die Geschichten speziell für Kinder und Jugendliche geschrieben wurden.
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Da empfehle doch jetzt tatsächlich in einer Kolumne über Weihnachtskrimis, die dieses Jahr erstmals oder in einer neuen Ausgabe erschienen sind, am vollmundigsten eine Sammlung von Science-Fiction-Kurzgeschichten mit einer TV-Serienfigur als Hauptfigur.
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Unglaublich, aber wahr. Jedenfalls in diesem Universum.
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V. A.: Doctor Who – Die zwölf Doktoren der Weihnacht
(übersetzt von Isabelle Gore)
Cross Cult, 2023
304 Seiten (+ 24 Seiten Illustrationen)
24 Euro
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Originalausgabe
Doctor Who – Twelve Doctors of Christmas
BBC Children’s Books/Puffin Books/Penguin Random House, 2016
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enthält
Jacqueline Rayner: Der Weihnachtswunsch (All I want for Christmas)
Colin Brake: Ein Winternachtsalbtraum (A Comedy of Terrors)
Jacqueline Rayner: Die Weihnachtsinversion (The Christmas Inversion)
Richard Dungworth: Drei Weise aus dem Abendland (Three Wise Men)
Mike Tucker: Sontars Helferlein (Sontar’s Little Helpers)
Gary Russel: Ein Märchen von New New York (Fairy Tale of New New York)
Mike Tucker: Die Weihnachtswerkstatt (The Grotto)
Scott Handcock: Geist der vergangenen Weihnacht (Ghost of Christmas Past)
Gary Russell: Das rote Fahrrad (The Red Bicycle)
Richard Dungworth: Flüchtiger Äther (Loose Wire)
Scott Handcock: Das Geschenk (The Gift)
Colin Brake: Die Beständigkeit der Erinnerung (The Persistence of Memory)
(Naa, da wecken die Originaltitel aber einige Assoziationen.)
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Hinweise
BBC über „Doctor Who“ (englisch)
Wikipedia über „Doctor Who“ (deutsch, englisch)
BBC-YouTube-“Doctor Who“-Kanal (zum Abtauchen in den Strudel jenseits von Raum und Zeit)
Meine Besprechung von Stephen Baxters „Doctor Who: Rad aus Eis“ (Dcotor Who: The Wheel of Ice, 2012)
Meine Besprechung von Justin Richards‘ „Doctor Who: Silhouette“ (Doctor Who: Silhouette, 2014)
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Ihr wollt noch mehr Tipps für Weihnachtskrimis?
Gerne: hier und hier und es gibt Zyankali vom Weihnachtsmann.

Während in den Buchhandlungen die Tische mit den Weihnachtsbüchern aufgestellt werden, ist Weihnachten für mich alten Weihnachtsignoraten jetzt größtenteils erledigt. Jedenfalls literarisch. Dafür habe ich „Rentier, Raubmord, Rauschgoldengel“ anders gelesen, als es von Herausgeberin Monika Beck geplant war. Das Buch enthält „24 Weihnachtskrimi von Heiligenhafen bis Zermatt“ und ist damit das literarische Äquivalent zu einem Adventskalender. Die Kurzkrimis sind von Regine Kölpin, Gert Anhalt, Till Raether, Andreas Gößling, Jan Jacobs, Judith Merchant, Dina El-Nawab/Markus Stromiedel, Thomas Kastura, Nicola Förg, Wolfgang Burger/Hilde Artmeier, Alexander Oetker, Stefan Haenni, Gisa Pauly, Romy Fölck, Christiane Franke/Cornelia Kuhnert, Katja Bohnet, Christian Kraus, Marc Hofmann, Hanni Münzer, Wolfram Fleischhauer, Iny Lorentz, Angela Svensson, Michaela Kastel und Susanne Mischke. Sie sind erfolgreiche deutsche Autoren, die, jedenfalls gehe ich von dieser Annahme aus, für diesen Sammelband im Frühjahr/Sommer eine Geschichten geschrieben haben. In einigen treten ihre bekannten Seriencharaktere auf. Zwei Geschichten – Gert Anhalts „Der King muss sterben“ mit einem Auftritt von Elvis Presley und Iny Lorentz‘ im Königreich Bayern spielende „Weihnachtslist“ – spielen in der Vergangenheit. Alle anderen spielen in einer unspezifischen Gegenwart, in der die Coronavirus-Pandemie egal ist. Die Pandemie wird nur einmal, in Nicola Förgs „Ein frostiger Boomerang“ in einem Halbsatz, erwähnt. Aber auch diese Geschichte könnte in jedem anderen Jahr spielen. Sowieso könnten fast alle Geschichten, manchmal mit kleinen Änderungen, irgendwann in den vergangenen Jahren und sogar Jahrzehnten spielen. Auch Weihnachten und die Weihnachtszeit sind oft nur ein beliebig austauschbarer, für die Handlung unwichtiger Hintergrund. Alexander Oetkers „Schneegestöber am Matterhorn“ ist hier die lesenswerte Ausnahme. Und selbstverständlich wird in den meisten Kurzgeschichten der in deutschen Krimi-Kurzgeschichten beliebte schwarzhumorig-schnurrige Ton gepflegt.
Insgesamt ist „Rentier, Raubmord, Rauschgoldengel“ eine seltsam von allen Zeitläufen entkoppelte Sammlung von wenig überraschenden Geschichten. Einige Ausnahmen, wie Dina El-Nawab/Markus Stromiedels „Tote halten keine Vorträge“, bestätigen diesen Eindruck.
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Monika Beck (Hrsg.): Rentier, Raubmord, Rauschgoldengel – 24 Weihnachtskrimis von Heiligenhafen bis Zermatt
Knaur, 2020
416 Seiten
10,99 Euro
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Neben Kurzgeschichten gibt es auch an Weihnachten spielende Kriminalromane. Diese spielen gerne in einem einsam gelegenem, von Schneebergen umgebenem Anwesen. Die Verwandtschaft versammelt sich, in herzlich abgrundtiefer Abneigung gegeneinander vereinigt, um das Kaminfeuer. Einer wird ermordet. Jeder hat ein Motiv. Keiner hat ein Alibi, das einer genaueren Überprüfung standhält. Und weil niemand in der Mordnacht zum Anwesen kommen und es wieder verlassen konnte, ist einer der Anwesenden der Mörder.
Diese immer noch sehr beliebte und sehr variable Formel benutzt Anne Meredith in ihrem Krimi „Das Geheimnis der Grays“. In dem 1933 im Original erschienenem Cozy versammelt sich am Heiligabend 1931 die Verwandtschaft im abgelegenem Landhaus King’s Poplars und einer von ihnen bringt in der Nacht das greise und geizige Familienoberhaupt um.
Für die aktuelle Ausgabe schrieb Martin Edwards, selbst erfolgreicher Krimiautor und Cozy-Fan, ein Nachwort und erwähnt dabei auch Dorothy L. Sayers Buchkritik mit ihrem Urteil: „Ein starkes, beeindruckendes Buch mit einer überzeugenden Zwangsläufigkeit des Handlungsablaufs, die dem Werk etwas wahrhaft Tragisches verleiht.“
Anne Meredith ist ein Pseudonym von Lucy Beatrice Malleson. Sie schrieb auch als Anthony Gilbert.
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Anne Meredith: Das Geheimnis der Grays – Eine weihnachtliche Kriminalgeschichte
(übersetzt von Barbara Heller)
Klett-Cotta, 2020
304 Seiten
10 Euro
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Originalausgabe
Portrait of a Murderer. A Christmas Crime Story
Victor Gollanz, London, 1933
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Hinweise
Wikipedia über Anne Meredith (deutsch, englisch)
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Auch „Das Geheimnis von Dower House“ folgt dieser Formel. In dem im Original 1936 erschienenem Kriminalroman erhält der legendäre Flieger Ferguson O’Brien mehrere Morddrohungen, nach denen er an Weihnachten sterben wird. Der Absender ist einer seiner Weihnachtsgäste und, auch wenn O’Brien die Drohungen nicht ganz ernst nimmt, bittet er Amateurdetektiv Nigel Strangeways um Hilfe. Noch während Strangeways mit den Weihnachtsgästen redet, wird O’Brien ermordet.
Der bekannteste Roman von Nicholas Blake ist, ebenfalls mit Nigel Strangeways, „Mein Verbrechen“ (The Beast must die, 1938). Claude Chabrol verfilmte das Buch als „Das Biest muss sterben“ (Que la bête meure, Frankreich 1969).
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Nicholas Blake: Das Geheimnis von Dower House – Eine weihnachtliche Kriminalgeschichte
(übersetzt von Jobst-Christian Rojahn)
Klett-Cotta, 2020
336 Seiten
15 Euro
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Originalausgabe
Thou Shell of Death
Collins Crime Club, Glasgow, 1936
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Diese Übersetzung erschien bereits 1996 im Diogenes Verlag als „Eine vertrackte Geschichte“.
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Hinweise
Wikipedia über Nicholas Blake (deutsch, englisch)
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Kaum ist der Weihnachtsbraten verzehrt, wird Inspector Morse zu einem Mord gerufen. Im Zimmer 3 des noblen Haworth Hotels wird eine Leiche gefunden. Der Tote gehörte zu den Gästen, die ein dreitägiges Pauschalangebot mit Rundführung durch Oxford und Kostümball gebucht haben.
Mit dem Mord ist die Stimmung ruiniert und Inspector Morse darf den Januar mit einer Mordermittlung beginnen. Wie immer begleitet von Sergeant Lewis.
„Das Geheimnis von Zimmer 3“ ist ein weiterer gelungener Rätselkrimi von Colin Dexter.
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Colin Dexter: Das Geheimnis von Zimmer 3 – Ein Fall für Inspector Morse
(übersetzt von Marie S. Hammer)
Unionsverlag, 2020
272 Seiten
12,95 Euro
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Originalausgabe
The Secret of Annexe 3
Macmillan, London, 1986
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Deutsche Erstausgabe
Hüte dich vor Maskeraden
Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1988
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Hinweise
Unionsverlag über Colin Dexter
Wikipedia über Colin Dexter (deutsch, englisch)
Meine Besprechung von „Lewis – Der Oxford Krimi: Staffel 6“
Meine Besprechung von „Lewis – Der Oxford Krimi: Collector’s Box 1“
Meine Besprechung von „Lewis – Der Oxford Krimi: Gesamt Box“
Meine Besprechung von „Inspector Morse: Staffel 1“
Meine Besprechung von Colin Dexters „Gott sei ihrer Seele gnädig“ (The Wench Is dead, 1989)
Mein Geburtstagsgruß an Colin Dexters
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Das war’s mit den Geheimnissen im Buchtitel. Fortan gibt es weihnachtliche Geheimnisse nur noch zwischen den Buchtiteln.
Wobei Denis Mina, die Queen of Tartan Noir, in ihrem ’neuesten‘ Alex-Morrow-Krimi auch gleich die ganze Cozy-Heimeligkeit links liegen lässt. Kurz vor Weihnachten spaziert ein Maskierter mit einer AK-47 in eine Glasgower Postfiliale und richtet, als ein älterer Mann gegen seine Anweisungen verstößt, ein Massaker an. Und das ist nicht der einzige Fall, mit dem Morrow, die nach der Geburt von Zwillingen wieder im Dienst ist, sich herumschlagen muss, während die Glocken nie süßer klingen.
Mit der Übersetzung von „Götter und Tiere“, dem dritten von fünf Alex-Morrow-Krimis, liegen Minas Morrow-Krimis jetzt komplett auf Deutsch vor.
Der Verlag nennt den Krimi „einen rasanten, harten und philosophischen Noir“. Aktuell steht er auf dem ersten Platz der monatlichen Krimibestenliste. Viel wichtiger ist allerdings, dass „Götter und Tiere“ 2013 den renommierten Theakstons Old Peculier Crime Novel of the Year Award gewann.
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Denise Mina: Götter und Tiere
(übersetzt von Karen Gerwig)
Ariadne, 2020
352 Seiten
21 Euro
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Originalausgabe
Gods and Beasts
Orion, 2012
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Hinweise
Wikipedia über Denise Mina (deutsch, englisch)
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Etwas cozy wird es wieder in Lucy Foleys Thriller „Neuschnee“.
Neun Freunde treffen sich um den Jahreswechsel in den schottischen Highlands in einer einsamen Berghütte, um dort zu tun, was Freunde halt so tun. Heftiger Schneefall schneidet sie von der Außenwelt ab. Ein Serienmörder (so etwas gab es zu Agatha Christies Zeiten noch nicht) macht die Gegend unsicher.
Als einer aus der neunköpfigen Feiergruppe vor dem Haus ermordet wird, fragen die Überlebenden sich, ob der Serienmörder sie belagert oder ob einer ihrer Freunde der Mörder ist.
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Lucy Foley: Neuschnee
(übersetzt von Ivana Marinovic)
Penguin Verlag, 2020
432 Seiten
15 Euro
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Originalausgabe
The Hunting Party
HarperCollins, London, 2018
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Schon etwas älter, aber nicht uninteressant sind „Jul-Morde“ und „Eine Leiche zum Advent“.
„Jul-Morde – Skandinavische Weihnachtskrimis“ ist etwas für die Freunde des Mordens im Norden. Die Geschichten sind von Åke Edwardson, Johan Theorin, Leena Lehtolainen, Mons Kallentoft, Thomas Enger, Kristina Ohlsson, Hans Koppel, Arne Dahl, Viveca Sten, Olle Lönnaeus, Kari F. Brænne, Robert Kviby und Michael Hjorth & Hans Rosenfeldt. Bis auf drei Geschichten handelt es sich um Originalbeiträge.
Das dürfte für die Fans skandinavischer Kriminalgeschichten als Empfehlung ausreichen.
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Sibylle Klöcker (Hrsg.): Jul-Morde – Skandinavische Weihnachtskrimis
(übersetzt von: Anne Helene Bubenzer, Antje Rieck-Blankenburg, Günther Frauenlob, Angelika Kutsch, Ursel Allenstein, Christel Hildebrandt, Holger Wolandt, Lotta Rüegger, Gabriele Schrey-Vasara, Sibylle Klöcker, Susanne Dahmann, Dagmar Lendt, Kerstin Schöps, Maike Dörries)
rororo, 2014
272 Seiten
9,99 Euro
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Erstausgabe 2013 bei Wunderlich.
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Und dann gibt es noch den von Otto Penzler herausgegebene und hier schon mehrmals empfohlenen Sammelband „Eine Leiche zum Advent“. Mit 708 eng bedruckten Seiten ist das genug Stoff für einige mörderisch lange Abende. Trotzdem hat der Lübbe-Verlag es geschafft, den großen Sammelband (fester Einband, 19 x 5 x 23,4 cm, also so in Richtung Bildband gehend) so zu drucken, dass er angenehm leicht in der Hand liegt. Damit eignet er sich nicht als Schlagwaffe (diese Verwendung schlägt der Klappentexter, wahrscheinlich ein echter Scrooge, vor). Otto Penzler schlägt in seinem Vorwort vor, die Geschichten im trauten Kreis von Freunden und Verwandten vorzulesen. „Und falls irgendjemand diese nette, altmodische Aktivität nicht zu schätzen weiß…Nun, Sie können ihn immer noch umbringen.“
Über die Geschichten sagt Penzler: „viele Geschichten in dieser Anthologie [sind] nicht so einfach zu bekommen. Manche sind sogar nicht mehr erhältlich oder auch nur irgendwie auffindbar.“ Und was für die USA gilt, gilt für Deutschland noch mehr.
Für den Sammelband „Eine Leiche zum Advent“ suchte Penzler 49 Geschichten aus (im Original 59; der Verlust einiger Geschichten, u. a. von Agatha Christie, liegt wohl an der Rechtesituation), die er thematisch sortierte. Unter anderem in „Traditionelle Weihnachten“, „Lustige Weihnachten“, „Ein Sherlockianisches Weihnachten“, „Unheimliche Weihnachten“ „Moderne Weihnachten“ und „Klassische Weihnachten“. Es sind teils bekannte, teils ziemlich unbekannte Geschichten von, in der Reihenfolge ihres Auftretens, Peter Lovesey, Ellery Queen, Colin Dexter, Donald E. Westlake, Thomas Hardy, Edward D. Hoch, Arthur Conan Doyle, John D. MacDonald, Andrew Klavan, Max Allan Collins, Peter Robinson, Ed McBain, John Lutz, Sara Paretsky, Mary Higgins Clark, Isaac Asimov, Ed Gorman, G. K. Chesteron, Rex Stout, H. R. F. Keating, Robert Louis Stevenson, O. Henry, Edgar Wallace, undsoweiter. Teilweise mit vertraut-beliebten Charakteren, wie Sherlock Holmes, Father Brown und Nero Wolfe.
Allein schon die Namen verraten Krimifans, dass Krimikenner Penzler eine schöne, undogmatische Auswahl zwischen Tradition und Moderne zusammenstellte. Zu jeder Geschichte verfasste er, wie bei seinen anderen Anthologien, eine kurze Einführung über den Autor und sein Werk.
Da werden auch „die Mürrischsten – jene, die behaupten, sie könnten es gar nicht erwarten, dass die Feiertage vorbei sind“ (Penzler), um eine kleine Verlängerung der Weihnachtstage bitten. Immerhin müssen über siebenhundert, zweispaltig bedruckte Seiten (also viel Lesestoff) durchgearbeitet werden.
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Otto Penzler (Herausgeber): Eine Leiche zum Advent – Das große Buch der Weihnachtskrimis
(übersetzt von Stefan Bauer, Winfried Czech, Axel Franken, Stefanie Heinen, Daniela Jarzynka, Helmut W. Pesch, Barbara Röhl, Anna-Lena Römisch, Thomas Schichtel, Dietmar Schmidt und Rainer Schumacher)
Lübbe, 2016
708 Seiten
12 Euro
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Originalausgabe
The Big Book of Chistmas Mysteries
Vintage Books, 2013
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Und was lernen wir aus all diesen Weihnachtsmorden? Erstens: Weihnachten ist mörderisch. Zweitens: vielleicht besser eine Kreuzfahrt unternehmen…