Neu im Kino/Filmkritik: Der Horrorfilm „It follows“

Juli 9, 2015

Den meisten Kritikern gefällt David Robert Mitchells Horrorfilm „It Follows“. In Cannes war er für den Critics Week Film Prize nominiert. Letztes Jahr lief er hier auf dem Fantasy Filmfest und es gibt auch wirklich einige Punkte, die für den Film sprechen. Aber insgesamt ist „It Follows“ ein schwacher Horrorfilm der mehr verspricht, als er hält und der wegen seiner langsamen Erzählweise die Lücken in seiner Erzählung schmerzhaft offenbart. Auch weil die Teenager sich nicht besonders schlau verhalten.
Nachdem die 19-jährige Jay Sex mit dem sportlichen Hugh, dem neuen Mädchenschwarm in der Schule, hatte, fesselt er sie und erklärt ihr, dass sie ab jetzt von einem Geist verfolgt werde, den nur sie sehen könne, der seine Gestalt ändern könne (er könne auch die Gestalt von Freunden und Bekannten annehmen) und sie töten wolle. Aber der Geist bewege sich langsam, weshalb ihr normalerweise genug Zeit bleibe, um zu flüchten. Und sie könne ihn loswerden, wenn sie mit einer anderen Person Sex habe. Oh, und sie solle das machen, bevor der Geist sie töte. Denn dann würde er sich auf dem Weg zu ihm machen.
Anschließend haut Hugh ab.
Jay hält es zunächst für einen schlechten Scherz, aber dann sieht sie sich seltsam bewegende Menschen und sie fragt sich, mit ihren Freunden, was sie tun soll.
Sie haben dabei viele Ideen, aber auf die nahe liegenste Idee, nämlich dass Jay einfach Sex mit dem erstbesten Mann haben soll und so den Dämon problemlos weiterzugeben kann, kommen sie nicht. Stattdessen versuchen sie ihn wie einen x-beliebigen Stalker zu bekämpfen, bis sie ihn am Ende in eine vollkommen absurde Falle locken.
Sowieso schöpft „It Follows“ das Potential seiner Prämisse nie aus. Denn natürlich hätte Jay nach der Nacht mit Hugh jeden Grund, um richtig paranoid zu werden. Immerhin könnte der Geist in der Gestalt ihres Vaters oder ihrer Freunde auftauchen. Aber vor ihren Freunden hat sie keine Angst. Ebenso könnte Sex hier facettenreicher als in den üblichen Horrorfilmen, in denen Sex immer mit dem Tod bestraft wird, behandeln. Aber dann hätte Mitchell sich auch genauer mit der Herkunft von seinem Geist und was er will, beschäftigen müssen. Zum Beispiel warum er oft wie die Freundin von Hugh aussieht.
Auf der Habenseite des mit einem kleinen Budget (laut IMDB 2 Millionen) gedrehten Films steht die bewusste Orientierung an älteren Horrorfilmen, die nicht durch Blut, sondern durch Atmosphäre Grusel erzeugten. Deshalb wird auch auf Jump-Scares verzichtet. Die Musik ist im ständigen John-Carpenter-Gedächtnismodus und auch die Stimmung erinnert an Carpenters Frühwerke, die ebenfalls für wenig Geld mit unverbrauchten Schauspielern auf der Straße gedreht wurden. So ist „It Follows“ näher am Independent-Kino als an Found-Footage-Experimenten (mit meist hoffnungslos übertrieben spielenden Schauspielern) und Splatter-Orgien.

It Follows - Plakat
It Follows (It Follows, USA 2014)
Regie: David Robert Mitchell
Drehbuch: David Robert Mitchell
mit Maika Monroe, Keir Gilchrist, Daniel Zovatto, Jake Weary, Olivia Luccardi, Lili Sepe
Länge: 100 Minuten
FSK: ab 12 Jahre (hätte eigentlich mit einer FSK-16 gerechnet)

Hinweise
Amerikanische Homepage zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „It Follows“
Moviepilot über „It Follows“
Metacritic über „It Follows“
Rotten Tomatoes über „It Follows“
Wikipedia über „It Follows“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Hugh Grant fragt „Wie schreibt man Liebe?“

November 13, 2014

Es ist schon erstaunlich, wie gut es „Wie schreibt man Liebe?“ gelingt, all die erzählerischen Trüffel, die Autor-Regisseur Marc Lawrence auf dem Silbertablett präsentiert werden, zu ignorieren und sich allein auf die Präsenz des immer liebenswerten Hugh Grant zu verlassen.
Grant spielt Keith Michaels, einen geschiedenen Hollywood-Drehbuchautor, der vor fünfzehn Jahren einen Drehbuchoscar für „Paradise Misplaced“ bekam. Seine späteren Filme waren nicht so gut und jetzt braucht er, weil er keine Bücher verkauft, Geld. Ein Lehrerjob in Binghampton, ein Uni-Kaff bei New York, bringt ihm das benötigte Geld. Dass er glaubt, dass man Schreiben nicht lehren kann, ist nur ein kleines Hindernis. Er will die finanziell einträgliche Lehrer-Charade einfach hinter sich bringen, weshalb er die Teilnehmer für den Drehbuchkurs auch nach ihrem Aussehen auswählt. Trotzdem verirren sich zwei Nerds in seinen Kurs, der sonst nur aus Uni-Schönheiten besteht. Und eine Mittvierzigerin ist auch dabei. Holly Carpenter macht noch ein Bachelor-Studium, hat zwei Kinder (die wir eigentlich nie sehen und die für die Geschichte egal sind), immer einen patenten Ratschlag für den sympatisch verwuschelten Kursleiter und nebenher jobbt sie. Passenderweise in dem Uni-Buchladen und einem Nobelrestaurant.
Weil Holly Carpenter von Marisa Tomei gespielt wird, wissen wir auch, wer am Filmende nach der bewährten RomCom-Formel zusammenfindet, obwohl sie nur den Schein haben will und er nicht die Frau fürs Leben sucht. Eine gut aussehende Studentin, mit der er gleich am ersten Abend ins Bett hüpft, tut es auch. Jedenfalls für den Moment. Dass das ein an der kleinen Universität nicht akzeptiertes Verhalten ist, erfährt er kurz darauf und nachdem er am Begrüßungsabend gleich eine Brandrede gegen starke Frauen und Jane Austen hält, hat er es sich mit Professor Mary Weldon (Allison Janney) verscherzt. Denn sie ist die anerkannte Jane-Austen-Expertin, die humorlose und stocksteife Dekanin der Universität und sie hält absolut nichts von Hollywood-Drehbuchautoren, die keine Ahnung von Literatur haben. Sie ist die Person, die den literarisch vollkommen unbefleckten Keith Michaels jederzeit feuern kann.
„Wie schreibt man Liebe?“, das im Original „The Rewrite“ heißt, hätte so einfach ein Film über zweite Chancen und die Wechselwirkungen von Literatur und Leben, von Drehbuchdramaturgie und Leben, von den Genreerfordernissen einer romantischen Komödie und dem Leben, werden können. Es hätte ein wundervoller, auf mehreren Ebenen funktionierender Film werden können, wie zuletzt zum Beispiel Lasse Hallströms „Madame Mallory und der Duft von Curry“, wo es um das richtige Zubereiten von Mahlzeiten, unterschiedliche Kulturen und Lebensphilosophien geht, oder Fred Schepisis „Words and Pictures“, wo Clive Owen und Juliette Binoche ein Feuerwerk von Weisheiten und Zitaten abbrennen, um vor ihren Schülern einen Kampf um die höhere Kunst zu entfachen, der natürlich kaum verdeckt, dass sie ineinander verliebt sind.
Oder, ein ganz anderes Genre, der selbstreferentielle Slasher-Film „Scream“. Schon vor fast zwanzig Jahren spielten Regisseur Wes Craven und Drehbuchautor
Kevin Williamson gelungen mit den Genreklischees, wenn die Studierenden sich über die Klischees in Horrorfilmen unterhalten und so den Killer finden wollen, während gerade die halbe Universität von einem maskierten Slasher gemeuchelt wird.
Gerade im direkten Vergleich mit „Words and Pictures“, der ja ein ähnliches Thema in einem ähnlichen Milieu behandelt, wird deutlich, wie lieblos „Wie schreibt man Liebe?“ zusammengeschustert ist. Marc Lawrences Film hätte dringend mindestens ein Rewrite gebraucht. Aber anscheinend wurde die erste Fassung verfilmt.

Wie schreibt man Liebe - Plakat

Wie schreibt man Liebe? (The Rewrite, USA 2014)
Regie: Marc Lawrence
Drehbuch: Marc Lawrence
mit Hugh Grant, Marisa Tomei, Bella Heathcote, J. K. Simmons, Chris Elliot, Allison Janney, Veanne Cox, Lily Wan, Olivia Luccardi, Emily Morden, Andrew Keenan-Bolger, Steven Kaplan
Länge: 106 Minuten
FSK: ab 0 Jahre

Hinweise
Deutsche Facebook-Seite zum Film
Moviepilot über „Wie schreibt man Liebe?“
Metacritic über „Wie schreibt man Liebe?“
Rotten Tomatoes über „Wie schreibt man Liebe?“
Wikipedia über „Wie schreibt man Liebe?“