Neu im Kino/Filmkritik: Etwas Popgeschichte: „Squaring the Circle – The Story of Hipgnosis“ und ihrer legendären Arbeiten

März 14, 2024

Hip – – – what?

Gut, Hipgnosis ist kein ‚englisches‘ Wort, das einem einfach über die Lippen geht und die meisten Menschen werden wahrscheinlich noch nie etwas von Hipgnosis gehört haben. Aber sie kennen deren Bilder. Denn Aubrey ‚Po‘ Powell und Storm Thorgerson, die Gründer von Hipgnosis, einem aus „hip“ und „gnostic“ zusammengesetztem Kunstwort, erschufen zwischen 1968 und den frühen achtziger Jahren, vor dem Siegeszug der CD, zahlreiche legendäre Schallplattencover. Als Richtschnur kann gelten, dass wenn du dich an ein LP-Cover aus den Siebzigern erinnerst, es sehr wahrscheinlich von Hipgnosis ist. Besonders lange und produktiv war, beginnend mit „A Saucerful of Secrets“, ihre Zusammenarbiet mit Pink Floyd. Es folgten für die Band die Covers für deren nächsten LPs. Für „Atom Heart Mother“ fotografierten sie eine Kuh auf einer Wiese. Keiner weiß, was die Kuh bedeuten soll, aber noch heute ist das Cover bekannt. Noch bekannter sind die nächsten beiden für Pink Floyd gestalteten Covers, nämlich das in seiner Einfachheit legendäre Cover für „The Dark Side of the Moon“ auf dem ein Prisma einen weißen Lichtstrahl in seine Spektralfarben bricht und, für „Wish you where here“, das Foto eines brennenden Mannes im Anzug, der einem anderen Mann die Hand gibt. Und, ja, der Mann stand in Flammen, er wurde mehrmals, bis der Wind die Flammen in die richtige Richtung bewegte, angesteckt und er verbrannte sich dabei. Für „Animals“ ließen sie in London zwischen den Schornsteinen eines Kohlekraftwerks ein riesiges aufgeblasenes Schwein aufsteigen.

Die Story, wie dieses Cover letztendlich entstand, ist, auch wenn sie in Fankreisen bekannt ist, zu gut, um sie hier zu verraten. Das geschieht in Anton Corbijn gelungen zwischen SW und, für die Plattencover, Farbe wechselndem Dokumentarfilm „Squaring the Circle – The Story of Hipgnosis“. Wegen den im Film gezeigten, von Hipgnosis gestalteten LP-Covern sollte er unbedingt im Kino gesehen werden. Schon ein LP-Cover ist mit 31,5 cm x 31.5 cm groß. Ein Klappcover ist noch größer, aber auch die kleinste Kinoleinwand ist noch größer und in diesem Fall ist Größe ein wichtiger Faktor. Formal setzt Corbijn auf die aus unzähligen anderen Dokumentarfilmen bewährte Mischung aus historischen Aufnahmen und neuen Interviews. Chronologisch erzählt er die Geschichte der Grafikdesign-Agentur und wie einige ihrer legendären Covers entstanden sind, nach. Durch den Nebel von teils widersprüchlichen Erinnerungen entsteht so auch ein Bild des Exzesses, der damals im Musikbusiness möglich war, und der zu den teilweise extrem kostspieligen Covers von Hipgnosis führte.

Corbijns erster Dokumentarfilm, nach mehreren Spielfilmen und einer langen und erfolgreichen Karriere als Fotograf von Künstlern, vor allem Musiker, und Regisseur von Musikvideos, ist eine süffige Mischung aus Anekdoten, unterlegt von einer fast schon dauerpräsenten pink-floydschen Gitarre und Bildern von Schallplattencovern, bei denen die Grafikdesigner und die Musiker sie als eigenständige Kunstwerke verstanden wissen wollten.

Squaring the Circle – The Story of Hignosis“ ist das filmische Äquivalent zu einem Gang durch eine gut kuratierte, ästhetisch ansprechend gestaltete Ausstellung, die kurzweilig und gelungen Musik- und Designgeschichte vermittelt und einen in eine Zeit zurückversetzt, als ein LP-Cover als eigenständiges Kunstwerk betrachtet werden konnte. Manchmal war das Cover gelungener als die Musik.

Squaring the Circle – The Story of Hipgnosis (Squaring the Circle – The Story of Hipgnosis, Großbritannien 2022)

Regie: Anton Corbijn

Drehbuch: Trish D Chetty

mit Aubrey „Po“ Powell, Paul McCartney, Jimmy Page, Robert Plant, David Gilmour, Nick Mason, Roger Waters, Noel Gallagher, Glen Metlock, Graham Gouldman, Peter Gabriel, Peter Saville, George Hardie, Humphrey Ocean, Roger Dean, Jill Furmanovsky, Andrew Ellis, Richard Evans, David Gale, Alex Henderson, Jenny Lesmoir-Gordon, Richard Manning, Merck Mercuriadis, Carinthia West

Länge: 106 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

und der Musik von (selbstverständlich wird nicht jedes Lied ausgespielt und die Pink-Floydsche Gitarre dominiert den Film, aber die unten stehenden Bands und Musiker geben einen Eindruck von den gezeigten LP-Covern)

Pink Floyd (Shine On You Crazy Diamond, Interstellar Overdrive, Wish You Were Here, Let There Be More Light, Set The Controls For The Heart Of The Sun, A Saucerful Of Secrets, Pow R. Toc H., Atom Heart Mother Suite, Money, Breathe, Time, Shine On You Crazy Diamond Prts 1-5, Exposure, Dogs, Pigs)

Led Zeppelin (The Ocean, No Quarter, The Ocean Live MSG 1973, Nobody’s Fault But Mine, Black Dog)

Wings (Band on the Run, You Gave Me the Answer, My Carnival Live, Letting Go)

10CC (I’m not in Love, Honeymoon with B Troop, The Things We Do For Love, Art For Art’s Sake)

The Nice (Elegy, Hang On To A Dream)

Peter Gabriel (Down The Dolce Vita)

Depeche Mode (I Just Can’t Get Enough)

Throbbing Cristle (Hamburger Lady)

John Coltrane (I’m A Dreamer, Aren’t We All)

Syd Barrett (Baby Lemonade)

Chico Hamilton (Repulsion)

Soft Machine (Hope for Happiness)

Christopher Gunning (Black Magic Theme)

Berliner Philharmoniker (The Blue Danube)

Royal Conertgebouw Orchestra (Also Sprach Zarathustra!)

Hinweise

Moviepilot über „Squaring the Circle – The Story of Hipgnosis“

Metacritic über „Squaring the Circle – The Story of Hipgnosis“

Rotten Tomatoes über „Squaring the Circle – The Story of Hipgnosis“

Wikipedia über Hipgnosis (deutsch, englisch)

Meine Besprechung von Anton Corbijns John-le-Carré-Verfilmung „A most wanted man“ (A most wanted man, Deutschland/Großbritannien 2014) (DVD-Kritik)

Meine Besprechung von Anton Corbiijns „Life“ (Life, Kanada/Deutschland/Österreich 2015)


TV-Tipp für den 11. August: A Hard Day’s Night

August 10, 2017

Arte, 21.55

The Beatles – A Hard Day’s Night (Großbritannien 1964, Regie: Richard Lester)

Drehbuch: Alun Owen

Yeah! Yeah! Yeah! Heute gibt es einen stilprägenden Musikfilmklassiker mit und über die Beatles im Mockumentary-Stil, den Richard Lester quasi im Alleingang erfand und der heute immer noch frisch wirkt.

Über die Musik muss ich wohl nichts sagen.

Arte zeigt die restaurierte Fassung, allerdings mit der alten deutschen Synchronisation.

Danach zeigt Arte um 23.25 Uhr „Sgt. Pepper’s Musical Revolution“ (Doku, GB 2017) und um 00.25 Uhr „John Lennon: Live in New York City“ (30. August 1972 mit Yoko Ono und der Plastic Ono Elephant’s Memory Band).

mit John Lennon, Paul McCartney, George Harrison, Ringo Starr, Wilfrid Brambell, Anna Quayle, Norman Rossington

Hinweise

Rotten Tomatoes über „A Hard Day’s Night“

Wikipedia über „A Hard Day’s Night“ (deutsch, englisch) und die Beatles (deutsch,englisch)

Meine Besprechung von Richard Lesters „A Hard Day’s Night“ (A Hard Day’s Night, Großbritannien 1964)


TV-Tipp für den 25. März: Paul is dead

März 25, 2016

https://vimeo.com/15703413

ZDF Kultur, 23.00

Paul is dead (Deutschland 2000, Regie: Hendrik Handloegten)

Drehbuch: Hendrik Handloegten

Während des Sommers 1980 in der bundesdeutschen Provinz glaubt der 13-jährige Beatles-Fan Tobias, dass der Mörder von Paul McCartney (denn McCartney starb 1966 und wurde durch einen Doppelgänger ersetzt) bei ihnen aufgetaucht ist.

Ein wunderschöner Coming-of-Age-Film, der einige populäre Verschwörungstheorien zitiert und ein halbes Beatles-Lexikon ersetzt.

Weil für den Film die originalen Beatles-Lieder benutzt werden mussten (Hey, ein Film über fanatische Beatles-Fans und dann werden im Film die Beatles-Songs von einer x-beliebigen Cover-Band gespielt oder es wird eine spätere oder eine alternative Aufnahme verwendet; – das würde nur zu berechtigten Wutanfällen der Beatles-Fans führen) und der deshalb auch nie im Kino lief und nicht auf DVD erscheinen wird. Denn die TV-Sender haben mit der Gema einen Vertrag, der es ihnen für TV-Filme gestattet, auf Musikstücke zurückzugreifen. Für jede andere Verwendung müssten die Musikrechte eingekauft werden.

Auf dem Symposium „Verbotene Filme“ der Deutschen Kinemathek erzählte Handloegten noch einige weitere Hintergründe, warum der dann auf Festivals gelobte Debütspielfilm so wenige Preise erhielt und wie sie beim Sundance-Festival eine kostenlose Vorführung machen mussten, um den Film zeigen zu können. Es ging natürlich um die Musikrechte.

Mit Sebastian Schmidtke (Pseudonym von Sebastian Urzendowsky), Martin Reinhold, Vasko Scholz, Myriam Abeillon, Ian T. Dickinson, Rainer Egger, Astrid Pochmann, Hans-Joachim Heist, Axel Milberg, Ingrid Steeger – und die Stimme von Alan Bangs

Hinweis

Wikipedia über „Paul is dead“


TV-Tipp für den 12. August: The Beatles – A Hard Day’s Night

August 11, 2014

BR, 22.00

The Beatles – A Hard Day’s Night (Großbritannien 1964, Regie: Richard Lester)

Drehbuch: Alun Owen

Yeah! Yeah! Yeah! Heute gibt es einen stilprägenden Musikfilmklassiker mit und über die Beatles im Mockumentary-Stil, den Richard Lester quasi im Alleingang erfand und der heute immer noch frisch wirkt.

Über die Musik muss ich wohl nichts sagen.

Der BR zeigt die brandneue restaurierte Fassung, allerdings in der deutschen Synchronisation.

mit John Lennon, Paul McCartney, George Harrison, Ringo Starr, Wilfrid Brambell, Anna Quayle, Norman Rossington

Hinweise

Rotten Tomatoes über „A Hard Day’s Night“

Wikipedia über „A Hard Day’s Night“ (deutsch, englisch) und die Beatles (deutsch,englisch)

Meine Besprechung von Richard Lesters „A Hard Day’s Night“ (A Hard Day’s Night, Großbritannien 1964)


DVD-Kritik: Yeah! Yeah! Yeah! „A Hard Day’s Night“ mit den Beatles

Juli 30, 2014

Schauspielernde Musiker und Bands, um die herum zur Vermarktung ihrer Musik ein Film geschrieben wird, sind meistens schnell vergessener filmischer Sondermüll. Oder will wirklich jemand alle Elvis-Presley-Madonna-Howard-Carpendale(das war eigentlich nur ein Film)-Filme sehen? Es gibt natürlich, wie immer, einige Ausnahmen und der erste Film der Beatles gehört unbestritten dazu. Bei einer 1999 vom British Film Institute (BFI) durchgeführten Befragung von tausend Filmschaffenden zu den 100 besten britischen Filmen landete „A Hard Day’s Night“ auf dem 88. Platz. Auch das Time Magazin erwähnte ihn in seiner Liste der 100 besten Filme – um nur zwei Listen zu nennen, auf denen der Film steht.

Richard Lester erzählt in einem flotten Reigen kurzer, dokumentarisch anmutender Szenen vom alltäglichen Leben der Band. Die vier Musiker laufen vor kreischenden Fans (die von echten Fans gespielt wurden) davon, sie fahren im Zug von Liverpool nach London, wo sie in einer Live-TV-Sendung auftreten sollen, sie begegnen wieder kreischenden Fans (okay, sie begegnen überall kreischenden Fans, vor denen sie mit jugendlichem Charme flüchten), sie nehmen ihre kleinen Fluchten, was ihren Manager zur Verzweiflung treibt und am Ende treten sie in der Show auf, was dazu führt, dass sie hintereinander einige noch heute bekannte Hits spielen und die überwiegend weiblichen Fans kreischen dürfen.

Und, als Comic-Relief ist Pauls Großvater dabei, ein Mann, über dessen Zurechnungsfähigkeit spekuliert werden kann. Aber nicht über seine Geschäftstüchtigkeit. Und er ist, wie mehrfach betont wird, sauber.

Die Beatles, also John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr werden als fröhliche junge Männer gezeigt, die wie pubertierende Jungs ihr Leben genießen und trotzdem verantwortungsbewußt sind. Denn auch bei ihren zahlreichen Fluchten, die ihren gutmütigen Managers Nerven kosten, kehren sie doch pünktlich zum Auftritt zurück. Sie sind so etwas wie die Klassenclowns, die den Lehrer respektieren. Und sie würden nie etwas wirklich Schlimmes oder Böses tun; nicht so wie spätere Musikergenerationen, die mit Drogen experimentierten und – ähem – seltsame Kleider trugen und – räusper – aufrührerische Parolen skandierten.

Nein, die Beatles waren noch richtig unschuldig – und die Fanekstase mit kreischenden, sie verfolgenden Fans und kreischenden Fans während des Konzertes ist heute fast unvorstellbar; – solange wir nicht über eine austauschbare Boy-Group mit deutlich kürzerem musikalischem Haltbarkeitsdatum und vernachlässigarem Einfluss auf die Musikgeschichte reden.

Richard Lester, der hier am Anfang seiner Karriere stand und in den nächsten Jahren einige Klassiker drehte, inszenierte mit „A Hard Day’s Night“ die Blaupause für künftige Musikerporträts, indem er gelungen zwischen den Stilen, vor allem in einem atemlosen, im Rhythmus der Musk geschnittenem Cinéma-Vérité-Stil zwischen dokumentarischen und eindeutig parodistischen Szenen, wechselte, die Musker als grundsympathische Menschen inszenierte und viele Songs der nach damaliger Meinung langhaarigen Musiker präsentierte, die zuerst zu Hits und später zu Evergreens wurden. Dabei gehorcht Lester nie einer spröden dokumentarisch-faktenbasierten, sondern einer emotionalen Wahrheit.

Heute würde man „Yeah Yeah Yeah“ (so der ursprüngliche deutsche Titel) Mockumentary nennen und den kurzweiligen Film ebenso bedenkenlos genießen, wie damals während der Beatlemania.

A Hard Day's Night - DVD-Cover

 

A Hard Day’s Night (A Hard Day’s Night, Großbritannien 1964)

Regie: Richard Lester

Drehbuch: Alun Owen

mit John Lennon, Paul McCartney, George Harrison, Ringo Starr, Wilfrid Brambell, Anna Quayle, Norman Rossington

DVD

Koch-Media

Bild: 1.78:1 (16:9)

Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1/2.0)

Untertitel: Deutsch

Bonusmaterial: Audiokommentar mit Cast und Crew (ungefähr ein Dutzend Menschen und Tonnen Informationen), umfangreiche Bildergalerie, Deutscher und englischer Kinotrailer

Länge: 84 Minuten

FSK: ab 6 Jahre

Der Film erschien in identischer Ausstattung auch auf Blu-ray.

Außerdem gibt es eine Special Edition mit DVD, Blu-ray und zwei Bonus-DVDs, die insgesamt über 250 Minuten Bonusmaterial enthalten, unter anderem mit über zwei Stunden Interviews, mehrere Dokumentationen über den Film, die Beatles und Richard Lester und Richard Lesters Kurzfilm „The Running, Jumping & Standing Still“. Außerdem gibt es noch ein Booklet.

Koch Media verwandte die von Criterion hergestellte Fassung.

Hinweise

Rotten Tomatoes über „A Hard Day’s Night“

Wikipedia über „A Hard Day’s Night“ (deutsch, englisch) und die Beatles (deutsch, englisch)