Neu im Kino/Filmkritik: „Eine Handvoll Wasser“, ein Flüchtlingsmädchen, ein alter Zausel

November 13, 2021

Konrad ist ein allein lebender Stinkstiefel. Seine Frau ist gestorben. Seine Tochter ist lesbisch und will jetzt die Kinder ihrer Freundin adoptieren. Der 85-jährige findet beides schlimm. Auch die neugierige Nachbarin nervt ihn. Nur mit seinen im Keller des typisch deutschen Vorstadtreihenhauses im Aquarium lebenden Fischen versteht er sich.

Eines Tages entdeckt er am Haus Einbruchsspuren. Er legt sich auf die Lauer und erwischt den Einbrecher. Sofort schießt er mit einer Nagelschusspistole auf ihn. Der Getroffene ist allerdings kein Mann, sondern die elfjährige Thurba. Ihre Mutter soll in den Jemen abgeschoben werden. Die Abschiebung wird allerdings errst vollzogen, wenn die gesamte Familie abgeschoben werden kann. Langfristig möchte Thurba nach England zu Verwandten. Aber im Moment versteckt sie sich vor der Polizei und schlägt sich durch den Tag. Immer auf der Suche nach der nächsten Mahlzeit und einem warmen Ort.

Als Konrad bemerkt, dass er ein Kind verletzt hat, verarztet er es. Und, anstatt die Polizei anzurufen (weil, dann gäbe es ja keinen Film), lässt er sie bei sich übernachten. Natürlich nur diese Nacht.

Man muss wirklich kein Genie sein, um sich auszurechnen, wie sich die Geschichte zwischen Konrad und Thurba weiterentwickelt. Denn natürlich bleibt es nicht bei einer Nacht.

Diese Vorhersehbarkeit ist, wenn die Geschichte gut erzählt wird, selbstverständlich kein Problem. Und Thurbas Wunsch, nach England zu fahren, könnte der Auftakt für ein vergnügliches Roadmovie über die Annäherung zweier gegensätzlicher Figuren und die Resozialisierung eines alten Zausels sein. Aber die Geschichte bleibt im Reihenhaus stecken. Da wird dann zwischen Keller und Schlafzimmer alles ausdiskutiert. Leider ziemlich vorhersehbar mit papiernen Dialogen, die die Schauspieler zu einem ähnlichen Spiel animieren. So wirkt Jakob Zapfs mit einem überschaubarem Budget gedrehtes Spielfilmdebüt nie – und hat es auch nie versucht – wie großes Kino, sondern immer wie ein bedeutungsschwerer TV-Film. Immerhin mit Jürgen Prochnow in der Hauptrolle.

P. S.: Im Film sind die Untertitel teilweise nicht vollständig lesbar. Das ist, wie uns nach der Pressevorführung gesagt wurde, so gewollt.

Eine Handvoll Wasser (Deutschland 2020)

Regie: Jakob Zapf

Drehbuch: Marcus Seibert, Ashu B.A., Jakob Zapf

mit Jürgen Prochnow, Milena Pribak, Pegah Ferydoni, Anja Schiffel, Anke Sevenich

Länge: 99 Minuten

FSK: ab 12 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Eine Handvoll Wasser“

Moviepilot über „Eine Handvoll Wasser“

 


Neu im Kino/Filmkritik: „Der letzte Mieter“ will nicht raus aus seiner Berliner Wohnung

August 14, 2020

Berlin hat eine lange Geschichte von erfolgreichen Hausbesetzungen und renitenten Mietern. Die Regierung beschloss einen Mietendeckel. Die Bezirke nutzen, zum Schutz von Mietern, ihr Vorkaufsrecht. Und eine Volksinitiative fordert schlichtweg eine Enteignung von großen Wohnungsgesellschaften, wie Deutsche Wohnen. In der ersten Phase des Volksbegehrens musste die Initiative 20.000 Unterschriften sammeln. Sie sammelte 77.000 Unterschriften.

In diesem Umfeld erscheint eine Geschichte, wie sie Gregor Erler in seinem vollkommen unabhängig finanziertem Spielfilmdebüt „Der letzte Mieter“ erzählt, nicht vollkommen unwahrscheinlich.

Das Mietshaus in dem Dietmar Heine lebt, soll geräumt werden. In dem Straßenzug ist das Haus das einzige noch nicht luxussanierte Wohnhaus. Heine lebt seit Ewigkeiten in seiner Wohnung und er denkt nicht daran, sie freiwillig und friedlich zu verlassen.

Am Tag der Räumung besucht der Makler Mark Franke Heines Wohnung. Die Gespräch zwischen dem Miethai und dem Rentner eskaliert schnell zu einem tätlichen Konflikt.

Heines Sohn Tobias, der sich am liebsten aus allem heraushalten möchte, weil er ja doch nichts ändern kann, der noch nie ein Gesetz gebrochen hat und der nur durch einen dummen Zufall bei seinem Vater ist, muss sich entscheiden, auf welcher Seite er steht.

Als die junge Polizistin Shirin Kämper, die zu den Polizisten gehört, die die Räumung überwachen, die Wohnung der Heines betritt, nimmt Tobias sie in einer Verzweiflungstat als Geisel.

Kurz darauf sperrt die Polizei die Straße ab. Das Verhandlungsteam versucht, die Situation zu entspannen, Auf dem gegenüberliegendem Hausdach nehmen die Scharfschützen ihre Position ein. Andere Polizisten räumen das Haus und suchen nach einer von Heine angeblich deponierten Bombe.

In der Wohnung versucht Shirin Tobias zur Aufgabe zu bewegen.

Der letzte Mieter“ erzählt seine auf einem begrenztem Raum und in wenigen Stunden spielende Geschichte vor dem Hintergrund aktueller Großstadtprobleme. Wenn der Thriller dann der Mechanik des Geiselnahmethrillers folgt, orientiert er sich selbstverständlich an bekannten Vorbildern. Die adaptiert Erler gelungen in die deutsche Realität. Die Figuren sind knapp, aber ausreichend charakterisiert, um schnell die vertraute Abfolge von Aktionen und Gegenaktionen, von Reaktion und Gegenreaktion, in Gang zu setzen. Die Kritik an Miethaien und der Gentrifizierung wird zu einem Teil der Geschichte, die immer wieder einen unerwarteten Verlauf nimmt. Bis hin zum bombigen Ende.

Der letzte Mieter (Deutschland 2018)

Regie: Gregor Erler

Drehbuch: Gregor Erler, Benjamin Karalic

mit Matthias Ziesing, Pegah Ferydoni, Moritz Heidelbach, Thilo Prothmann, Tom Keune, Mignon Remé, Marie Anne Fliegel, Wolfgang Packhäuser

Länge: 97 Minuten

FSK: ab 16 Jahre

Hinweise

Homepage zum Film

Filmportal über „Der letzte Mieter“

Moviepilot über „Der letzte Mieter“