TV-Tipp für den 5. November: Tod im kalten Morgenlicht

November 4, 2016

ZDFneo, 20.15

Tod im kalten Morgenlicht (Niederlande/Großbritannien 1996, Regie: Rudolf van den Berg)

Drehbuch: Doug Magee

LV: Friedrich Dürrenmatt: Das Versprechen – Requiem auf den Kriminalroman, 1957

Irgendwo in England: Kommissar Marek sucht einen Kindermörder. Um ihn zu schnappen, benutzt er ein Kind und ihre Mutter als Lockvögel.

Fast unbekanntes Remake von “Es geschah am hellichten Tag” (mit Heinz Rühmann), das trotzdem einen Blick wert ist: „Der Stoff ist derart differenziert, psychologisch fundiert und dramatisch, dass man bei den Aktualisierungen kaum etwas falsch machen kann. In Rudolf van den Bergs Variation geht es noch düsterer und bedrohlicher zu. (…) All diese Unterschiede betonen den naturalistischen Kern der eigenständigen Adaption, die dank der hervorragenden Kameraarbeit von Igor Luther, der mit kaltem Licht für Grauen sorgt, und der guten Besetzung so wirkungsvoll ist wie die anderen Versionen.“ (Fischer Film Almanach 1998)

mit Richard E. Grant, Lynsey Baxter, Simon Cadell, Perdita Weeks

Hinweise

Rotten Tomatoes über „Tod im kalten Morgenlicht“

Wikipedia über „Tod im kalten Morgenlicht“

Meine Besprechung von Friedrich Dürrenmatts “Die Kriminalromane” (Sammelband)


Neu im Kino/Filmkritik: Sensation! Der Stein der Weisen ist in den „Katakomben“ von Paris

September 13, 2014

Jetzt weiß ich, warum die Ägypter Grabräuber nicht mögen.
Der Found-Footage-Murks „Katakomben“ spielt zwar nicht in Ägypten, sondern in Paris und die Heldin behauptet selbst von sich, dass sie keine Grabräuberin sei. Aber sie prescht mit einer Eleganz durch die Katakomben von Paris (laut Presseheft wurde sogar alles vor Ort gedreht, aber sie hätten das Werk genausogut in irgendeinem Hinterhofstudio drehen können), dass kein Stein mehr auf dem anderen bleibt. Mauern werden eingerissen, Skelette flugs zur Seite geräumt und ein riesiger Klunker, der „Stein der Weisen“, wird mit roher Gewalt aus einem Fresko entfernt. Dass bei diesem feinfühligem Vorgehen einige Decken und Gänge einstürzen ist ein akzeptabler Kollateralschaden bei der Schatzsuche. Außerdem können die jungerwachsenen Protagonisten in dem Moment eh schon nicht mehr so richtig zwischen Wahn und Wirklichkeit oder zwischen Hölle und Normalität unterscheiden.
Dabei haben die sechs Twenty-Somethings, zusammengewürfelt aus der hyperbrillanten Schatzsucherin Scarlett Marlowe (die das alles tut, um das Vermächtnis ihres toten Vaters zu vollenden, unzählige Sprachen kann, Doktortitel wie Fliegenstiche sammelt, wagemutiger als Indiana Jones und verdammt jung ist), ihrem Freund (der wegen des Todes seines kleinen Bruders eine ausgewachsene Abneigung gegen Höhlen hat), einem klaustrophobischem Dokumentarfilmer und drei Pariser Urban Explorer, die just for fun bei der Schatzsuche helfen, auf den Weg in die verbotenen Gänge der Katakomben gemacht, weil Scarlett einen unterirdischen Raum unter dem Grab von Nicolas Flamel vermutet. Flamel war Alchemist und in diesem seit Jahrhunderten nicht entdecktem Raum ist der Stein der Weisen, der jedes Metall in Gold verwandeln und das ewige Leben schenken kann. Also macht sich die zusammengewürfelte Truppe auf den Weg in die Unterwelt.
Weil sie in den Katakomben eine Abkürzung benutzen wollen, vor der sie ihr einheimischer Tourguide Papillon warnt, öffnen sie auch gleich das Tor zur Hölle und, nun, seltsame Dinge geschehen, Erinnerungen materialisieren sich und einige werden den Tag nicht überleben.
Dieses Spiel mit Wahn und Wirklichkeit hilft auch den Drehbuchautoren Drew Dowdle und John Erick Dowdle (der auch Regie führte), die auch für „Quaranäne“ und „Devil – Fahrstuhl zur Hölle“ verantwortlich sind. Denn nachdem Scarlett und die anderen das unterirdische Paris betreten haben, verabschiedet sich schnell auch die Restlogik aus „Katakomben“. Dafür sind ein verstaubtes, aber klingelndes Telefon, ein altes Klavier mit einer lädierten Taste und ein brennendes Auto mit einem schreiendem Insassen in den Katakomben (keine Ahnung, wie es dahin kam) einfach zu gute Bilder. Einige geisterhafte Figuren dürfen auch durch das Bild huschen – und es gibt eine Unzahl vollkommen absurder Momente. Wenn die Jugendlichen vor einer schon vor Jahrhunderten gestorbenen Person stehen und sich gegenseitig mehrmals versichern, dass er tot ist; wenn sie an einem Mönch vorbeischleichen und ihn dabei mit ihren Lampen anstrahlen (naja, vielleicht ist er blind, aber nicht taub), dann werden, auch ohne die Spielerei mit oben und unten (der Originaltitel ist „As above, so below“), im eh schon logikfernen Found-Footage-Genre neue Höhen der Absurdität erreicht, die sicher in einigen Mitternachtsscreenings für noch mehr Lacher sorgen als während der Pressevorführung. Denn bei dem Mitternachtsscreening kann dann jeder unbefangen seine Kommentare zum Leinwandgeschehen in den Raum brüllen.
Zu den gruseligen Dialogen (wahrscheinlich war die Regieanweisung: „Sagt einfach, was euch so einfällt.“) und der kopfschmerzförderlichen Wackel-Wackelkamera (herrje, sogar mein an Parkinson leidender Urgroßvater hat eine ruhigere Hand) sag ich jetzt nichts. Das gehört ja seit dem „Blair Witch Project“ zum gut gepflegten Found-Footage-Ton. Genauso wie Bilder, die unmöglich von einem der Charaktere aufgenommen worden sein können.

Katakomben - Plakat

Katakomben (As above, so below, USA 2014)
Regie: John Erick Dowdle
Drehbuch: John Erick Dowdle, Drew Dowdle
mit Perdita Weeks, Ben Feldman, Edwin Hodge, Francis Civil, Marion Lambet, Ali Marhyar
Länge: 93 Minuten
FSK: ab 16 Jahre

Hinweise
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „Katakomben“
Moviepilot über „Katakomben“
Metacritic über „Katakaomben“
Rotten Tomatoes über „Katakomben“
Wikipedia über „Katakomben“ (deutsch, englisch)


Neu im Kino/Filmkritik: Charles Dickens und „The Invisible Woman“

April 24, 2014

Erst wenn man die historischen Daten studiert, fällt auf, wie sehr Regisseur Ralph Fiennes sich in seinem zweiten Spielfilm „The Invisible Woman“ um eine genaue Datierung der Ereignisse herummogelt oder sie als so bekannt voraussetzt, dass er sie nicht explizit erwähnen muss. Jedenfalls erweckt er bei einem unbedarftem Publikum den Eindruck, dass die Geschichte der titelgebenden unsichtbaren Frau sich innerhalb eines ziemlich kurzen Zeitraums abspielt.
Der Film beginnt 1885 am Strand der englischen Küstenstadt Margate. Eine Frau läuft, gehetzt von unsichtbaren Dämonen, am Strand entlang. Es ist Mrs. George Wharton Robinson, gebürtige Ellen ‚Nelly‘ Ternan (Felicity Jones), die mit Jugendlichen das von Charles Dickens und Wilkie Collins geschriebene Theaterstück „No Thoroughfare“ inszeniert. Die respektierte Gelehrtengattin, die mit ihrem Mann eine Jungenschule leitet, ist eine große Dickens-Bewunderin, die den Dichter sogar persönlich kannte. Als Kind behauptet sie.
Eine Rückblende in das Jahr 1857 zeigt sie als achtzehnjährige Schauspielerin, die in Manchester in dem Collins/Dickens-Theaterstück „The Frozen Deep“ mitspielen soll. Inszeniert wird die Aufführung von Charles Dickens (Ralph Fiennes) höchstpersönlich, der auch die Hauptrolle übernimmt. Der verheiratete 45-jähriger Mann verliebt sich in die Schauspielerin.
In den folgenden dreizehn Jahren, bis zu Dickens Tod 1870, sind sie ein Liebespaar, bei dem Nelly die titelgebende unsichtbare Frau ist. Denn in der Öffentlichkeit gehen sie getrennte Wege und Dickens versucht alles, damit niemand von der Beziehung erfährt.
Und genauso diskret, wie Dickens und Ternan vorgingen, erzählt Ralph Fiennes, nach einem Drehbuch von Abi Morgan („Shame“, „Die eiserne Lady“), diese auf Fakten basierende Geschichte. Denn anstatt die Konflikte direkt anzusprechen, umkreist er sie und deutet sie in Halbsätzen und Gesten an. Und die lange Zeit, die vergeht, ignoriert er, weil die Schauspieler immer ungefähr gleich alt aussehen.
Außerdem werden die Konflikte zugunsten einer gediegenen Inszenierung vernachlässigt. Letztendlich ist „The Invisible Woman“ ein Kostümdrama für das gebildete, schon etwas ältere Publikum, das sich an einer ästhetischen, das Nervenkostüm schonenden Inszenierung ergötzt, während das Denkmal von Charles Dickens kaum angekratzt wird und seine Liebe zu der jungen Schauspielerin fast wie allseit akzeptierte eine Zweckehe wirkt.
Die starren gesellschaftlichen Konventionen und auch die Belastungen und Nachteile, die Nelly Ternan aufgrund ihrer Liebe zu einem älteren, verheirateten, von der Öffentlichkeit vergötterten, sich absolut egoistisch verhaltenden Mann, hatte, werden kaum angesprochen. Denn es war auch eine Liebe, für die sie als Konkubine ihr Leben aufgab und über die sie schweigen musste. Auch nach ihrem Tod wurde von Dickens‘ Nachkommen diese Beziehung soweit möglich verschwiegen.
So bleibt der Film hinter den Möglichkeiten zurück, die die wahren Geschichte von Nelly Ternan geboten hätte.

The Invisible Woman - Plakat

The Invisible Woman (The Invisible Woman, Großbritannien 2013)
Regie: Ralph Fiennes
Drehbuch: Abi Morgan
LV: Claire Tomalin: The Invisible Woman: The Story of Nelly Ternan and Charles Dickens, 1991
mit Ralph Fiennes, Felicity Jones, Kristin Scott Thomas, Tom Hollander, Joanna Scanlan, Perdita Weeks, Amanda Hale, Tom Burke, John Kavanagh
Länge: 111 Minuten
FSK: ab 0 Jahre

Hinweise
Englische Homepage zum Film
Deutsche Homepage zum Film
Film-Zeit über „The Invisible Woman“
Moviepilot über „The Invisible Woman“
Metacritic über „The Invisible Woman“
Rotten Tomatoes über „The Invisible Woman“
Wikipedia über „The Invisible Woman“

Die TIFF-Pressekonferenz

Die NYFF-Pressekonferenz

Die Screen-Actors-Guild-Conversation